Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.zu bestimmen. hatte, binnen Jahresfrist zu heyrathen, gegen den säum-haften Eigenbehörigen den Caducitätsproceß fortführten, währender Zeit der neue Besitzer der Pfründe eben dem- selben Leibeignen einen andern Termin zur Heyrath setzte, und wie er solchen versäumte, gegen denselben mit einem 2ten Caducitätsproceß herausgieng. Und überhaupt dürfte diese sonderbare Art von Processen ganz wegfallen, indem ein weltlicher Gutsherr, der einen Leibeignen für sich und seine Erben besitzt, seinen Leibeignen nicht leicht zum heyrathen zwingt, sondern lieber dessen Todesfall, wodurch entweder ihm oder seinen Erben das Gut erle- digt wird, abwartet. Insbesondre aber würden 8) die geringen Pfründer ihren Vortheil dabey finden, die wenn sie einmal zur Erhaltung ihres Rechts eine Verhöhung der ausserordentlichen Gefälle vornehmen wollen, in weitläuftige Processe gestürzet werden, und wenn sie ihre übrigen Einkünfte darauf zum Vortheil ih- res Nachfolgern nicht verwenden wollen, dem Leibeignen nachgeben müssen. Zudem ist 9) der Sterbfall nach Ritterrecht, der zuerst auf Sunder- gute a) eingeführet worden, und welchen ehedem der Bischof und seine Geistlichkeit nie gezogen haben, alle- zeit ein trauriges Recht. Denn was kan trauriger seyn, als Wittwen und Waisen, sofort in der größten Be- trübniß und wenn die Leiche noch im Hause steht, zu überfallen; alles was sie im Hause und Vermögen haben, aufzuschreiben und wegzunehmen, und ihnen von den Empfindungen der Vornehmen die allerunan- ständigsten Begriffe beyzubringen? Welcher Gutsherr fühlt es nicht, was eine solche Handlung für widrige Begriffe bey dem gemeinen Manne hervorbringen, und wie a) Bonis extra curtem vel a curte separatis. M 2
zu beſtimmen. hatte, binnen Jahresfriſt zu heyrathen, gegen den ſaͤum-haften Eigenbehoͤrigen den Caducitaͤtsproceß fortfuͤhrten, waͤhrender Zeit der neue Beſitzer der Pfruͤnde eben dem- ſelben Leibeignen einen andern Termin zur Heyrath ſetzte, und wie er ſolchen verſaͤumte, gegen denſelben mit einem 2ten Caducitaͤtsproceß herausgieng. Und uͤberhaupt duͤrfte dieſe ſonderbare Art von Proceſſen ganz wegfallen, indem ein weltlicher Gutsherr, der einen Leibeignen fuͤr ſich und ſeine Erben beſitzt, ſeinen Leibeignen nicht leicht zum heyrathen zwingt, ſondern lieber deſſen Todesfall, wodurch entweder ihm oder ſeinen Erben das Gut erle- digt wird, abwartet. Insbeſondre aber wuͤrden 8) die geringen Pfruͤnder ihren Vortheil dabey finden, die wenn ſie einmal zur Erhaltung ihres Rechts eine Verhoͤhung der auſſerordentlichen Gefaͤlle vornehmen wollen, in weitlaͤuftige Proceſſe geſtuͤrzet werden, und wenn ſie ihre uͤbrigen Einkuͤnfte darauf zum Vortheil ih- res Nachfolgern nicht verwenden wollen, dem Leibeignen nachgeben muͤſſen. Zudem iſt 9) der Sterbfall nach Ritterrecht, der zuerſt auf Sunder- gute a) eingefuͤhret worden, und welchen ehedem der Biſchof und ſeine Geiſtlichkeit nie gezogen haben, alle- zeit ein trauriges Recht. Denn was kan trauriger ſeyn, als Wittwen und Waiſen, ſofort in der groͤßten Be- truͤbniß und wenn die Leiche noch im Hauſe ſteht, zu uͤberfallen; alles was ſie im Hauſe und Vermoͤgen haben, aufzuſchreiben und wegzunehmen, und ihnen von den Empfindungen der Vornehmen die allerunan- ſtaͤndigſten Begriffe beyzubringen? Welcher Gutsherr fuͤhlt es nicht, was eine ſolche Handlung fuͤr widrige Begriffe bey dem gemeinen Manne hervorbringen, und wie a) Bonis extra curtem vel a curte ſeparatis. M 2
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zu beſtimmen.
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waͤhrender Zeit der neue Beſitzer der Pfruͤnde eben dem-
ſelben Leibeignen einen andern Termin zur Heyrath ſetzte,
und wie er ſolchen verſaͤumte, gegen denſelben mit einem
2ten Caducitaͤtsproceß herausgieng. Und uͤberhaupt
duͤrfte dieſe ſonderbare Art von Proceſſen ganz wegfallen,
indem ein weltlicher Gutsherr, der einen Leibeignen fuͤr
ſich und ſeine Erben beſitzt, ſeinen Leibeignen nicht leicht
zum heyrathen zwingt, ſondern lieber deſſen Todesfall,
wodurch entweder ihm oder ſeinen Erben das Gut erle-
digt wird, abwartet. Insbeſondre aber wuͤrden
8) die geringen Pfruͤnder ihren Vortheil dabey finden,
die wenn ſie einmal zur Erhaltung ihres Rechts eine
Verhoͤhung der auſſerordentlichen Gefaͤlle vornehmen
wollen, in weitlaͤuftige Proceſſe geſtuͤrzet werden, und
wenn ſie ihre uͤbrigen Einkuͤnfte darauf zum Vortheil ih-
res Nachfolgern nicht verwenden wollen, dem Leibeignen
nachgeben muͤſſen. Zudem iſt
9) der Sterbfall nach Ritterrecht, der zuerſt auf Sunder-
gute a) eingefuͤhret worden, und welchen ehedem der
Biſchof und ſeine Geiſtlichkeit nie gezogen haben, alle-
zeit ein trauriges Recht. Denn was kan trauriger ſeyn,
als Wittwen und Waiſen, ſofort in der groͤßten Be-
truͤbniß und wenn die Leiche noch im Hauſe ſteht, zu
uͤberfallen; alles was ſie im Hauſe und Vermoͤgen
haben, aufzuſchreiben und wegzunehmen, und ihnen
von den Empfindungen der Vornehmen die allerunan-
ſtaͤndigſten Begriffe beyzubringen? Welcher Gutsherr
fuͤhlt es nicht, was eine ſolche Handlung fuͤr widrige
Begriffe bey dem gemeinen Manne hervorbringen, und
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