Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

über die Abäußerungs- oder Abmeyerungsurs.
hat, welche von dem Mangel des Grundeigenthums unter
dem Amte, auf die würkliche Leibeigenschaft gemacht sind;
denn eben daher rühret die beständige Bestrebung eines gros-
sen Theils der Menschen, sich wo immer möglich, den ge-
meinen Lasten oder dem Amte zu entziehen, weil es einen
Verdacht der Leibeigenschaft erweckt; und wir mögen es als
die Haupthinderniß ansehen, warum wir in Westphalen auf
schatzpflichtigen Höfen keine solche Landhäuser und Landmän-
ner haben, wie wir in England antreffen, daß alle diejeni-
gen, die sich fühlen und Kräfte haben, die reihepflichtige
Höfe fliehen und dieselbe einem Leibeignen übergeben; wel-
ches nicht geschehen würde, wenn die persönliche Freyheit un-
term Amte mehr gesichert und geehret worden wäre.

Um aber wieder auf den Hauptsatz zu kommen; so glaube
ich es sattsam dargethan zu haben, daß die Abäußerung über-
haupt so wohl gegen freye als leibeigne Besitzer reihepflichti-
ger Höfe Statt finde. Zwar wird man mir hier einwenden,
daß ich gleichwohl hierinn den Gerichtsgebrauch und den
Mangel eines ausdrücklichen Gesetzes gegen mich hätte. Al-
lein ich antworte, daß die Abäußerung der Rittereignen und
Hofhörigen außer allen Zweifel stehe; daß ferner die mög-
liche Abäußerung der Ravensbergischen, Wetterischen und
andern Freyen genugsam erwiesen; daß der Schluß, welcher
gegen diese gilt, auch gegen die Nothfreyen gelte, und schon
oft gegolten haben würde, wann dergleichen Leute nur auf
solchem reihepflichtigen Gute säßen, wovon sie Ländereyen
versplittern, Gehölz verhauen, und Spannung vernachläßi-
gen, mithin sich in den Fall einer Abäußerung verwickeln
konnten. Es bleiben also blos die Sonderfreyen, welche
schatzpflichtige Güter besitzen, und weder Rittereigen noch
Hofhörig, noch in einer Freyenrolle sind, übrig, und von

die-
L 4

uͤber die Abaͤußerungs- oder Abmeyerungsurſ.
hat, welche von dem Mangel des Grundeigenthums unter
dem Amte, auf die wuͤrkliche Leibeigenſchaft gemacht ſind;
denn eben daher ruͤhret die beſtaͤndige Beſtrebung eines groſ-
ſen Theils der Menſchen, ſich wo immer moͤglich, den ge-
meinen Laſten oder dem Amte zu entziehen, weil es einen
Verdacht der Leibeigenſchaft erweckt; und wir moͤgen es als
die Haupthinderniß anſehen, warum wir in Weſtphalen auf
ſchatzpflichtigen Hoͤfen keine ſolche Landhaͤuſer und Landmaͤn-
ner haben, wie wir in England antreffen, daß alle diejeni-
gen, die ſich fuͤhlen und Kraͤfte haben, die reihepflichtige
Hoͤfe fliehen und dieſelbe einem Leibeignen uͤbergeben; wel-
ches nicht geſchehen wuͤrde, wenn die perſoͤnliche Freyheit un-
term Amte mehr geſichert und geehret worden waͤre.

Um aber wieder auf den Hauptſatz zu kommen; ſo glaube
ich es ſattſam dargethan zu haben, daß die Abaͤußerung uͤber-
haupt ſo wohl gegen freye als leibeigne Beſitzer reihepflichti-
ger Hoͤfe Statt finde. Zwar wird man mir hier einwenden,
daß ich gleichwohl hierinn den Gerichtsgebrauch und den
Mangel eines ausdruͤcklichen Geſetzes gegen mich haͤtte. Al-
lein ich antworte, daß die Abaͤußerung der Rittereignen und
Hofhoͤrigen außer allen Zweifel ſtehe; daß ferner die moͤg-
liche Abaͤußerung der Ravensbergiſchen, Wetteriſchen und
andern Freyen genugſam erwieſen; daß der Schluß, welcher
gegen dieſe gilt, auch gegen die Nothfreyen gelte, und ſchon
oft gegolten haben wuͤrde, wann dergleichen Leute nur auf
ſolchem reihepflichtigen Gute ſaͤßen, wovon ſie Laͤndereyen
verſplittern, Gehoͤlz verhauen, und Spannung vernachlaͤßi-
gen, mithin ſich in den Fall einer Abaͤußerung verwickeln
konnten. Es bleiben alſo blos die Sonderfreyen, welche
ſchatzpflichtige Guͤter beſitzen, und weder Rittereigen noch
Hofhoͤrig, noch in einer Freyenrolle ſind, uͤbrig, und von

die-
L 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0185" n="167"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">u&#x0364;ber die Aba&#x0364;ußerungs- oder Abmeyerungsur&#x017F;.</hi></fw><lb/>
hat, welche von dem Mangel des Grundeigenthums unter<lb/>
dem Amte, auf die wu&#x0364;rkliche Leibeigen&#x017F;chaft gemacht &#x017F;ind;<lb/>
denn eben daher ru&#x0364;hret die be&#x017F;ta&#x0364;ndige Be&#x017F;trebung eines gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Theils der Men&#x017F;chen, &#x017F;ich wo immer mo&#x0364;glich, den ge-<lb/>
meinen La&#x017F;ten oder dem Amte zu entziehen, weil es einen<lb/>
Verdacht der Leibeigen&#x017F;chaft erweckt; und wir mo&#x0364;gen es als<lb/>
die Haupthinderniß an&#x017F;ehen, warum wir in We&#x017F;tphalen auf<lb/>
&#x017F;chatzpflichtigen Ho&#x0364;fen keine &#x017F;olche Landha&#x0364;u&#x017F;er und Landma&#x0364;n-<lb/>
ner haben, wie wir in England antreffen, daß alle diejeni-<lb/>
gen, die &#x017F;ich fu&#x0364;hlen und Kra&#x0364;fte haben, die reihepflichtige<lb/>
Ho&#x0364;fe fliehen und die&#x017F;elbe einem Leibeignen u&#x0364;bergeben; wel-<lb/>
ches nicht ge&#x017F;chehen wu&#x0364;rde, wenn die per&#x017F;o&#x0364;nliche Freyheit un-<lb/>
term Amte mehr ge&#x017F;ichert und geehret worden wa&#x0364;re.</p><lb/>
        <p>Um aber wieder auf den Haupt&#x017F;atz zu kommen; &#x017F;o glaube<lb/>
ich es &#x017F;att&#x017F;am dargethan zu haben, daß die Aba&#x0364;ußerung u&#x0364;ber-<lb/>
haupt &#x017F;o wohl gegen freye als leibeigne Be&#x017F;itzer reihepflichti-<lb/>
ger Ho&#x0364;fe Statt finde. Zwar wird man mir hier einwenden,<lb/>
daß ich gleichwohl hierinn den Gerichtsgebrauch und den<lb/>
Mangel eines ausdru&#x0364;cklichen Ge&#x017F;etzes gegen mich ha&#x0364;tte. Al-<lb/>
lein ich antworte, daß die Aba&#x0364;ußerung der Rittereignen und<lb/>
Hofho&#x0364;rigen außer allen Zweifel &#x017F;tehe; daß ferner die mo&#x0364;g-<lb/>
liche Aba&#x0364;ußerung der Ravensbergi&#x017F;chen, Wetteri&#x017F;chen und<lb/>
andern Freyen genug&#x017F;am erwie&#x017F;en; daß der Schluß, welcher<lb/>
gegen die&#x017F;e gilt, auch gegen die Nothfreyen gelte, und &#x017F;chon<lb/>
oft gegolten haben wu&#x0364;rde, wann dergleichen Leute nur auf<lb/>
&#x017F;olchem reihepflichtigen Gute &#x017F;a&#x0364;ßen, wovon &#x017F;ie La&#x0364;ndereyen<lb/>
ver&#x017F;plittern, Geho&#x0364;lz verhauen, und Spannung vernachla&#x0364;ßi-<lb/>
gen, mithin &#x017F;ich in den Fall einer Aba&#x0364;ußerung verwickeln<lb/>
konnten. Es bleiben al&#x017F;o blos die <hi rendition="#fr">Sonderfreyen,</hi> welche<lb/>
&#x017F;chatzpflichtige Gu&#x0364;ter be&#x017F;itzen, und weder Rittereigen noch<lb/>
Hofho&#x0364;rig, noch in einer Freyenrolle &#x017F;ind, u&#x0364;brig, und von<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 4</fw><fw place="bottom" type="catch">die-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0185] uͤber die Abaͤußerungs- oder Abmeyerungsurſ. hat, welche von dem Mangel des Grundeigenthums unter dem Amte, auf die wuͤrkliche Leibeigenſchaft gemacht ſind; denn eben daher ruͤhret die beſtaͤndige Beſtrebung eines groſ- ſen Theils der Menſchen, ſich wo immer moͤglich, den ge- meinen Laſten oder dem Amte zu entziehen, weil es einen Verdacht der Leibeigenſchaft erweckt; und wir moͤgen es als die Haupthinderniß anſehen, warum wir in Weſtphalen auf ſchatzpflichtigen Hoͤfen keine ſolche Landhaͤuſer und Landmaͤn- ner haben, wie wir in England antreffen, daß alle diejeni- gen, die ſich fuͤhlen und Kraͤfte haben, die reihepflichtige Hoͤfe fliehen und dieſelbe einem Leibeignen uͤbergeben; wel- ches nicht geſchehen wuͤrde, wenn die perſoͤnliche Freyheit un- term Amte mehr geſichert und geehret worden waͤre. Um aber wieder auf den Hauptſatz zu kommen; ſo glaube ich es ſattſam dargethan zu haben, daß die Abaͤußerung uͤber- haupt ſo wohl gegen freye als leibeigne Beſitzer reihepflichti- ger Hoͤfe Statt finde. Zwar wird man mir hier einwenden, daß ich gleichwohl hierinn den Gerichtsgebrauch und den Mangel eines ausdruͤcklichen Geſetzes gegen mich haͤtte. Al- lein ich antworte, daß die Abaͤußerung der Rittereignen und Hofhoͤrigen außer allen Zweifel ſtehe; daß ferner die moͤg- liche Abaͤußerung der Ravensbergiſchen, Wetteriſchen und andern Freyen genugſam erwieſen; daß der Schluß, welcher gegen dieſe gilt, auch gegen die Nothfreyen gelte, und ſchon oft gegolten haben wuͤrde, wann dergleichen Leute nur auf ſolchem reihepflichtigen Gute ſaͤßen, wovon ſie Laͤndereyen verſplittern, Gehoͤlz verhauen, und Spannung vernachlaͤßi- gen, mithin ſich in den Fall einer Abaͤußerung verwickeln konnten. Es bleiben alſo blos die Sonderfreyen, welche ſchatzpflichtige Guͤter beſitzen, und weder Rittereigen noch Hofhoͤrig, noch in einer Freyenrolle ſind, uͤbrig, und von die- L 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/185
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/185>, abgerufen am 25.11.2024.