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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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als die überh. Aush. der Bauerhöfe.
Geschichte euer Heuerleute. Wenn der Kerl ein Pferd schul-
dig ist: so pfändet ihm der Richter zur Bezahlung zween, und
ihr guten Leute seht nicht ein, daß der Hof mit seinem Ge-
wehre den der Leibeigne unterhat, die Löhnung des Staats ist,
welche vermöge der ursprünglichen Verbindung gegen allen An-
griff geheiliget seyn muß. Wenn meine Soldaten von ihrem
Gewehr und ihren Tornüster ihren Kindern nach dem Werth
derselben etwas auskehren müßten: so werden diese zwar we-
nig erhalten, die Väter aber wahrhaftig mit Stecken zu Felde
ziehen. Mit dem Trommelschlag bezahlen wir alles; und
das müßten eure Leibeignen auch thun.

Es ist wahrlich keine Sache, worüber man spotten sollte,
fieng hier der Moralist wieder an. Ist es gleich traurig und
erschrecklich, einem Landmanne zur Bezahlung einiger Kühe,
sein bestes Pferd; zur Bezahlung eines andern Pferdes seine
Kornfrüchte, und zur Bezahlung neuer Kornfrüchte Wagen
und Pflug zu pfänden, und zur Befriedigung des Wagen-
machers wieder bey den Kühen anzufangen; mithin ihn in
diesem Landverderblichen Spiele, wobey zuletzt alles mit
Cartengeldern für die Bediente aufgeht, herumzujagen: so
liegen doch die großen Mittel, wodurch diesen Uebeln abge-
holfen werden könnte, so tief in dem Gebirge, daß eine Art
von Wunderwerk geschehen, und die große Kayserin aller
Reussen, Catharine die Andre, diese weise und mächtige
Gesetzgeberinn des vorigen Jahrhunderts aus der Erde wie-
derum aufstehen müste, um sie heraufzubringen, und vom
rohen Gestein zu säubern. Unsre ältesten Vorfahren, um
sich kurz zu helfen, schnitten den römischen Richtern und
Advocaten die Zungen aus, und ich stelle mir die wilden
Fleischer mit der Zunge in der Hand noch oftmals vor, wie
sie sprachon:

Ver-
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als die uͤberh. Aush. der Bauerhoͤfe.
Geſchichte euer Heuerleute. Wenn der Kerl ein Pferd ſchul-
dig iſt: ſo pfaͤndet ihm der Richter zur Bezahlung zween, und
ihr guten Leute ſeht nicht ein, daß der Hof mit ſeinem Ge-
wehre den der Leibeigne unterhat, die Loͤhnung des Staats iſt,
welche vermoͤge der urſpruͤnglichen Verbindung gegen allen An-
griff geheiliget ſeyn muß. Wenn meine Soldaten von ihrem
Gewehr und ihren Tornuͤſter ihren Kindern nach dem Werth
derſelben etwas auskehren muͤßten: ſo werden dieſe zwar we-
nig erhalten, die Vaͤter aber wahrhaftig mit Stecken zu Felde
ziehen. Mit dem Trommelſchlag bezahlen wir alles; und
das muͤßten eure Leibeignen auch thun.

Es iſt wahrlich keine Sache, woruͤber man ſpotten ſollte,
fieng hier der Moraliſt wieder an. Iſt es gleich traurig und
erſchrecklich, einem Landmanne zur Bezahlung einiger Kuͤhe,
ſein beſtes Pferd; zur Bezahlung eines andern Pferdes ſeine
Kornfruͤchte, und zur Bezahlung neuer Kornfruͤchte Wagen
und Pflug zu pfaͤnden, und zur Befriedigung des Wagen-
machers wieder bey den Kuͤhen anzufangen; mithin ihn in
dieſem Landverderblichen Spiele, wobey zuletzt alles mit
Cartengeldern fuͤr die Bediente aufgeht, herumzujagen: ſo
liegen doch die großen Mittel, wodurch dieſen Uebeln abge-
holfen werden koͤnnte, ſo tief in dem Gebirge, daß eine Art
von Wunderwerk geſchehen, und die große Kayſerin aller
Reuſſen, Catharine die Andre, dieſe weiſe und maͤchtige
Geſetzgeberinn des vorigen Jahrhunderts aus der Erde wie-
derum aufſtehen muͤſte, um ſie heraufzubringen, und vom
rohen Geſtein zu ſaͤubern. Unſre aͤlteſten Vorfahren, um
ſich kurz zu helfen, ſchnitten den roͤmiſchen Richtern und
Advocaten die Zungen aus, und ich ſtelle mir die wilden
Fleiſcher mit der Zunge in der Hand noch oftmals vor, wie
ſie ſprachon:

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[121/0139] als die uͤberh. Aush. der Bauerhoͤfe. Geſchichte euer Heuerleute. Wenn der Kerl ein Pferd ſchul- dig iſt: ſo pfaͤndet ihm der Richter zur Bezahlung zween, und ihr guten Leute ſeht nicht ein, daß der Hof mit ſeinem Ge- wehre den der Leibeigne unterhat, die Loͤhnung des Staats iſt, welche vermoͤge der urſpruͤnglichen Verbindung gegen allen An- griff geheiliget ſeyn muß. Wenn meine Soldaten von ihrem Gewehr und ihren Tornuͤſter ihren Kindern nach dem Werth derſelben etwas auskehren muͤßten: ſo werden dieſe zwar we- nig erhalten, die Vaͤter aber wahrhaftig mit Stecken zu Felde ziehen. Mit dem Trommelſchlag bezahlen wir alles; und das muͤßten eure Leibeignen auch thun. Es iſt wahrlich keine Sache, woruͤber man ſpotten ſollte, fieng hier der Moraliſt wieder an. Iſt es gleich traurig und erſchrecklich, einem Landmanne zur Bezahlung einiger Kuͤhe, ſein beſtes Pferd; zur Bezahlung eines andern Pferdes ſeine Kornfruͤchte, und zur Bezahlung neuer Kornfruͤchte Wagen und Pflug zu pfaͤnden, und zur Befriedigung des Wagen- machers wieder bey den Kuͤhen anzufangen; mithin ihn in dieſem Landverderblichen Spiele, wobey zuletzt alles mit Cartengeldern fuͤr die Bediente aufgeht, herumzujagen: ſo liegen doch die großen Mittel, wodurch dieſen Uebeln abge- holfen werden koͤnnte, ſo tief in dem Gebirge, daß eine Art von Wunderwerk geſchehen, und die große Kayſerin aller Reuſſen, Catharine die Andre, dieſe weiſe und maͤchtige Geſetzgeberinn des vorigen Jahrhunderts aus der Erde wie- derum aufſtehen muͤſte, um ſie heraufzubringen, und vom rohen Geſtein zu ſaͤubern. Unſre aͤlteſten Vorfahren, um ſich kurz zu helfen, ſchnitten den roͤmiſchen Richtern und Advocaten die Zungen aus, und ich ſtelle mir die wilden Fleiſcher mit der Zunge in der Hand noch oftmals vor, wie ſie ſprachon: Ver- H 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/139>, abgerufen am 03.05.2024.