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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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des angehenden Hagestolzen.
ein kleines Licht, welches von wohlriechenden Wassern bren-
net, ein durchscheinendes Gemählde erleuchtet, worauf ein
Herz, in welchem ein Pfeil steckt, die Verwundung ankün-
diget. Sie nennet dieses au petit coeur blesse; und ich
glaube würklich, daß sie der Hülfe eines Wundarztes nöthig
haben. Wie viel werden mir aber die wohlriechenden Was-
ser und die Wachskerzen kosten, die ich für einen solchen En-
gel würde brennen müssen, wenn ich mich entschlösse mit die-
ser Schönen meine Hütte zu erleuchten?

Außerdem ist mir mittlerweile noch ein ander wichtiger
Artikel eingefallen, der mich vom Heyrathen abhält; ich
meine die starke Bedienung, welche eine heutige Frau erfor-
dert. Da muß eine Cammerjungfer, ferner ein Cammer-
mädgen, dann wohl gar ein Cammerdiener, item wenigstens
ein Laquais, eine besondere Equipage und vielleicht ein eigner
Reitknecht für die liebe Frau gehalten werden; und wenn sie
sich auch mit der Hälfte von allem behelfen wollte: so würde
dieses doch bey gegenwärtigen theuren Zeiten gar nicht aus-
zuhalten seyn.

Mein Großvater der als Hausprediger auf einem adelichen
Gute gestanden, hat mir oft erzählet, daß zu seiner Zeit die
Herrschaft keinen Bedienten gehalten, der nicht nebenher
ein besonders Ae[nli]gen gehabt hätte; und wann denn eine
Gasterey gewesen wäre: so hätte jeder seine Livree aus dem
Schranke geholet und damit paradiret. Der reisige Knecht
des Herrn oder der Leibdiener, wäre zugleich Jäger gewe-
sen, und hätte, weil man noch von der Kunstgärtenerey nichts
gewußt, auch den Kraut- und Obstgarten unter seiner Aufsicht
gehabt; der Kutscher hätte die Dienste eines Ackerknechts ver-
richtet, und wäre seiner Profeßion nach ein Brauer und Becker

ge-

des angehenden Hageſtolzen.
ein kleines Licht, welches von wohlriechenden Waſſern bren-
net, ein durchſcheinendes Gemaͤhlde erleuchtet, worauf ein
Herz, in welchem ein Pfeil ſteckt, die Verwundung ankuͤn-
diget. Sie nennet dieſes au petit cœur bleſſé; und ich
glaube wuͤrklich, daß ſie der Huͤlfe eines Wundarztes noͤthig
haben. Wie viel werden mir aber die wohlriechenden Waſ-
ſer und die Wachskerzen koſten, die ich fuͤr einen ſolchen En-
gel wuͤrde brennen muͤſſen, wenn ich mich entſchloͤſſe mit die-
ſer Schoͤnen meine Huͤtte zu erleuchten?

Außerdem iſt mir mittlerweile noch ein ander wichtiger
Artikel eingefallen, der mich vom Heyrathen abhaͤlt; ich
meine die ſtarke Bedienung, welche eine heutige Frau erfor-
dert. Da muß eine Cammerjungfer, ferner ein Cammer-
maͤdgen, dann wohl gar ein Cammerdiener, item wenigſtens
ein Laquais, eine beſondere Equipage und vielleicht ein eigner
Reitknecht fuͤr die liebe Frau gehalten werden; und wenn ſie
ſich auch mit der Haͤlfte von allem behelfen wollte: ſo wuͤrde
dieſes doch bey gegenwaͤrtigen theuren Zeiten gar nicht aus-
zuhalten ſeyn.

Mein Großvater der als Hausprediger auf einem adelichen
Gute geſtanden, hat mir oft erzaͤhlet, daß zu ſeiner Zeit die
Herrſchaft keinen Bedienten gehalten, der nicht nebenher
ein beſonders Ae[nli]gen gehabt haͤtte; und wann denn eine
Gaſterey geweſen waͤre: ſo haͤtte jeder ſeine Livree aus dem
Schranke geholet und damit paradiret. Der reiſige Knecht
des Herrn oder der Leibdiener, waͤre zugleich Jaͤger gewe-
ſen, und haͤtte, weil man noch von der Kunſtgaͤrtenerey nichts
gewußt, auch den Kraut- und Obſtgarten unter ſeiner Aufſicht
gehabt; der Kutſcher haͤtte die Dienſte eines Ackerknechts ver-
richtet, und waͤre ſeiner Profeßion nach ein Brauer und Becker

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[95/0113] des angehenden Hageſtolzen. ein kleines Licht, welches von wohlriechenden Waſſern bren- net, ein durchſcheinendes Gemaͤhlde erleuchtet, worauf ein Herz, in welchem ein Pfeil ſteckt, die Verwundung ankuͤn- diget. Sie nennet dieſes au petit cœur bleſſé; und ich glaube wuͤrklich, daß ſie der Huͤlfe eines Wundarztes noͤthig haben. Wie viel werden mir aber die wohlriechenden Waſ- ſer und die Wachskerzen koſten, die ich fuͤr einen ſolchen En- gel wuͤrde brennen muͤſſen, wenn ich mich entſchloͤſſe mit die- ſer Schoͤnen meine Huͤtte zu erleuchten? Außerdem iſt mir mittlerweile noch ein ander wichtiger Artikel eingefallen, der mich vom Heyrathen abhaͤlt; ich meine die ſtarke Bedienung, welche eine heutige Frau erfor- dert. Da muß eine Cammerjungfer, ferner ein Cammer- maͤdgen, dann wohl gar ein Cammerdiener, item wenigſtens ein Laquais, eine beſondere Equipage und vielleicht ein eigner Reitknecht fuͤr die liebe Frau gehalten werden; und wenn ſie ſich auch mit der Haͤlfte von allem behelfen wollte: ſo wuͤrde dieſes doch bey gegenwaͤrtigen theuren Zeiten gar nicht aus- zuhalten ſeyn. Mein Großvater der als Hausprediger auf einem adelichen Gute geſtanden, hat mir oft erzaͤhlet, daß zu ſeiner Zeit die Herrſchaft keinen Bedienten gehalten, der nicht nebenher ein beſonders Aenligen gehabt haͤtte; und wann denn eine Gaſterey geweſen waͤre: ſo haͤtte jeder ſeine Livree aus dem Schranke geholet und damit paradiret. Der reiſige Knecht des Herrn oder der Leibdiener, waͤre zugleich Jaͤger gewe- ſen, und haͤtte, weil man noch von der Kunſtgaͤrtenerey nichts gewußt, auch den Kraut- und Obſtgarten unter ſeiner Aufſicht gehabt; der Kutſcher haͤtte die Dienſte eines Ackerknechts ver- richtet, und waͤre ſeiner Profeßion nach ein Brauer und Becker ge-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/113>, abgerufen am 24.11.2024.