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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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über den Putz seiner Frauen.

Rechnen Sie dabey, daß die gute selige Frau diesen ihren Putz
neunmal verändern konnte, und daß im Sterbefall noch eine
goldne Halskette, drey paar seidene Handschuh, und sechs ge-
stickte Tücher sich befanden, welche mit 15 Thalern das Stück
bezahlet waren. Erwegen Sie, daß an den hohen Festtagen
schwarz, und Camisol und Schürze von Damast getragen
wurde; und bedenken Sie endlich, daß die Selige, um mich
und ihre Verwandte zu betrauren, ihr Trauerzeug so vollstän-
dig hatte, daß sie das andre Jahr, denn hier im Kirchspiel
wird zwey Jahr getrauret, mit Abwechselungen erscheinen
konnte: so werden Sie gewiß finden, daß es mir als einen
armen Leibeignen schwer gefallen sey, mich sofort zu einer un-
dern Heyrath zu entschliessen. Doch habe ich mich jetzt besser
vorgesehen als mein Nachbar, der zwar einen freyen Kotten
erheyrathet, aber 14 Tage nach der Hochzeit erfahren hat,
daß seine Hausehre vor Galanteriewaaren an Krämer und
Packenträger 300 Thaler schuldig wäre. Sie muß zwar da-
für redlich büssen; und kömmt nicht anders als braun und
blau zu Bette, so bunt sie auch zur Kirche geht. Allein was
ist einem ehrlichen Manne damit gedienet, daß er seine beste
Zeit, die er ruhig im Kruge vertrinken könnte, mit prügeln
zubringen muß? Meine zukünftige soll, wie ich hoffe, mir
wenigstens einige Mühe in diesem Stücke ersparen. Denn
ich sehe, sie siehet mehr auf das wesentliche, und hat ihre Bett-
tücher von feinem Drell machen lassen. Wie glücklich sind
gegen uns die Kirchspiele auf der Heyde, wo der ganze Staat
einer Hausfrauen mit dreyßig Thaler bezahlet ist. Allein ich
höre auch, da lieben die Frauen Coffee und Muscatwein, und
die Männer trinken fleißig mit. Das thun wir hier nun
nicht. Wir halten uns an gutes Bier und redliche Kost.
Allein der Putz unsrer Weiber ist die Zuchtruthe des Him-
mels, womit wir weidlich gestäupet werden. Wenn man sie

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uͤber den Putz ſeiner Frauen.

Rechnen Sie dabey, daß die gute ſelige Frau dieſen ihren Putz
neunmal veraͤndern konnte, und daß im Sterbefall noch eine
goldne Halskette, drey paar ſeidene Handſchuh, und ſechs ge-
ſtickte Tuͤcher ſich befanden, welche mit 15 Thalern das Stuͤck
bezahlet waren. Erwegen Sie, daß an den hohen Feſttagen
ſchwarz, und Camiſol und Schuͤrze von Damaſt getragen
wurde; und bedenken Sie endlich, daß die Selige, um mich
und ihre Verwandte zu betrauren, ihr Trauerzeug ſo vollſtaͤn-
dig hatte, daß ſie das andre Jahr, denn hier im Kirchſpiel
wird zwey Jahr getrauret, mit Abwechſelungen erſcheinen
konnte: ſo werden Sie gewiß finden, daß es mir als einen
armen Leibeignen ſchwer gefallen ſey, mich ſofort zu einer un-
dern Heyrath zu entſchlieſſen. Doch habe ich mich jetzt beſſer
vorgeſehen als mein Nachbar, der zwar einen freyen Kotten
erheyrathet, aber 14 Tage nach der Hochzeit erfahren hat,
daß ſeine Hausehre vor Galanteriewaaren an Kraͤmer und
Packentraͤger 300 Thaler ſchuldig waͤre. Sie muß zwar da-
fuͤr redlich buͤſſen; und koͤmmt nicht anders als braun und
blau zu Bette, ſo bunt ſie auch zur Kirche geht. Allein was
iſt einem ehrlichen Manne damit gedienet, daß er ſeine beſte
Zeit, die er ruhig im Kruge vertrinken koͤnnte, mit pruͤgeln
zubringen muß? Meine zukuͤnftige ſoll, wie ich hoffe, mir
wenigſtens einige Muͤhe in dieſem Stuͤcke erſparen. Denn
ich ſehe, ſie ſiehet mehr auf das weſentliche, und hat ihre Bett-
tuͤcher von feinem Drell machen laſſen. Wie gluͤcklich ſind
gegen uns die Kirchſpiele auf der Heyde, wo der ganze Staat
einer Hausfrauen mit dreyßig Thaler bezahlet iſt. Allein ich
hoͤre auch, da lieben die Frauen Coffee und Muſcatwein, und
die Maͤnner trinken fleißig mit. Das thun wir hier nun
nicht. Wir halten uns an gutes Bier und redliche Koſt.
Allein der Putz unſrer Weiber iſt die Zuchtruthe des Him-
mels, womit wir weidlich geſtaͤupet werden. Wenn man ſie

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[69/0087] uͤber den Putz ſeiner Frauen. Rechnen Sie dabey, daß die gute ſelige Frau dieſen ihren Putz neunmal veraͤndern konnte, und daß im Sterbefall noch eine goldne Halskette, drey paar ſeidene Handſchuh, und ſechs ge- ſtickte Tuͤcher ſich befanden, welche mit 15 Thalern das Stuͤck bezahlet waren. Erwegen Sie, daß an den hohen Feſttagen ſchwarz, und Camiſol und Schuͤrze von Damaſt getragen wurde; und bedenken Sie endlich, daß die Selige, um mich und ihre Verwandte zu betrauren, ihr Trauerzeug ſo vollſtaͤn- dig hatte, daß ſie das andre Jahr, denn hier im Kirchſpiel wird zwey Jahr getrauret, mit Abwechſelungen erſcheinen konnte: ſo werden Sie gewiß finden, daß es mir als einen armen Leibeignen ſchwer gefallen ſey, mich ſofort zu einer un- dern Heyrath zu entſchlieſſen. Doch habe ich mich jetzt beſſer vorgeſehen als mein Nachbar, der zwar einen freyen Kotten erheyrathet, aber 14 Tage nach der Hochzeit erfahren hat, daß ſeine Hausehre vor Galanteriewaaren an Kraͤmer und Packentraͤger 300 Thaler ſchuldig waͤre. Sie muß zwar da- fuͤr redlich buͤſſen; und koͤmmt nicht anders als braun und blau zu Bette, ſo bunt ſie auch zur Kirche geht. Allein was iſt einem ehrlichen Manne damit gedienet, daß er ſeine beſte Zeit, die er ruhig im Kruge vertrinken koͤnnte, mit pruͤgeln zubringen muß? Meine zukuͤnftige ſoll, wie ich hoffe, mir wenigſtens einige Muͤhe in dieſem Stuͤcke erſparen. Denn ich ſehe, ſie ſiehet mehr auf das weſentliche, und hat ihre Bett- tuͤcher von feinem Drell machen laſſen. Wie gluͤcklich ſind gegen uns die Kirchſpiele auf der Heyde, wo der ganze Staat einer Hausfrauen mit dreyßig Thaler bezahlet iſt. Allein ich hoͤre auch, da lieben die Frauen Coffee und Muſcatwein, und die Maͤnner trinken fleißig mit. Das thun wir hier nun nicht. Wir halten uns an gutes Bier und redliche Koſt. Allein der Putz unſrer Weiber iſt die Zuchtruthe des Him- mels, womit wir weidlich geſtaͤupet werden. Wenn man ſie ent- E 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/87>, abgerufen am 24.11.2024.