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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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eine Osnabrückische Geschichte.
Reitzungen übertroffen hätte. Er widerstand daher nicht
lange ihrem mächtigen Eindruck, und der Tag zur Hochzeit
ward von den Eltern mit derjenigen Zufriedenheit angesetzt,
welche, eine ausgesuchte Ehe unter wohlgerathenen Kindern
insgemein zu machen pfleget. Allein so oft Arist seine Braut
besuchte, fand er sie in der Spinnstube, und er muste man-
chen Abend, die Freude, seine Geliebte zu sehen, mit dem
Verdruß, zwischen Rädern und Kindern zu sitzen, erkaufen.

Er konnte sich endlich nicht enthalten, einige satyrische
Züge gegen diese altväterische Gewohnheit auszulassen. Ist
es möglich, sagte er einsmal gegen den Vater, daß sie unter
diesem Gesumse, unter dem Geplauder der Mägde und unter
dem Lärm der Kinder so manchen schönen Abend hinbringen
können? In der ganzen übrigen Welt ist man von der alten
deutschen Gewohnheit, mit seinem Gesinde in einem Rauche
zu leben, zurück gekommen, und die Kinder können unmög-
lich edle Gesinnungen bekommen, wenn sie sich mit den Mäg-
den herum zerren. Ihre Denkungsart muß nothwendig
schlecht, und ihre Aufführung nicht besser gerathen. Ueberall
wo ich in der Welt gewesen, haben die Bediente ihre eigne
Stube; die Mägde haben die ihrige besonders; die Kammer-
jungfer sitzt allein; die Töchter sind bey der Französin; die
Knaben bey dem Hofmeister; der Herr vom Hause wohnt in
einem und die Frau im andern Flügel. Blos der Eßsaal
nebst einigen Vorzimmern dienen zu gewissen Zeiten des Tages,
um sich darinn zu sehen und zu versammlen. Und wenn ich
meine Haushaltung anfange, so soll die Spinnstubr gewiß
nicht im Corps de logis wieder angelegt werden.

Mein lieber Arist, war des Vaters Antwort, ich habe
auch die Welt gesehen, und nach einer langen Erfahrung ge-
funden, daß Langeweile unser größter Feind, und eine nütz-

liche

eine Oſnabruͤckiſche Geſchichte.
Reitzungen uͤbertroffen haͤtte. Er widerſtand daher nicht
lange ihrem maͤchtigen Eindruck, und der Tag zur Hochzeit
ward von den Eltern mit derjenigen Zufriedenheit angeſetzt,
welche, eine ausgeſuchte Ehe unter wohlgerathenen Kindern
insgemein zu machen pfleget. Allein ſo oft Ariſt ſeine Braut
beſuchte, fand er ſie in der Spinnſtube, und er muſte man-
chen Abend, die Freude, ſeine Geliebte zu ſehen, mit dem
Verdruß, zwiſchen Raͤdern und Kindern zu ſitzen, erkaufen.

Er konnte ſich endlich nicht enthalten, einige ſatyriſche
Zuͤge gegen dieſe altvaͤteriſche Gewohnheit auszulaſſen. Iſt
es moͤglich, ſagte er einsmal gegen den Vater, daß ſie unter
dieſem Geſumſe, unter dem Geplauder der Maͤgde und unter
dem Laͤrm der Kinder ſo manchen ſchoͤnen Abend hinbringen
koͤnnen? In der ganzen uͤbrigen Welt iſt man von der alten
deutſchen Gewohnheit, mit ſeinem Geſinde in einem Rauche
zu leben, zuruͤck gekommen, und die Kinder koͤnnen unmoͤg-
lich edle Geſinnungen bekommen, wenn ſie ſich mit den Maͤg-
den herum zerren. Ihre Denkungsart muß nothwendig
ſchlecht, und ihre Auffuͤhrung nicht beſſer gerathen. Ueberall
wo ich in der Welt geweſen, haben die Bediente ihre eigne
Stube; die Maͤgde haben die ihrige beſonders; die Kammer-
jungfer ſitzt allein; die Toͤchter ſind bey der Franzoͤſin; die
Knaben bey dem Hofmeiſter; der Herr vom Hauſe wohnt in
einem und die Frau im andern Fluͤgel. Blos der Eßſaal
nebſt einigen Vorzimmern dienen zu gewiſſen Zeiten des Tages,
um ſich darinn zu ſehen und zu verſammlen. Und wenn ich
meine Haushaltung anfange, ſo ſoll die Spinnſtubr gewiß
nicht im Corps de logis wieder angelegt werden.

Mein lieber Ariſt, war des Vaters Antwort, ich habe
auch die Welt geſehen, und nach einer langen Erfahrung ge-
funden, daß Langeweile unſer groͤßter Feind, und eine nuͤtz-

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[45/0063] eine Oſnabruͤckiſche Geſchichte. Reitzungen uͤbertroffen haͤtte. Er widerſtand daher nicht lange ihrem maͤchtigen Eindruck, und der Tag zur Hochzeit ward von den Eltern mit derjenigen Zufriedenheit angeſetzt, welche, eine ausgeſuchte Ehe unter wohlgerathenen Kindern insgemein zu machen pfleget. Allein ſo oft Ariſt ſeine Braut beſuchte, fand er ſie in der Spinnſtube, und er muſte man- chen Abend, die Freude, ſeine Geliebte zu ſehen, mit dem Verdruß, zwiſchen Raͤdern und Kindern zu ſitzen, erkaufen. Er konnte ſich endlich nicht enthalten, einige ſatyriſche Zuͤge gegen dieſe altvaͤteriſche Gewohnheit auszulaſſen. Iſt es moͤglich, ſagte er einsmal gegen den Vater, daß ſie unter dieſem Geſumſe, unter dem Geplauder der Maͤgde und unter dem Laͤrm der Kinder ſo manchen ſchoͤnen Abend hinbringen koͤnnen? In der ganzen uͤbrigen Welt iſt man von der alten deutſchen Gewohnheit, mit ſeinem Geſinde in einem Rauche zu leben, zuruͤck gekommen, und die Kinder koͤnnen unmoͤg- lich edle Geſinnungen bekommen, wenn ſie ſich mit den Maͤg- den herum zerren. Ihre Denkungsart muß nothwendig ſchlecht, und ihre Auffuͤhrung nicht beſſer gerathen. Ueberall wo ich in der Welt geweſen, haben die Bediente ihre eigne Stube; die Maͤgde haben die ihrige beſonders; die Kammer- jungfer ſitzt allein; die Toͤchter ſind bey der Franzoͤſin; die Knaben bey dem Hofmeiſter; der Herr vom Hauſe wohnt in einem und die Frau im andern Fluͤgel. Blos der Eßſaal nebſt einigen Vorzimmern dienen zu gewiſſen Zeiten des Tages, um ſich darinn zu ſehen und zu verſammlen. Und wenn ich meine Haushaltung anfange, ſo ſoll die Spinnſtubr gewiß nicht im Corps de logis wieder angelegt werden. Mein lieber Ariſt, war des Vaters Antwort, ich habe auch die Welt geſehen, und nach einer langen Erfahrung ge- funden, daß Langeweile unſer groͤßter Feind, und eine nuͤtz- liche

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/63>, abgerufen am 24.11.2024.