keinen Blick in die Welt thut, welche dem Fußgänger, wie dem Reuter, offen steht.
Es ist fast unglaublich, wie sehr wir seit einigen Jahren die Bilanz der Handlung verlohren haben. Wie lange ist es, daß hundert Alberts-Thaler 120 Thaler unserer Münze galten? Und, wie lange stehen sie nun an und über 135? Wer denkt die Zeit, daß der Englische Wechsel so lange und so anhaltend, um und über sechshundert geschwebet? Und welcher Mensch in der Welt hätte es sich vorstellen sollen, daß England in wenigen Jahren an die zehn Millionen Pf. Sterl. hätte nach Deutschland übermachen können, ohne dort schuldig zu werden, und den Wechsel gegen sich zu haben? Flüsse und Häfen könnten uns dienen. Allein zufüllen und versenken sollten wir sie beynahe, da sie ihrem Vaterlande ungetreu und fremden dienstbar werden.
Jedes Seestädtgen handelt blos nach seiner eigenen Politik, und die Wohlfahrt des Reichs, welche leider mit jedem einzelnem Theile desselben contrastirt, ist kaum noch, dem Namen nach, bekannt. Aber auch in keinem Friedens- schlusse wird für die Befestigung der Handlung gesorgt. Man hat sich von Rußland, Frankreich, England und Holland, nie etwas fruchtbares dafür bedungen, und ist stolz, einen Rang- streit ausgemacht, oder eine neue Messe angelegt zu haben.
Man glaube aber nicht, daß die Seestädte ihren Vore- theil zuerst von dem Vortheile des Reichs getrennet haben. Den ersten Fehler ausgenommen, welchen sie jetzt mit der englischen Ostindischen Compagnie gemein haben, daß sie Kriege mit den Reichen anfingen, mit dessen Einwohnern sie handeln wollten, so sind es die Landstädte, welche sich ihnen zuerst entzogen, und sie dadurch in die Nothwendigkeit ge-
setzet
Gedanken uͤber den Verfall
keinen Blick in die Welt thut, welche dem Fußgaͤnger, wie dem Reuter, offen ſteht.
Es iſt faſt unglaublich, wie ſehr wir ſeit einigen Jahren die Bilanz der Handlung verlohren haben. Wie lange iſt es, daß hundert Alberts-Thaler 120 Thaler unſerer Muͤnze galten? Und, wie lange ſtehen ſie nun an und uͤber 135? Wer denkt die Zeit, daß der Engliſche Wechſel ſo lange und ſo anhaltend, um und uͤber ſechshundert geſchwebet? Und welcher Menſch in der Welt haͤtte es ſich vorſtellen ſollen, daß England in wenigen Jahren an die zehn Millionen Pf. Sterl. haͤtte nach Deutſchland uͤbermachen koͤnnen, ohne dort ſchuldig zu werden, und den Wechſel gegen ſich zu haben? Fluͤſſe und Haͤfen koͤnnten uns dienen. Allein zufuͤllen und verſenken ſollten wir ſie beynahe, da ſie ihrem Vaterlande ungetreu und fremden dienſtbar werden.
Jedes Seeſtaͤdtgen handelt blos nach ſeiner eigenen Politik, und die Wohlfahrt des Reichs, welche leider mit jedem einzelnem Theile deſſelben contraſtirt, iſt kaum noch, dem Namen nach, bekannt. Aber auch in keinem Friedens- ſchluſſe wird fuͤr die Befeſtigung der Handlung geſorgt. Man hat ſich von Rußland, Frankreich, England und Holland, nie etwas fruchtbares dafuͤr bedungen, und iſt ſtolz, einen Rang- ſtreit ausgemacht, oder eine neue Meſſe angelegt zu haben.
Man glaube aber nicht, daß die Seeſtaͤdte ihren Vore- theil zuerſt von dem Vortheile des Reichs getrennet haben. Den erſten Fehler ausgenommen, welchen ſie jetzt mit der engliſchen Oſtindiſchen Compagnie gemein haben, daß ſie Kriege mit den Reichen anfingen, mit deſſen Einwohnern ſie handeln wollten, ſo ſind es die Landſtaͤdte, welche ſich ihnen zuerſt entzogen, und ſie dadurch in die Nothwendigkeit ge-
ſetzet
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Gedanken uͤber den Verfall
keinen Blick in die Welt thut, welche dem Fußgaͤnger, wie
dem Reuter, offen ſteht.
Es iſt faſt unglaublich, wie ſehr wir ſeit einigen Jahren
die Bilanz der Handlung verlohren haben. Wie lange iſt
es, daß hundert Alberts-Thaler 120 Thaler unſerer Muͤnze
galten? Und, wie lange ſtehen ſie nun an und uͤber 135?
Wer denkt die Zeit, daß der Engliſche Wechſel ſo lange und
ſo anhaltend, um und uͤber ſechshundert geſchwebet? Und
welcher Menſch in der Welt haͤtte es ſich vorſtellen ſollen,
daß England in wenigen Jahren an die zehn Millionen Pf.
Sterl. haͤtte nach Deutſchland uͤbermachen koͤnnen, ohne
dort ſchuldig zu werden, und den Wechſel gegen ſich zu haben?
Fluͤſſe und Haͤfen koͤnnten uns dienen. Allein zufuͤllen und
verſenken ſollten wir ſie beynahe, da ſie ihrem Vaterlande
ungetreu und fremden dienſtbar werden.
Jedes Seeſtaͤdtgen handelt blos nach ſeiner eigenen
Politik, und die Wohlfahrt des Reichs, welche leider mit
jedem einzelnem Theile deſſelben contraſtirt, iſt kaum noch,
dem Namen nach, bekannt. Aber auch in keinem Friedens-
ſchluſſe wird fuͤr die Befeſtigung der Handlung geſorgt. Man
hat ſich von Rußland, Frankreich, England und Holland, nie
etwas fruchtbares dafuͤr bedungen, und iſt ſtolz, einen Rang-
ſtreit ausgemacht, oder eine neue Meſſe angelegt zu haben.
Man glaube aber nicht, daß die Seeſtaͤdte ihren Vore-
theil zuerſt von dem Vortheile des Reichs getrennet haben.
Den erſten Fehler ausgenommen, welchen ſie jetzt mit der
engliſchen Oſtindiſchen Compagnie gemein haben, daß ſie
Kriege mit den Reichen anfingen, mit deſſen Einwohnern ſie
handeln wollten, ſo ſind es die Landſtaͤdte, welche ſich ihnen
zuerſt entzogen, und ſie dadurch in die Nothwendigkeit ge-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/36>, abgerufen am 18.12.2024.
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