verschulden, zu verhauen oder mit Auslobungen zu erschöpfen; der dieserhalb die Bewilligung vom Amte nachsuchen, und für die Beschauung seines Deich- oder Heergeräthes das beste Pfand liefern, und wenn er sein Erbe beziehen will, sich als tüchtig darstellen und die Einweisung erwarten, auch eine bil- lige Gebühr dafür entrichten muß, noch nicht sogleich für ei- nen leibeignen Knecht gehalten werden könne.
Aber hier im Stifte, wird man sagen, schadet das Amt dem Eigenthume nichts. Der Innhaber eines Erbes, Halb- erbes oder Kottens, der sich frey gekauft hat, verschuldet sein Erbe nach gefallen, verhauet und verwüstet es wie er will. -- -- Allein dies ist ein Fehler unser Verfassung, der sich erst seit zweyhundert Jahren eingeschlichen hat. Er findet sich in an- dern Ländern nicht; und in diesen Ländern sind die größten Rechtsgelehrten noch über die Kennzeichen uneinig, woran der Amtssäßige Freye von dem Leibeignen zu unterscheiden sey; weil dem einen wie dem andern, alle Auslobung, Be- schwerung, Verhauung und Versplitterung verboten; beyde die Einfahrt dingen, und beyde den Sterbfall von der Landes- obrigkeit lösen müssen; eben wie der Pastor, bey seiner Ein- fahrt auf die Wedum die jura investiturae bezahlen und seine Exuvien lösen muß. Dies hat das hiesige Amt ebenfals von allen Amtssäßigen Unterthanen, welche keinen Gutsherrn ha- ben, fordern können; ehe die Zeit es verdunkelt hat. Indes- sen sieht man noch an den sogenannten Freyen eine Spur da- von. Wer kann diese von den Leibeignen unterscheiden? Wie viele Verordnungen, wie viele Zeugnisse sind nicht vorhanden, welche allen Unterscheid unter ihnen aufheben? und wie viele Mühe hat man nicht oft einen Nothfreyen von einem Wahl- freyen zu unterscheiden? Das einzige Kennzeichen der erstern ist der Gewinn (laudemium) wofür letztere nur Einschreibe- gebühren bezahlen. Wie aber, wenn eine Zeit gewesen wäre,
wor-
Kurze Geſchichte der Bauerhoͤfe.
verſchulden, zu verhauen oder mit Auslobungen zu erſchoͤpfen; der dieſerhalb die Bewilligung vom Amte nachſuchen, und fuͤr die Beſchauung ſeines Deich- oder Heergeraͤthes das beſte Pfand liefern, und wenn er ſein Erbe beziehen will, ſich als tuͤchtig darſtellen und die Einweiſung erwarten, auch eine bil- lige Gebuͤhr dafuͤr entrichten muß, noch nicht ſogleich fuͤr ei- nen leibeignen Knecht gehalten werden koͤnne.
Aber hier im Stifte, wird man ſagen, ſchadet das Amt dem Eigenthume nichts. Der Innhaber eines Erbes, Halb- erbes oder Kottens, der ſich frey gekauft hat, verſchuldet ſein Erbe nach gefallen, verhauet und verwuͤſtet es wie er will. — — Allein dies iſt ein Fehler unſer Verfaſſung, der ſich erſt ſeit zweyhundert Jahren eingeſchlichen hat. Er findet ſich in an- dern Laͤndern nicht; und in dieſen Laͤndern ſind die groͤßten Rechtsgelehrten noch uͤber die Kennzeichen uneinig, woran der Amtsſaͤßige Freye von dem Leibeignen zu unterſcheiden ſey; weil dem einen wie dem andern, alle Auslobung, Be- ſchwerung, Verhauung und Verſplitterung verboten; beyde die Einfahrt dingen, und beyde den Sterbfall von der Landes- obrigkeit loͤſen muͤſſen; eben wie der Paſtor, bey ſeiner Ein- fahrt auf die Wedum die jura inveſtiturae bezahlen und ſeine Exuvien loͤſen muß. Dies hat das hieſige Amt ebenfals von allen Amtsſaͤßigen Unterthanen, welche keinen Gutsherrn ha- ben, fordern koͤnnen; ehe die Zeit es verdunkelt hat. Indeſ- ſen ſieht man noch an den ſogenannten Freyen eine Spur da- von. Wer kann dieſe von den Leibeignen unterſcheiden? Wie viele Verordnungen, wie viele Zeugniſſe ſind nicht vorhanden, welche allen Unterſcheid unter ihnen aufheben? und wie viele Muͤhe hat man nicht oft einen Nothfreyen von einem Wahl- freyen zu unterſcheiden? Das einzige Kennzeichen der erſtern iſt der Gewinn (laudemium) wofuͤr letztere nur Einſchreibe- gebuͤhren bezahlen. Wie aber, wenn eine Zeit geweſen waͤre,
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Kurze Geſchichte der Bauerhoͤfe.
verſchulden, zu verhauen oder mit Auslobungen zu erſchoͤpfen;
der dieſerhalb die Bewilligung vom Amte nachſuchen, und
fuͤr die Beſchauung ſeines Deich- oder Heergeraͤthes das beſte
Pfand liefern, und wenn er ſein Erbe beziehen will, ſich als
tuͤchtig darſtellen und die Einweiſung erwarten, auch eine bil-
lige Gebuͤhr dafuͤr entrichten muß, noch nicht ſogleich fuͤr ei-
nen leibeignen Knecht gehalten werden koͤnne.
Aber hier im Stifte, wird man ſagen, ſchadet das Amt
dem Eigenthume nichts. Der Innhaber eines Erbes, Halb-
erbes oder Kottens, der ſich frey gekauft hat, verſchuldet ſein
Erbe nach gefallen, verhauet und verwuͤſtet es wie er will. — —
Allein dies iſt ein Fehler unſer Verfaſſung, der ſich erſt ſeit
zweyhundert Jahren eingeſchlichen hat. Er findet ſich in an-
dern Laͤndern nicht; und in dieſen Laͤndern ſind die groͤßten
Rechtsgelehrten noch uͤber die Kennzeichen uneinig, woran
der Amtsſaͤßige Freye von dem Leibeignen zu unterſcheiden
ſey; weil dem einen wie dem andern, alle Auslobung, Be-
ſchwerung, Verhauung und Verſplitterung verboten; beyde
die Einfahrt dingen, und beyde den Sterbfall von der Landes-
obrigkeit loͤſen muͤſſen; eben wie der Paſtor, bey ſeiner Ein-
fahrt auf die Wedum die jura inveſtiturae bezahlen und ſeine
Exuvien loͤſen muß. Dies hat das hieſige Amt ebenfals von
allen Amtsſaͤßigen Unterthanen, welche keinen Gutsherrn ha-
ben, fordern koͤnnen; ehe die Zeit es verdunkelt hat. Indeſ-
ſen ſieht man noch an den ſogenannten Freyen eine Spur da-
von. Wer kann dieſe von den Leibeignen unterſcheiden? Wie
viele Verordnungen, wie viele Zeugniſſe ſind nicht vorhanden,
welche allen Unterſcheid unter ihnen aufheben? und wie viele
Muͤhe hat man nicht oft einen Nothfreyen von einem Wahl-
freyen zu unterſcheiden? Das einzige Kennzeichen der erſtern
iſt der Gewinn (laudemium) wofuͤr letztere nur Einſchreibe-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/350>, abgerufen am 22.07.2024.
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