Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite
Kurze Geschichte der Bauerhöfe.

Man kann diesem noch hinzuthun, daß unter dem Amts-
schutz sich gar kein vollkommenes Eigenthum erhalten könne;
indem das Amt oder diejenige Obrigkeit, welche die Direction
der gemeinen Angelegenheiten hat, eine gewisse Aufopferung
des Eigenthums nothwendig machen, und schlechterdings for-
dern kann, daß die unter ihm stehende Erbe mit keinen Schul-
den und Pflichten beschweret, mit keinen Auslobungen a) er-
schöpfet, nicht versplittert, nicht verhauen und nicht verwüstet,
auch nicht unbesetzt gelassen werden sollen, weil das Unver-
mögen des einen zur Zeit der Noth den übrigen beschwerlich
wird, und was der eine nicht leisten kann, den andern noth-
wendig zuwächst.

Ja man kann behaupten, daß unter dem Amte aller
Unterscheid zwischen Leibeignen und Freyen mit der Zeit ver-
dunkelt werden müsse. Insgemein schließt man jezt, daß alle
und jede, welche ihre Kinder am Amte ausloben lassen, Be-
willigungen über ihre Schulden nehmen, wenn sie einen Baum
hauen wollen, die Erlaubniß dazu nachsuchen; und bey der
Einfahrt und Ausfahrt gewisse Urkunden entrichten müssen,
durchaus als Leibeigne anzusehen sind. Allein jene Anwoh-
ner des Meers, welche nie einen sterblichen Menschen pflichtig
gewesen waren, mußten sich eben diesen Gesetzen unterwerfen,
und wir denken es nur nicht so deutlich als wir es fühlen,
daß das Eigenthum seinen Anfang mit der Exemtion vom

Amte
a) In den benachbarten Ländern trägt das Amt eben diese Vor-
sorge für freye schatzbare Höfe, welche ein Gutsherr für
seine Höfe trägt. In den desfals erlassenen Verordnungen
hat man aber den Grundsatz angenommen, daß die Höfe,
welche ein Mann, der keinen Gutsherrn hat, besitzt, die
Natur der Gutsherrlichen behalten hätten. Dieser Grund-
satz ist aber unnöthig und führt leicht zu einen irrigen
Nebenbegriffe.
Kurze Geſchichte der Bauerhoͤfe.

Man kann dieſem noch hinzuthun, daß unter dem Amts-
ſchutz ſich gar kein vollkommenes Eigenthum erhalten koͤnne;
indem das Amt oder diejenige Obrigkeit, welche die Direction
der gemeinen Angelegenheiten hat, eine gewiſſe Aufopferung
des Eigenthums nothwendig machen, und ſchlechterdings for-
dern kann, daß die unter ihm ſtehende Erbe mit keinen Schul-
den und Pflichten beſchweret, mit keinen Auslobungen a) er-
ſchoͤpfet, nicht verſplittert, nicht verhauen und nicht verwuͤſtet,
auch nicht unbeſetzt gelaſſen werden ſollen, weil das Unver-
moͤgen des einen zur Zeit der Noth den uͤbrigen beſchwerlich
wird, und was der eine nicht leiſten kann, den andern noth-
wendig zuwaͤchſt.

Ja man kann behaupten, daß unter dem Amte aller
Unterſcheid zwiſchen Leibeignen und Freyen mit der Zeit ver-
dunkelt werden muͤſſe. Insgemein ſchließt man jezt, daß alle
und jede, welche ihre Kinder am Amte ausloben laſſen, Be-
willigungen uͤber ihre Schulden nehmen, wenn ſie einen Baum
hauen wollen, die Erlaubniß dazu nachſuchen; und bey der
Einfahrt und Ausfahrt gewiſſe Urkunden entrichten muͤſſen,
durchaus als Leibeigne anzuſehen ſind. Allein jene Anwoh-
ner des Meers, welche nie einen ſterblichen Menſchen pflichtig
geweſen waren, mußten ſich eben dieſen Geſetzen unterwerfen,
und wir denken es nur nicht ſo deutlich als wir es fuͤhlen,
daß das Eigenthum ſeinen Anfang mit der Exemtion vom

Amte
a) In den benachbarten Laͤndern traͤgt das Amt eben dieſe Vor-
ſorge fuͤr freye ſchatzbare Hoͤfe, welche ein Gutsherr fuͤr
ſeine Hoͤfe traͤgt. In den desfals erlaſſenen Verordnungen
hat man aber den Grundſatz angenommen, daß die Hoͤfe,
welche ein Mann, der keinen Gutsherrn hat, beſitzt, die
Natur der Gutsherrlichen behalten haͤtten. Dieſer Grund-
ſatz iſt aber unnoͤthig und fuͤhrt leicht zu einen irrigen
Nebenbegriffe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0348" n="330"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Kurze Ge&#x017F;chichte der Bauerho&#x0364;fe.</hi> </fw><lb/>
        <p>Man kann die&#x017F;em noch hinzuthun, daß unter dem Amts-<lb/>
&#x017F;chutz &#x017F;ich gar kein vollkommenes Eigenthum erhalten ko&#x0364;nne;<lb/>
indem das Amt oder diejenige Obrigkeit, welche die Direction<lb/>
der gemeinen Angelegenheiten hat, eine gewi&#x017F;&#x017F;e Aufopferung<lb/>
des Eigenthums nothwendig machen, und &#x017F;chlechterdings for-<lb/>
dern kann, daß die unter ihm &#x017F;tehende Erbe mit keinen Schul-<lb/>
den und Pflichten be&#x017F;chweret, mit keinen Auslobungen <note place="foot" n="a)">In den benachbarten La&#x0364;ndern tra&#x0364;gt das Amt eben die&#x017F;e Vor-<lb/>
&#x017F;orge fu&#x0364;r freye &#x017F;chatzbare Ho&#x0364;fe, welche ein Gutsherr fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;eine Ho&#x0364;fe tra&#x0364;gt. In den desfals erla&#x017F;&#x017F;enen Verordnungen<lb/>
hat man aber den Grund&#x017F;atz angenommen, daß die Ho&#x0364;fe,<lb/>
welche ein Mann, der keinen Gutsherrn hat, be&#x017F;itzt, die<lb/>
Natur der Gutsherrlichen behalten ha&#x0364;tten. Die&#x017F;er Grund-<lb/>
&#x017F;atz i&#x017F;t aber unno&#x0364;thig und fu&#x0364;hrt leicht zu einen irrigen<lb/>
Nebenbegriffe.</note> er-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfet, nicht ver&#x017F;plittert, nicht verhauen und nicht verwu&#x0364;&#x017F;tet,<lb/>
auch nicht unbe&#x017F;etzt gela&#x017F;&#x017F;en werden &#x017F;ollen, weil das Unver-<lb/>
mo&#x0364;gen des einen zur Zeit der Noth den u&#x0364;brigen be&#x017F;chwerlich<lb/>
wird, und was der eine nicht lei&#x017F;ten kann, den andern noth-<lb/>
wendig zuwa&#x0364;ch&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Ja man kann behaupten, daß unter dem Amte aller<lb/>
Unter&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen Leibeignen und Freyen mit der Zeit ver-<lb/>
dunkelt werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Insgemein &#x017F;chließt man jezt, daß alle<lb/>
und jede, welche ihre Kinder am Amte ausloben la&#x017F;&#x017F;en, Be-<lb/>
willigungen u&#x0364;ber ihre Schulden nehmen, wenn &#x017F;ie einen Baum<lb/>
hauen wollen, die Erlaubniß dazu nach&#x017F;uchen; und bey der<lb/>
Einfahrt und Ausfahrt gewi&#x017F;&#x017F;e Urkunden entrichten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
durchaus als Leibeigne anzu&#x017F;ehen &#x017F;ind. Allein jene Anwoh-<lb/>
ner des Meers, welche nie einen &#x017F;terblichen Men&#x017F;chen pflichtig<lb/>
gewe&#x017F;en waren, mußten &#x017F;ich eben die&#x017F;en Ge&#x017F;etzen unterwerfen,<lb/>
und wir denken es nur nicht &#x017F;o deutlich als wir es fu&#x0364;hlen,<lb/>
daß das Eigenthum &#x017F;einen Anfang mit der Exemtion vom<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Amte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0348] Kurze Geſchichte der Bauerhoͤfe. Man kann dieſem noch hinzuthun, daß unter dem Amts- ſchutz ſich gar kein vollkommenes Eigenthum erhalten koͤnne; indem das Amt oder diejenige Obrigkeit, welche die Direction der gemeinen Angelegenheiten hat, eine gewiſſe Aufopferung des Eigenthums nothwendig machen, und ſchlechterdings for- dern kann, daß die unter ihm ſtehende Erbe mit keinen Schul- den und Pflichten beſchweret, mit keinen Auslobungen a) er- ſchoͤpfet, nicht verſplittert, nicht verhauen und nicht verwuͤſtet, auch nicht unbeſetzt gelaſſen werden ſollen, weil das Unver- moͤgen des einen zur Zeit der Noth den uͤbrigen beſchwerlich wird, und was der eine nicht leiſten kann, den andern noth- wendig zuwaͤchſt. Ja man kann behaupten, daß unter dem Amte aller Unterſcheid zwiſchen Leibeignen und Freyen mit der Zeit ver- dunkelt werden muͤſſe. Insgemein ſchließt man jezt, daß alle und jede, welche ihre Kinder am Amte ausloben laſſen, Be- willigungen uͤber ihre Schulden nehmen, wenn ſie einen Baum hauen wollen, die Erlaubniß dazu nachſuchen; und bey der Einfahrt und Ausfahrt gewiſſe Urkunden entrichten muͤſſen, durchaus als Leibeigne anzuſehen ſind. Allein jene Anwoh- ner des Meers, welche nie einen ſterblichen Menſchen pflichtig geweſen waren, mußten ſich eben dieſen Geſetzen unterwerfen, und wir denken es nur nicht ſo deutlich als wir es fuͤhlen, daß das Eigenthum ſeinen Anfang mit der Exemtion vom Amte a) In den benachbarten Laͤndern traͤgt das Amt eben dieſe Vor- ſorge fuͤr freye ſchatzbare Hoͤfe, welche ein Gutsherr fuͤr ſeine Hoͤfe traͤgt. In den desfals erlaſſenen Verordnungen hat man aber den Grundſatz angenommen, daß die Hoͤfe, welche ein Mann, der keinen Gutsherrn hat, beſitzt, die Natur der Gutsherrlichen behalten haͤtten. Dieſer Grund- ſatz iſt aber unnoͤthig und fuͤhrt leicht zu einen irrigen Nebenbegriffe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/348
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/348>, abgerufen am 17.05.2024.