Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite
Kurze Geschichte der Bauerhöfe.
Daß ein jeder von ihnen täglich mit der Spade in der
Hand auf dem Deiche erscheinen, oder aber wenn er
nicht mehr könnte, sein Eigenthum verlassen und seinen
Hof einem andern übergeben solte.

Dies war eine Pflicht, welche ihnen die Noth auflegte;
und die sonderbare aber unvermeidliche Folge davon war,
daß sofort das Meer- Guts- oder Lehnsherr aller Höfe und
ein jeder Eigenthümer in einen blossen Bauer (cultorem)
verwandelt wurde.

Denn von nun an durfte

1) keiner von ihnen sein Gut mit Schulden beschweren,
versäumen oder versplittern, weil sonst die gemeine Noth-
durft nicht mehr davon erfolgen konnte. Man zwang
sogar den gewesenen Eigenthümer sein Spann- und Fuhr-
werk in guter Ordnung zu erhalten, damit er jederzeit
im Stande wäre, Erde zum Deiche zu fahren. Ja,
weil viele Eichenpfäle erfordert wurden: so wurde ihm
vom Meere als Gutsherrn verboten, Eichenholz nach
Belieben zu hauen.
2) Zeigte ihnen die Erfahrung, daß wann sie ihre Knechte
an den Deich schickten, die Arbeit schlecht von statten
gienge, und nichts dauerhaft gemacht würde. Sie
mußten also persönlich arbeiten, und aus dem Spaden-
dienst einen Ehrendienst machen, worauf niemand weiter
einen Knecht zum gemeinen Werke schicken durfte.
3) Sahen sie sich genöthiget, das Primogeniturrecht einzu-
führen, damit wenn einer von ihnen verstürbe, der Dienst
am Deiche nicht auf die Großjährigkeit des jüngsten
Sohns ausgestellet bliebe.
4) Fan-
Kurze Geſchichte der Bauerhoͤfe.
Daß ein jeder von ihnen taͤglich mit der Spade in der
Hand auf dem Deiche erſcheinen, oder aber wenn er
nicht mehr koͤnnte, ſein Eigenthum verlaſſen und ſeinen
Hof einem andern uͤbergeben ſolte.

Dies war eine Pflicht, welche ihnen die Noth auflegte;
und die ſonderbare aber unvermeidliche Folge davon war,
daß ſofort das Meer- Guts- oder Lehnsherr aller Hoͤfe und
ein jeder Eigenthuͤmer in einen bloſſen Bauer (cultorem)
verwandelt wurde.

Denn von nun an durfte

1) keiner von ihnen ſein Gut mit Schulden beſchweren,
verſaͤumen oder verſplittern, weil ſonſt die gemeine Noth-
durft nicht mehr davon erfolgen konnte. Man zwang
ſogar den geweſenen Eigenthuͤmer ſein Spann- und Fuhr-
werk in guter Ordnung zu erhalten, damit er jederzeit
im Stande waͤre, Erde zum Deiche zu fahren. Ja,
weil viele Eichenpfaͤle erfordert wurden: ſo wurde ihm
vom Meere als Gutsherrn verboten, Eichenholz nach
Belieben zu hauen.
2) Zeigte ihnen die Erfahrung, daß wann ſie ihre Knechte
an den Deich ſchickten, die Arbeit ſchlecht von ſtatten
gienge, und nichts dauerhaft gemacht wuͤrde. Sie
mußten alſo perſoͤnlich arbeiten, und aus dem Spaden-
dienſt einen Ehrendienſt machen, worauf niemand weiter
einen Knecht zum gemeinen Werke ſchicken durfte.
3) Sahen ſie ſich genoͤthiget, das Primogeniturrecht einzu-
fuͤhren, damit wenn einer von ihnen verſtuͤrbe, der Dienſt
am Deiche nicht auf die Großjaͤhrigkeit des juͤngſten
Sohns ausgeſtellet bliebe.
4) Fan-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0344" n="326"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Kurze Ge&#x017F;chichte der Bauerho&#x0364;fe.</hi> </fw><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#et">Daß ein jeder von ihnen ta&#x0364;glich mit der Spade in der<lb/>
Hand auf dem Deiche er&#x017F;cheinen, oder aber wenn er<lb/>
nicht mehr ko&#x0364;nnte, &#x017F;ein Eigenthum verla&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;einen<lb/>
Hof einem andern u&#x0364;bergeben &#x017F;olte.</hi> </quote>
          <bibl/>
        </cit><lb/>
        <p>Dies war eine Pflicht, welche ihnen die Noth auflegte;<lb/>
und die &#x017F;onderbare aber unvermeidliche Folge davon war,<lb/>
daß &#x017F;ofort das Meer- Guts- oder Lehnsherr aller Ho&#x0364;fe und<lb/>
ein jeder Eigenthu&#x0364;mer in einen blo&#x017F;&#x017F;en Bauer <hi rendition="#aq">(cultorem)</hi><lb/>
verwandelt wurde.</p><lb/>
        <p>Denn von nun an durfte</p><lb/>
        <list>
          <item>1) keiner von ihnen &#x017F;ein Gut mit Schulden be&#x017F;chweren,<lb/>
ver&#x017F;a&#x0364;umen oder ver&#x017F;plittern, weil &#x017F;on&#x017F;t die gemeine Noth-<lb/>
durft nicht mehr davon erfolgen konnte. Man zwang<lb/>
&#x017F;ogar den gewe&#x017F;enen Eigenthu&#x0364;mer &#x017F;ein Spann- und Fuhr-<lb/>
werk in guter Ordnung zu erhalten, damit er jederzeit<lb/>
im Stande wa&#x0364;re, Erde zum Deiche zu fahren. Ja,<lb/>
weil viele Eichenpfa&#x0364;le erfordert wurden: &#x017F;o wurde ihm<lb/>
vom Meere als Gutsherrn verboten, Eichenholz nach<lb/>
Belieben zu hauen.</item><lb/>
          <item>2) Zeigte ihnen die Erfahrung, daß wann &#x017F;ie ihre Knechte<lb/>
an den Deich &#x017F;chickten, die Arbeit &#x017F;chlecht von &#x017F;tatten<lb/>
gienge, und nichts dauerhaft gemacht wu&#x0364;rde. Sie<lb/>
mußten al&#x017F;o per&#x017F;o&#x0364;nlich arbeiten, und aus dem Spaden-<lb/>
dien&#x017F;t einen Ehrendien&#x017F;t machen, worauf niemand weiter<lb/>
einen Knecht zum gemeinen Werke &#x017F;chicken durfte.</item><lb/>
          <item>3) Sahen &#x017F;ie &#x017F;ich geno&#x0364;thiget, das Primogeniturrecht einzu-<lb/>
fu&#x0364;hren, damit wenn einer von ihnen ver&#x017F;tu&#x0364;rbe, der Dien&#x017F;t<lb/>
am Deiche nicht auf die Großja&#x0364;hrigkeit des ju&#x0364;ng&#x017F;ten<lb/>
Sohns ausge&#x017F;tellet bliebe.</item>
        </list><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">4) Fan-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0344] Kurze Geſchichte der Bauerhoͤfe. Daß ein jeder von ihnen taͤglich mit der Spade in der Hand auf dem Deiche erſcheinen, oder aber wenn er nicht mehr koͤnnte, ſein Eigenthum verlaſſen und ſeinen Hof einem andern uͤbergeben ſolte. Dies war eine Pflicht, welche ihnen die Noth auflegte; und die ſonderbare aber unvermeidliche Folge davon war, daß ſofort das Meer- Guts- oder Lehnsherr aller Hoͤfe und ein jeder Eigenthuͤmer in einen bloſſen Bauer (cultorem) verwandelt wurde. Denn von nun an durfte 1) keiner von ihnen ſein Gut mit Schulden beſchweren, verſaͤumen oder verſplittern, weil ſonſt die gemeine Noth- durft nicht mehr davon erfolgen konnte. Man zwang ſogar den geweſenen Eigenthuͤmer ſein Spann- und Fuhr- werk in guter Ordnung zu erhalten, damit er jederzeit im Stande waͤre, Erde zum Deiche zu fahren. Ja, weil viele Eichenpfaͤle erfordert wurden: ſo wurde ihm vom Meere als Gutsherrn verboten, Eichenholz nach Belieben zu hauen. 2) Zeigte ihnen die Erfahrung, daß wann ſie ihre Knechte an den Deich ſchickten, die Arbeit ſchlecht von ſtatten gienge, und nichts dauerhaft gemacht wuͤrde. Sie mußten alſo perſoͤnlich arbeiten, und aus dem Spaden- dienſt einen Ehrendienſt machen, worauf niemand weiter einen Knecht zum gemeinen Werke ſchicken durfte. 3) Sahen ſie ſich genoͤthiget, das Primogeniturrecht einzu- fuͤhren, damit wenn einer von ihnen verſtuͤrbe, der Dienſt am Deiche nicht auf die Großjaͤhrigkeit des juͤngſten Sohns ausgeſtellet bliebe. 4) Fan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/344
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/344>, abgerufen am 17.05.2024.