Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

der Handlung in den Landstädten.
sen sollte; er würde glauben, in einer ganz neuen Welt zu
seyn. Und gleichwol ist er so nahe dazu, als ein anderer, und
durch die Umstände zu weiter nichts verbunden, als seine
Erndte in Holland auszuladen.

Die ganze Levante steht ihm offen; der Holländer hat
den Handel, theils weil er der keinen Vortheile satt war;
theils weil er aus Deutschland mit keinen Waaren versorgt
wurde, eine ganze Zeit über vernachläßiget. Der aufmerk-
same Engländer hat ihn verdrungen, und die Leidener Tuch-
fabrique, welche in der Türkey noch berühmter, als in
Deutschland war, ist darüber versunken. Allein, in Deutsch-
land hat niemand darauf gedacht, einige Produkten nach der
Levante zu schaffen.

Keiner gedenkt sich in Alexandrien einen Markt zu
machen, oder aus Cairo etwas zu erhalten, man läßt dem
Engländer dort seinen Tüchern den Preis setzen, und das
ärmeste Städtgen in Deutschland wagt es nicht, die seinigen
dorten wohlfeiler auszubieten. Was die Amerikanischen Co-
lonien den Engländern, und was England der Stadt London
ist; das sollte Deutschland den Holländern und übrigen See-
städten seyn können. Oder sollte eine Schiffsladung von
Schuhen aus London wohlfeiler abgehen können, als aus
Bremen? Und sollten selbige, wenn sie rechtschaffen gemacht
werden, nicht eben so viel Käufer in den Spanischen Indien
finden, als andere, die unter dem Namen eines Spanischen
Einwohners dahin gehen? Jetzt ist es freylich die Zeit nicht
mehr, auf die Schuhe zu gedenken, nachdem die Ameri-
kanischen Colonien das Leder so wohlfeil liefern, daß Deutsch-
land bald seine Schuhe aus England erhalten wird. In-
dessen findet ein aufmerksamer Geist allemal noch neue Wege.
Es gehen noch ganze Ladungen von gestickten Schuhen aus

Sachsen

der Handlung in den Landſtaͤdten.
ſen ſollte; er wuͤrde glauben, in einer ganz neuen Welt zu
ſeyn. Und gleichwol iſt er ſo nahe dazu, als ein anderer, und
durch die Umſtaͤnde zu weiter nichts verbunden, als ſeine
Erndte in Holland auszuladen.

Die ganze Levante ſteht ihm offen; der Hollaͤnder hat
den Handel, theils weil er der keinen Vortheile ſatt war;
theils weil er aus Deutſchland mit keinen Waaren verſorgt
wurde, eine ganze Zeit uͤber vernachlaͤßiget. Der aufmerk-
ſame Englaͤnder hat ihn verdrungen, und die Leidener Tuch-
fabrique, welche in der Tuͤrkey noch beruͤhmter, als in
Deutſchland war, iſt daruͤber verſunken. Allein, in Deutſch-
land hat niemand darauf gedacht, einige Produkten nach der
Levante zu ſchaffen.

Keiner gedenkt ſich in Alexandrien einen Markt zu
machen, oder aus Cairo etwas zu erhalten, man laͤßt dem
Englaͤnder dort ſeinen Tuͤchern den Preis ſetzen, und das
aͤrmeſte Staͤdtgen in Deutſchland wagt es nicht, die ſeinigen
dorten wohlfeiler auszubieten. Was die Amerikaniſchen Co-
lonien den Englaͤndern, und was England der Stadt London
iſt; das ſollte Deutſchland den Hollaͤndern und uͤbrigen See-
ſtaͤdten ſeyn koͤnnen. Oder ſollte eine Schiffsladung von
Schuhen aus London wohlfeiler abgehen koͤnnen, als aus
Bremen? Und ſollten ſelbige, wenn ſie rechtſchaffen gemacht
werden, nicht eben ſo viel Kaͤufer in den Spaniſchen Indien
finden, als andere, die unter dem Namen eines Spaniſchen
Einwohners dahin gehen? Jetzt iſt es freylich die Zeit nicht
mehr, auf die Schuhe zu gedenken, nachdem die Ameri-
kaniſchen Colonien das Leder ſo wohlfeil liefern, daß Deutſch-
land bald ſeine Schuhe aus England erhalten wird. In-
deſſen findet ein aufmerkſamer Geiſt allemal noch neue Wege.
Es gehen noch ganze Ladungen von geſtickten Schuhen aus

Sachſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Handlung in den Land&#x017F;ta&#x0364;dten.</hi></fw><lb/>
&#x017F;en &#x017F;ollte; er wu&#x0364;rde glauben, in einer ganz neuen Welt zu<lb/>
&#x017F;eyn. Und gleichwol i&#x017F;t er &#x017F;o nahe dazu, als ein anderer, und<lb/>
durch die Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu weiter nichts verbunden, als &#x017F;eine<lb/>
Erndte in Holland auszuladen.</p><lb/>
        <p>Die ganze Levante &#x017F;teht ihm offen; der Holla&#x0364;nder hat<lb/>
den Handel, theils weil er der keinen Vortheile &#x017F;att war;<lb/>
theils weil er aus Deut&#x017F;chland mit keinen Waaren ver&#x017F;orgt<lb/>
wurde, eine ganze Zeit u&#x0364;ber vernachla&#x0364;ßiget. Der aufmerk-<lb/>
&#x017F;ame Engla&#x0364;nder hat ihn verdrungen, und die Leidener Tuch-<lb/>
fabrique, welche in der Tu&#x0364;rkey noch beru&#x0364;hmter, als in<lb/>
Deut&#x017F;chland war, i&#x017F;t daru&#x0364;ber ver&#x017F;unken. Allein, in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land hat niemand darauf gedacht, einige Produkten nach der<lb/>
Levante zu &#x017F;chaffen.</p><lb/>
        <p>Keiner gedenkt &#x017F;ich in Alexandrien einen Markt zu<lb/>
machen, oder aus Cairo etwas zu erhalten, man la&#x0364;ßt dem<lb/>
Engla&#x0364;nder dort &#x017F;einen Tu&#x0364;chern den Preis &#x017F;etzen, und das<lb/>
a&#x0364;rme&#x017F;te Sta&#x0364;dtgen in Deut&#x017F;chland wagt es nicht, die &#x017F;einigen<lb/>
dorten wohlfeiler auszubieten. Was die Amerikani&#x017F;chen Co-<lb/>
lonien den Engla&#x0364;ndern, und was England der Stadt London<lb/>
i&#x017F;t; das &#x017F;ollte Deut&#x017F;chland den Holla&#x0364;ndern und u&#x0364;brigen See-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;dten &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen. Oder &#x017F;ollte eine Schiffsladung von<lb/>
Schuhen aus London wohlfeiler abgehen ko&#x0364;nnen, als aus<lb/>
Bremen? Und &#x017F;ollten &#x017F;elbige, wenn &#x017F;ie recht&#x017F;chaffen gemacht<lb/>
werden, nicht eben &#x017F;o viel Ka&#x0364;ufer in den Spani&#x017F;chen Indien<lb/>
finden, als andere, die unter dem Namen eines Spani&#x017F;chen<lb/>
Einwohners dahin gehen? Jetzt i&#x017F;t es freylich die Zeit nicht<lb/>
mehr, auf die Schuhe zu gedenken, nachdem die Ameri-<lb/>
kani&#x017F;chen Colonien das Leder &#x017F;o wohlfeil liefern, daß Deut&#x017F;ch-<lb/>
land bald &#x017F;eine Schuhe aus England erhalten wird. In-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en findet ein aufmerk&#x017F;amer Gei&#x017F;t allemal noch neue Wege.<lb/>
Es gehen noch ganze Ladungen von ge&#x017F;tickten Schuhen aus<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sach&#x017F;en</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0033] der Handlung in den Landſtaͤdten. ſen ſollte; er wuͤrde glauben, in einer ganz neuen Welt zu ſeyn. Und gleichwol iſt er ſo nahe dazu, als ein anderer, und durch die Umſtaͤnde zu weiter nichts verbunden, als ſeine Erndte in Holland auszuladen. Die ganze Levante ſteht ihm offen; der Hollaͤnder hat den Handel, theils weil er der keinen Vortheile ſatt war; theils weil er aus Deutſchland mit keinen Waaren verſorgt wurde, eine ganze Zeit uͤber vernachlaͤßiget. Der aufmerk- ſame Englaͤnder hat ihn verdrungen, und die Leidener Tuch- fabrique, welche in der Tuͤrkey noch beruͤhmter, als in Deutſchland war, iſt daruͤber verſunken. Allein, in Deutſch- land hat niemand darauf gedacht, einige Produkten nach der Levante zu ſchaffen. Keiner gedenkt ſich in Alexandrien einen Markt zu machen, oder aus Cairo etwas zu erhalten, man laͤßt dem Englaͤnder dort ſeinen Tuͤchern den Preis ſetzen, und das aͤrmeſte Staͤdtgen in Deutſchland wagt es nicht, die ſeinigen dorten wohlfeiler auszubieten. Was die Amerikaniſchen Co- lonien den Englaͤndern, und was England der Stadt London iſt; das ſollte Deutſchland den Hollaͤndern und uͤbrigen See- ſtaͤdten ſeyn koͤnnen. Oder ſollte eine Schiffsladung von Schuhen aus London wohlfeiler abgehen koͤnnen, als aus Bremen? Und ſollten ſelbige, wenn ſie rechtſchaffen gemacht werden, nicht eben ſo viel Kaͤufer in den Spaniſchen Indien finden, als andere, die unter dem Namen eines Spaniſchen Einwohners dahin gehen? Jetzt iſt es freylich die Zeit nicht mehr, auf die Schuhe zu gedenken, nachdem die Ameri- kaniſchen Colonien das Leder ſo wohlfeil liefern, daß Deutſch- land bald ſeine Schuhe aus England erhalten wird. In- deſſen findet ein aufmerkſamer Geiſt allemal noch neue Wege. Es gehen noch ganze Ladungen von geſtickten Schuhen aus Sachſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/33
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/33>, abgerufen am 18.12.2024.