die Pfarrer den Rang für einen Canonicus haben; sie haben ihn aber nicht, weil die Pfarrer unter sich keine Zunft und keine Statuten haben, mithin ohne Rücksicht auf Geburt al- lerhand Leute zu ihres Gleichen erhalten, wogegen doch alle Collegiatstifter einige Gegenanstalten gemacht haben.
Dies muß uns natürlicher Weise auf den Gedanken bringen, daß es gut seyn würde, wenn jeder Landesherr da- für sorgte, daß die Landesadvocaten sich zu einem Corpus ver- einigen, ihre Statuten errichten, ihre Mitglieder selbst wäh- len, oder doch gewisse Vorzüge der Geburt und des Standes von ihnen erfordern, und solchergestalt sich für alle willkühr- liche und oftmals ehrenrührige Vermischung sicher setzen müß- ten. Sie würden dadurch natürlicher Weise aufmerksamer auf ihre Ehre, empfindlicher auf deren Erhaltung, und durch eine Ausstossung aus diesen Orden härter bestrafet werden, als durch irgend eine andre Strafe. Sie würden Stiftun- gen machen und annehmen, die Bejahrten daraus versorgen, die Wittwen ernähren, und sich der Kinder ihrer Collegen gemeinschaftlich annehmen können. Sie würden endlich Col- legialische Rechtsbedenken ausfertigen, eine einförmige Praxin befördern, eine Präbende für den Advocaten der Armen aus- setzen und sehr viele andere gute Anstalten, die der esprit de corps von selbst mit sich bringt, machen können. Dies ist wenigstens das Mittel, wodurch sich der Stand der Advoca- ten in Frankreich, da er sonst in allen despotischen Staaten aus guten Gründen heruntergesetzt wird, bey einem wahren Ansehen erhalten hat. Und ohne diese Vorsorge wird derselbe mit der Zeit keinen als solchen anstehen, die nach keiner Ver- achtung fragen, wenn sie nur gewinnen können.
LI.
Vorſchlag zu einem beſondern Advocatencollegio.
die Pfarrer den Rang fuͤr einen Canonicus haben; ſie haben ihn aber nicht, weil die Pfarrer unter ſich keine Zunft und keine Statuten haben, mithin ohne Ruͤckſicht auf Geburt al- lerhand Leute zu ihres Gleichen erhalten, wogegen doch alle Collegiatſtifter einige Gegenanſtalten gemacht haben.
Dies muß uns natuͤrlicher Weiſe auf den Gedanken bringen, daß es gut ſeyn wuͤrde, wenn jeder Landesherr da- fuͤr ſorgte, daß die Landesadvocaten ſich zu einem Corpus ver- einigen, ihre Statuten errichten, ihre Mitglieder ſelbſt waͤh- len, oder doch gewiſſe Vorzuͤge der Geburt und des Standes von ihnen erfordern, und ſolchergeſtalt ſich fuͤr alle willkuͤhr- liche und oftmals ehrenruͤhrige Vermiſchung ſicher ſetzen muͤß- ten. Sie wuͤrden dadurch natuͤrlicher Weiſe aufmerkſamer auf ihre Ehre, empfindlicher auf deren Erhaltung, und durch eine Ausſtoſſung aus dieſen Orden haͤrter beſtrafet werden, als durch irgend eine andre Strafe. Sie wuͤrden Stiftun- gen machen und annehmen, die Bejahrten daraus verſorgen, die Wittwen ernaͤhren, und ſich der Kinder ihrer Collegen gemeinſchaftlich annehmen koͤnnen. Sie wuͤrden endlich Col- legialiſche Rechtsbedenken ausfertigen, eine einfoͤrmige Praxin befoͤrdern, eine Praͤbende fuͤr den Advocaten der Armen aus- ſetzen und ſehr viele andere gute Anſtalten, die der eſprit de corps von ſelbſt mit ſich bringt, machen koͤnnen. Dies iſt wenigſtens das Mittel, wodurch ſich der Stand der Advoca- ten in Frankreich, da er ſonſt in allen deſpotiſchen Staaten aus guten Gruͤnden heruntergeſetzt wird, bey einem wahren Anſehen erhalten hat. Und ohne dieſe Vorſorge wird derſelbe mit der Zeit keinen als ſolchen anſtehen, die nach keiner Ver- achtung fragen, wenn ſie nur gewinnen koͤnnen.
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Vorſchlag zu einem beſondern Advocatencollegio.
die Pfarrer den Rang fuͤr einen Canonicus haben; ſie haben
ihn aber nicht, weil die Pfarrer unter ſich keine Zunft und
keine Statuten haben, mithin ohne Ruͤckſicht auf Geburt al-
lerhand Leute zu ihres Gleichen erhalten, wogegen doch alle
Collegiatſtifter einige Gegenanſtalten gemacht haben.
Dies muß uns natuͤrlicher Weiſe auf den Gedanken
bringen, daß es gut ſeyn wuͤrde, wenn jeder Landesherr da-
fuͤr ſorgte, daß die Landesadvocaten ſich zu einem Corpus ver-
einigen, ihre Statuten errichten, ihre Mitglieder ſelbſt waͤh-
len, oder doch gewiſſe Vorzuͤge der Geburt und des Standes
von ihnen erfordern, und ſolchergeſtalt ſich fuͤr alle willkuͤhr-
liche und oftmals ehrenruͤhrige Vermiſchung ſicher ſetzen muͤß-
ten. Sie wuͤrden dadurch natuͤrlicher Weiſe aufmerkſamer
auf ihre Ehre, empfindlicher auf deren Erhaltung, und durch
eine Ausſtoſſung aus dieſen Orden haͤrter beſtrafet werden,
als durch irgend eine andre Strafe. Sie wuͤrden Stiftun-
gen machen und annehmen, die Bejahrten daraus verſorgen,
die Wittwen ernaͤhren, und ſich der Kinder ihrer Collegen
gemeinſchaftlich annehmen koͤnnen. Sie wuͤrden endlich Col-
legialiſche Rechtsbedenken ausfertigen, eine einfoͤrmige Praxin
befoͤrdern, eine Praͤbende fuͤr den Advocaten der Armen aus-
ſetzen und ſehr viele andere gute Anſtalten, die der eſprit de
corps von ſelbſt mit ſich bringt, machen koͤnnen. Dies iſt
wenigſtens das Mittel, wodurch ſich der Stand der Advoca-
ten in Frankreich, da er ſonſt in allen deſpotiſchen Staaten
aus guten Gruͤnden heruntergeſetzt wird, bey einem wahren
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mit der Zeit keinen als ſolchen anſtehen, die nach keiner Ver-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/312>, abgerufen am 22.07.2024.
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