Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.daß sie viele Leute ehrlich gemacht haben? als der geringere und unwürksame? Wahrlich aus keinemandern Grunde, als den vor Höchstgedachte Ihro Fürstl. Gnaden anzuführen geruheten. Die Verfasser des Reichs- abschiedes standen auf der Höhe; und was unten am Berge war, schienen ihnen nur aus Mücken zu bestehen. Der Grundsatz der neuern Gesetzgeber, daß man die Der Reichsabschied macht eine Menge von Leuten ehr- so Mösers patr. Phantas. I. Th. T
daß ſie viele Leute ehrlich gemacht haben? als der geringere und unwuͤrkſame? Wahrlich aus keinemandern Grunde, als den vor Hoͤchſtgedachte Ihro Fuͤrſtl. Gnaden anzufuͤhren geruheten. Die Verfaſſer des Reichs- abſchiedes ſtanden auf der Hoͤhe; und was unten am Berge war, ſchienen ihnen nur aus Muͤcken zu beſtehen. Der Grundſatz der neuern Geſetzgeber, daß man die Der Reichsabſchied macht eine Menge von Leuten ehr- ſo Möſers patr. Phantaſ. I. Th. T
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daß ſie viele Leute ehrlich gemacht haben?
als der geringere und unwuͤrkſame? Wahrlich aus keinem
andern Grunde, als den vor Hoͤchſtgedachte Ihro Fuͤrſtl.
Gnaden anzufuͤhren geruheten. Die Verfaſſer des Reichs-
abſchiedes ſtanden auf der Hoͤhe; und was unten am Berge
war, ſchienen ihnen nur aus Muͤcken zu beſtehen.
Der Grundſatz der neuern Geſetzgeber, daß man die
Hurerey minder ſchimpflich machen muͤſſe, um den Kindermord
zu verhuͤten, iſt falſch und unzureichend. Der alte: daß
man den aͤußerſten Schimpf darauf ſetzen muͤſſe, um die Ehe
zu befoͤrdern, iſt weit dauerhafter; und nach den feinſten
philoſophiſchen Grundſaͤtzen angelegt.
Der Reichsabſchied macht eine Menge von Leuten ehr-
lich, welche bis dahin fuͤr unehrlich gehalten wurden. Man
kann aber darauf wetten, daß die Verfaſſer den Sinn des
Worts Unehrlichkeit verfehlet, und die Sache wiederum aus
dem unpolitiſchen Geſichtspunkte der Menſchenliebe betrachtet
haben. Bey den Deutſchen war alles unehrlich, was nicht
im Heerbann oder im Buͤrgerbanne focht; und nach dieſem
Begriffe, wuͤrden ſie zu unſern Zeiten allen Leuten die Ehre
abgeſprochen haben, die keine Soldaten ſind. Dieſe Den-
kungsart ſcheint ſeltſam zu ſeyn. Verhietet nicht aber noch
jetzund ein jeder Hauptmann ſeinen Gemeinen, mit andern
Leuten, die nicht zu ihnen gehoͤren, Bruͤderſchaft zu trinken
oder ſich mit ihnen zu dutzen? Und hatte der Heerbann min-
dre Urſache mit allen Leuten nicht aus einem Kruge zu trinken?
Der Krug war der geheiligte Becher, der in einer ebenbuͤrti-
gen Geſellſchaft nach der Reihe herum gieng. Wer nicht zu
der Geſellſchaft gehoͤrete, gehoͤrte auch nicht zum Kruge; und
ſo ſagten unſre Vorfahren: Wir trinken mit keinen Schaͤfern ꝛc.
aus einem Kruge, weil ſie nicht mit fuͤrs Vaterland ausziehen,
ſondern daheim bey der Heerde bleiben muͤſſen. Sie ſprachen
ihnen die chriſtliche und moraliſche Redlichkeit nicht ab. Aber
ſo
Möſers patr. Phantaſ. I. Th. T
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