Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.der Bevölkerung widersetzt haben. seyn solle. Wir werden es also zur ersten Regel machen, daßderjenige, der sich wider einen andern versündiget hat, dem- selben genug thun, oder aber von allen Vortheilen und Nu- tzungen ausgeschlossen, und der Rache des Beleidigten über- lassen seyn solle. So bald wir aber von diesem Grundsatze ausgehen, werden wir keine flüchtige unangesessene Leute un- ter uns dulden. Wir werden keinen zum Mitbürger aufneh- men, der nicht Schaden und Vortheil mit uns theilet, und durch den Verlust seines Antheils hinlänglich gestrafet werden kann. Man findet diesen Plan in den ältesten Verfassungen, und es gehörte schon eine ganz andre Denkungsart dazu Staa- ten nach heutiger Art einzurichten. Leib- und Lebensstrafen haben entweder bey ziehenden Die vermischte Bevölkerung nahm zuerst unter dem ent- hatten, was mußte der Kläger sodann nicht für ein stand-
hafter Mann seyn, wenn er den ersten Stein auf seinen Verklagten zu werfen hatte; und was für ein Bösewicht mußte er seyn, wenn er bey völliger Ueberlegung einem Unschuldigen die Hirnschädel einschmiß? der Bevoͤlkerung widerſetzt haben. ſeyn ſolle. Wir werden es alſo zur erſten Regel machen, daßderjenige, der ſich wider einen andern verſuͤndiget hat, dem- ſelben genug thun, oder aber von allen Vortheilen und Nu- tzungen ausgeſchloſſen, und der Rache des Beleidigten uͤber- laſſen ſeyn ſolle. So bald wir aber von dieſem Grundſatze ausgehen, werden wir keine fluͤchtige unangeſeſſene Leute un- ter uns dulden. Wir werden keinen zum Mitbuͤrger aufneh- men, der nicht Schaden und Vortheil mit uns theilet, und durch den Verluſt ſeines Antheils hinlaͤnglich geſtrafet werden kann. Man findet dieſen Plan in den aͤlteſten Verfaſſungen, und es gehoͤrte ſchon eine ganz andre Denkungsart dazu Staa- ten nach heutiger Art einzurichten. Leib- und Lebensſtrafen haben entweder bey ziehenden Die vermiſchte Bevoͤlkerung nahm zuerſt unter dem ent- hatten, was mußte der Klaͤger ſodann nicht fuͤr ein ſtand-
hafter Mann ſeyn, wenn er den erſten Stein auf ſeinen Verklagten zu werfen hatte; und was fuͤr ein Boͤſewicht mußte er ſeyn, wenn er bey voͤlliger Ueberlegung einem Unſchuldigen die Hirnſchaͤdel einſchmiß? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0273" n="255"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Bevoͤlkerung widerſetzt haben.</hi></fw><lb/> ſeyn ſolle. Wir werden es alſo zur erſten Regel machen, daß<lb/> derjenige, der ſich wider einen andern verſuͤndiget hat, dem-<lb/> ſelben genug thun, oder aber von allen Vortheilen und Nu-<lb/> tzungen ausgeſchloſſen, und der Rache des Beleidigten uͤber-<lb/> laſſen ſeyn ſolle. So bald wir aber von dieſem Grundſatze<lb/> ausgehen, werden wir keine fluͤchtige unangeſeſſene Leute un-<lb/> ter uns dulden. Wir werden keinen zum Mitbuͤrger aufneh-<lb/> men, der nicht Schaden und Vortheil mit uns theilet, und<lb/> durch den Verluſt ſeines Antheils hinlaͤnglich geſtrafet werden<lb/> kann. Man findet dieſen Plan in den aͤlteſten Verfaſſungen,<lb/> und es gehoͤrte ſchon eine ganz andre Denkungsart dazu Staa-<lb/> ten nach heutiger Art einzurichten.</p><lb/> <p>Leib- und Lebensſtrafen haben entweder bey ziehenden<lb/> Voͤlkern, oder aber bey einer vermiſchten Bevoͤlkerung Ueber-<lb/> hand genommen. Man uͤbte ſie zuerſt blos an Knechten aus;<lb/> und die ebenbuͤrdige Geſellſchaft mußte ſich erſt in eine Mi-<lb/> ſchung von Unterthanen verwandeln, ehe man es wagen<lb/> mochte, ihr von Staupenſchlaͤgen und Torturen vorzuſprechen.</p><lb/> <p>Die vermiſchte Bevoͤlkerung nahm zuerſt unter dem<lb/> Schutze maͤchtiger Herren ihren Anfang. Dieſe maſſeten ſich<lb/> des Armenſchutzes an, und unter Armen ſind alle Einwohner<lb/> der Staͤdte, Heuerleute und alle kleine Beywohner verſtan-<lb/> den. Die <hi rendition="#fr">Hyen</hi> und <hi rendition="#fr">Hoden,</hi> und allerhand <hi rendition="#fr">Gotteshaus-</hi><lb/> und <hi rendition="#fr">heiligen Schutzleute</hi> wurden erfunden, um Neubauer<lb/> zu decken. Diejenigen ſo einzeln unſicher ſchienen, wurden<lb/> in ſolche Hoden zuſammen geſchoben, um die Sicherheit mit<lb/> geſamter Hand zu beſtellen, und mit Huͤlfe ihrer Beſchuͤtzer<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ent-</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_4_2" prev="#seg2pn_4_1" place="foot" n="**)">hatten, was mußte der Klaͤger ſodann nicht fuͤr ein ſtand-<lb/> hafter Mann ſeyn, wenn er den erſten Stein auf ſeinen<lb/> Verklagten zu werfen hatte; und was fuͤr ein Boͤſewicht<lb/> mußte er ſeyn, wenn er bey voͤlliger Ueberlegung einem<lb/> Unſchuldigen die Hirnſchaͤdel einſchmiß?</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [255/0273]
der Bevoͤlkerung widerſetzt haben.
ſeyn ſolle. Wir werden es alſo zur erſten Regel machen, daß
derjenige, der ſich wider einen andern verſuͤndiget hat, dem-
ſelben genug thun, oder aber von allen Vortheilen und Nu-
tzungen ausgeſchloſſen, und der Rache des Beleidigten uͤber-
laſſen ſeyn ſolle. So bald wir aber von dieſem Grundſatze
ausgehen, werden wir keine fluͤchtige unangeſeſſene Leute un-
ter uns dulden. Wir werden keinen zum Mitbuͤrger aufneh-
men, der nicht Schaden und Vortheil mit uns theilet, und
durch den Verluſt ſeines Antheils hinlaͤnglich geſtrafet werden
kann. Man findet dieſen Plan in den aͤlteſten Verfaſſungen,
und es gehoͤrte ſchon eine ganz andre Denkungsart dazu Staa-
ten nach heutiger Art einzurichten.
Leib- und Lebensſtrafen haben entweder bey ziehenden
Voͤlkern, oder aber bey einer vermiſchten Bevoͤlkerung Ueber-
hand genommen. Man uͤbte ſie zuerſt blos an Knechten aus;
und die ebenbuͤrdige Geſellſchaft mußte ſich erſt in eine Mi-
ſchung von Unterthanen verwandeln, ehe man es wagen
mochte, ihr von Staupenſchlaͤgen und Torturen vorzuſprechen.
Die vermiſchte Bevoͤlkerung nahm zuerſt unter dem
Schutze maͤchtiger Herren ihren Anfang. Dieſe maſſeten ſich
des Armenſchutzes an, und unter Armen ſind alle Einwohner
der Staͤdte, Heuerleute und alle kleine Beywohner verſtan-
den. Die Hyen und Hoden, und allerhand Gotteshaus-
und heiligen Schutzleute wurden erfunden, um Neubauer
zu decken. Diejenigen ſo einzeln unſicher ſchienen, wurden
in ſolche Hoden zuſammen geſchoben, um die Sicherheit mit
geſamter Hand zu beſtellen, und mit Huͤlfe ihrer Beſchuͤtzer
ent-
**)
**) hatten, was mußte der Klaͤger ſodann nicht fuͤr ein ſtand-
hafter Mann ſeyn, wenn er den erſten Stein auf ſeinen
Verklagten zu werfen hatte; und was fuͤr ein Boͤſewicht
mußte er ſeyn, wenn er bey voͤlliger Ueberlegung einem
Unſchuldigen die Hirnſchaͤdel einſchmiß?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |