Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Klagen eines Edelmans
dennoch schreiben die Gelehrten immer von der Holzsparkunst:
die Narren! möchten sie doch auf den Wink der Vorsehung
achten, die uns bereits mit Wölfen und wilden Schweinen
straft, seitdem unsre Berge mit Holze wieder bewachsen sind!
ich hoffe den Tag noch zu erleben, daß man alles niederhauet,
um sich von dieser Strafe wieder zu erretten.

Eben so geht es uns mit allen den Zuschlägen, *) die
man nun seit etlichen Jahren gemacht hat. Kein Henker will
mehr eine Wiese heuren. Jeder hat nun selbst Wiesen, und
macht so viel Heu als er braucht. Ich glaube, daß seit dem
Kriege hier im Stifte über sechstausend und in dem benach-
barten Münsterlande über dreyßigtausend Morgen Acker- und
Wieseland neu gemacht sind. Die Tecklenburger und Lingi-
schen geben den andern darinn nichts nach; und die westphä-
lischen Gemeinen, um ihre Kriegesschulden zu bezahlen, ver-
kaufen ihre schönen Plaggengründe um die Wette, und den-
ken nicht, daß die Heuerleute und Kötter, welche ihnen vor-
dem für ein Scheffel Saatland so viel Geld als sie wollten,
und die schönsten Worte dazu geben mußten, bey diesem Ver-
kaufe allein gewinnen. Ich will eben kein Prophet seyn;
aber Gott lasse nur noch einen solchen Krieg kommen, wie
der vorige war: so wollen wir sehen, ob die Marken nicht
ganz darauf gehen werden.

Es ist überhaupt jezt eine sehr wunderliche Welt. Die
großen Herren, diese Zerstörer des menschlichen Geschlechts, den-
ken auf nichts als auf Bevölkerung; und wir werden sicher,
nächstens ein philosophisches System erhalten, worinn die
möglichste Vermehrung der Menschen, als die größte Verherr-

lichung
*) Zuschläge nennt man im Stifte Osnabrück, was aus der
gemeinen Heide und Weide zugeschlagen, und urbar ge-
macht, oder im Zaune genutzet wird.

Die Klagen eines Edelmans
dennoch ſchreiben die Gelehrten immer von der Holzſparkunſt:
die Narren! moͤchten ſie doch auf den Wink der Vorſehung
achten, die uns bereits mit Woͤlfen und wilden Schweinen
ſtraft, ſeitdem unſre Berge mit Holze wieder bewachſen ſind!
ich hoffe den Tag noch zu erleben, daß man alles niederhauet,
um ſich von dieſer Strafe wieder zu erretten.

Eben ſo geht es uns mit allen den Zuſchlaͤgen, *) die
man nun ſeit etlichen Jahren gemacht hat. Kein Henker will
mehr eine Wieſe heuren. Jeder hat nun ſelbſt Wieſen, und
macht ſo viel Heu als er braucht. Ich glaube, daß ſeit dem
Kriege hier im Stifte uͤber ſechstauſend und in dem benach-
barten Muͤnſterlande uͤber dreyßigtauſend Morgen Acker- und
Wieſeland neu gemacht ſind. Die Tecklenburger und Lingi-
ſchen geben den andern darinn nichts nach; und die weſtphaͤ-
liſchen Gemeinen, um ihre Kriegesſchulden zu bezahlen, ver-
kaufen ihre ſchoͤnen Plaggengruͤnde um die Wette, und den-
ken nicht, daß die Heuerleute und Koͤtter, welche ihnen vor-
dem fuͤr ein Scheffel Saatland ſo viel Geld als ſie wollten,
und die ſchoͤnſten Worte dazu geben mußten, bey dieſem Ver-
kaufe allein gewinnen. Ich will eben kein Prophet ſeyn;
aber Gott laſſe nur noch einen ſolchen Krieg kommen, wie
der vorige war: ſo wollen wir ſehen, ob die Marken nicht
ganz darauf gehen werden.

Es iſt uͤberhaupt jezt eine ſehr wunderliche Welt. Die
großen Herren, dieſe Zerſtoͤrer des menſchlichen Geſchlechts, den-
ken auf nichts als auf Bevoͤlkerung; und wir werden ſicher,
naͤchſtens ein philoſophiſches Syſtem erhalten, worinn die
moͤglichſte Vermehrung der Menſchen, als die groͤßte Verherr-

lichung
*) Zuſchlaͤge nennt man im Stifte Oſnabruͤck, was aus der
gemeinen Heide und Weide zugeſchlagen, und urbar ge-
macht, oder im Zaune genutzet wird.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0228" n="210"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Klagen eines Edelmans</hi></fw><lb/>
dennoch &#x017F;chreiben die Gelehrten immer von der Holz&#x017F;parkun&#x017F;t:<lb/>
die Narren! mo&#x0364;chten &#x017F;ie doch auf den Wink der Vor&#x017F;ehung<lb/>
achten, die uns bereits mit Wo&#x0364;lfen und wilden Schweinen<lb/>
&#x017F;traft, &#x017F;eitdem un&#x017F;re Berge mit Holze wieder bewach&#x017F;en &#x017F;ind!<lb/>
ich hoffe den Tag noch zu erleben, daß man alles niederhauet,<lb/>
um &#x017F;ich von die&#x017F;er Strafe wieder zu erretten.</p><lb/>
        <p>Eben &#x017F;o geht es uns mit allen den Zu&#x017F;chla&#x0364;gen, <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#fr">Zu&#x017F;chla&#x0364;ge</hi> nennt man im Stifte O&#x017F;nabru&#x0364;ck, was aus der<lb/>
gemeinen Heide und Weide zuge&#x017F;chlagen, und urbar ge-<lb/>
macht, oder im Zaune genutzet wird.</note> die<lb/>
man nun &#x017F;eit etlichen Jahren gemacht hat. Kein Henker will<lb/>
mehr eine Wie&#x017F;e heuren. Jeder hat nun &#x017F;elb&#x017F;t Wie&#x017F;en, und<lb/>
macht &#x017F;o viel Heu als er braucht. Ich glaube, daß &#x017F;eit dem<lb/>
Kriege hier im Stifte u&#x0364;ber &#x017F;echstau&#x017F;end und in dem benach-<lb/>
barten Mu&#x0364;n&#x017F;terlande u&#x0364;ber dreyßigtau&#x017F;end Morgen Acker- und<lb/>
Wie&#x017F;eland neu gemacht &#x017F;ind. Die Tecklenburger und Lingi-<lb/>
&#x017F;chen geben den andern darinn nichts nach; und die we&#x017F;tpha&#x0364;-<lb/>
li&#x017F;chen Gemeinen, um ihre Krieges&#x017F;chulden zu bezahlen, ver-<lb/>
kaufen ihre &#x017F;cho&#x0364;nen Plaggengru&#x0364;nde um die Wette, und den-<lb/>
ken nicht, daß die Heuerleute und Ko&#x0364;tter, welche ihnen vor-<lb/>
dem fu&#x0364;r ein Scheffel Saatland &#x017F;o viel Geld als &#x017F;ie wollten,<lb/>
und die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Worte dazu geben mußten, bey die&#x017F;em Ver-<lb/>
kaufe allein gewinnen. Ich will eben kein Prophet &#x017F;eyn;<lb/>
aber Gott la&#x017F;&#x017F;e nur noch einen &#x017F;olchen Krieg kommen, wie<lb/>
der vorige war: &#x017F;o wollen wir &#x017F;ehen, ob die Marken nicht<lb/>
ganz darauf gehen werden.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt jezt eine &#x017F;ehr wunderliche Welt. Die<lb/>
großen Herren, die&#x017F;e Zer&#x017F;to&#x0364;rer des men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts, den-<lb/>
ken auf nichts als auf Bevo&#x0364;lkerung; und wir werden &#x017F;icher,<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;tens ein philo&#x017F;ophi&#x017F;ches Sy&#x017F;tem erhalten, worinn die<lb/>
mo&#x0364;glich&#x017F;te Vermehrung der Men&#x017F;chen, als die gro&#x0364;ßte Verherr-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lichung</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0228] Die Klagen eines Edelmans dennoch ſchreiben die Gelehrten immer von der Holzſparkunſt: die Narren! moͤchten ſie doch auf den Wink der Vorſehung achten, die uns bereits mit Woͤlfen und wilden Schweinen ſtraft, ſeitdem unſre Berge mit Holze wieder bewachſen ſind! ich hoffe den Tag noch zu erleben, daß man alles niederhauet, um ſich von dieſer Strafe wieder zu erretten. Eben ſo geht es uns mit allen den Zuſchlaͤgen, *) die man nun ſeit etlichen Jahren gemacht hat. Kein Henker will mehr eine Wieſe heuren. Jeder hat nun ſelbſt Wieſen, und macht ſo viel Heu als er braucht. Ich glaube, daß ſeit dem Kriege hier im Stifte uͤber ſechstauſend und in dem benach- barten Muͤnſterlande uͤber dreyßigtauſend Morgen Acker- und Wieſeland neu gemacht ſind. Die Tecklenburger und Lingi- ſchen geben den andern darinn nichts nach; und die weſtphaͤ- liſchen Gemeinen, um ihre Kriegesſchulden zu bezahlen, ver- kaufen ihre ſchoͤnen Plaggengruͤnde um die Wette, und den- ken nicht, daß die Heuerleute und Koͤtter, welche ihnen vor- dem fuͤr ein Scheffel Saatland ſo viel Geld als ſie wollten, und die ſchoͤnſten Worte dazu geben mußten, bey dieſem Ver- kaufe allein gewinnen. Ich will eben kein Prophet ſeyn; aber Gott laſſe nur noch einen ſolchen Krieg kommen, wie der vorige war: ſo wollen wir ſehen, ob die Marken nicht ganz darauf gehen werden. Es iſt uͤberhaupt jezt eine ſehr wunderliche Welt. Die großen Herren, dieſe Zerſtoͤrer des menſchlichen Geſchlechts, den- ken auf nichts als auf Bevoͤlkerung; und wir werden ſicher, naͤchſtens ein philoſophiſches Syſtem erhalten, worinn die moͤglichſte Vermehrung der Menſchen, als die groͤßte Verherr- lichung *) Zuſchlaͤge nennt man im Stifte Oſnabruͤck, was aus der gemeinen Heide und Weide zugeſchlagen, und urbar ge- macht, oder im Zaune genutzet wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/228
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/228>, abgerufen am 22.11.2024.