Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Die gute seelige Frau.
und in keinem Nonnenkloster fand man bessers Krausemün-
zen Wasser als das ihrige. In unserm ganzen Ehestande
hat keines aus dem Hause dem Apotheker einen Groschen ge-
bracht, und wenn sie etwas lächerliches nennen wollte: so war
es ein Kräuterthee aus der Apotheke. Auf jedes Stück Holz
das ins Feuer kam, hatte sie acht. Nie ward ein großes Feuer
gemacht, ohne mehrere Absichten auf einmal zu erfüllen. Sie
wußte wie viel Stunden das Gesinde von einem Lb Thran
brennen mußte. Ihre Lichter zog sie selbst, und wußte des Mor-
gens an den Enden genau, ob jedes sich zu rechter Zeit des Abends
niedergelegt hatte. Das Bier ward im Hause gebraut, das
Malz selbst gemacht, und der Hopfe daheim besser gezogen,
als er von Braunschweig eingeführet wird. Der Schlüssel
zum Keller kam nicht aus ihrer Tasche. Sie wußte genau,
wie lange ein Faß laufen und wie viel ein Brod wägen mußte.
Butter und Speck gab sie selbst aus, und ohne geitzig zu
seyn, bemerkte sie das Gesinde so genau, daß nichts davon
verbracht werden konnte. Eben so machte sie es mit der
Milch. Sie kannte jedes Huhn das legte, und futterte nach
der Jahrszeit so, daß kein Korn zu viel oder zu wenig gege-
ben wurde. Das Holz kaufte sie zu rechter Jahrszeit, und
ließ die Mägde des Winters alle Tage zwey Stunde sägen,
um sie bey einer heilsamen Bewegung zu bewahren. Im
Sommer ward des Abends nie warm gegessen. Die war-
men Suppen schienen ihr eine lächerliche Erfindung der Fran-
zosen; und bey dem kalten Essen konnte das Geschirr auch
mit kalten Wasser gewaschen werden. Man brauchte alsdenn
kein Feuer, und bey Winter-Abenden ward bey dem letzten
Feuer im Ofen gekocht. Was in der Dämmerung geschehen
konnte, geschahe nicht bey Lichte, und die Arbeit war darnach
abgepaßt. Ihre schmutzige Wäsche untersuchte sie alle Sonn-
abend, und hieng solche des Winters einige Tage auf Linien,

da-

Die gute ſeelige Frau.
und in keinem Nonnenkloſter fand man beſſers Krauſemuͤn-
zen Waſſer als das ihrige. In unſerm ganzen Eheſtande
hat keines aus dem Hauſe dem Apotheker einen Groſchen ge-
bracht, und wenn ſie etwas laͤcherliches nennen wollte: ſo war
es ein Kraͤuterthee aus der Apotheke. Auf jedes Stuͤck Holz
das ins Feuer kam, hatte ſie acht. Nie ward ein großes Feuer
gemacht, ohne mehrere Abſichten auf einmal zu erfuͤllen. Sie
wußte wie viel Stunden das Geſinde von einem ℔ Thran
brennen mußte. Ihre Lichter zog ſie ſelbſt, und wußte des Mor-
gens an den Enden genau, ob jedes ſich zu rechter Zeit des Abends
niedergelegt hatte. Das Bier ward im Hauſe gebraut, das
Malz ſelbſt gemacht, und der Hopfe daheim beſſer gezogen,
als er von Braunſchweig eingefuͤhret wird. Der Schluͤſſel
zum Keller kam nicht aus ihrer Taſche. Sie wußte genau,
wie lange ein Faß laufen und wie viel ein Brod waͤgen mußte.
Butter und Speck gab ſie ſelbſt aus, und ohne geitzig zu
ſeyn, bemerkte ſie das Geſinde ſo genau, daß nichts davon
verbracht werden konnte. Eben ſo machte ſie es mit der
Milch. Sie kannte jedes Huhn das legte, und futterte nach
der Jahrszeit ſo, daß kein Korn zu viel oder zu wenig gege-
ben wurde. Das Holz kaufte ſie zu rechter Jahrszeit, und
ließ die Maͤgde des Winters alle Tage zwey Stunde ſaͤgen,
um ſie bey einer heilſamen Bewegung zu bewahren. Im
Sommer ward des Abends nie warm gegeſſen. Die war-
men Suppen ſchienen ihr eine laͤcherliche Erfindung der Fran-
zoſen; und bey dem kalten Eſſen konnte das Geſchirr auch
mit kalten Waſſer gewaſchen werden. Man brauchte alsdenn
kein Feuer, und bey Winter-Abenden ward bey dem letzten
Feuer im Ofen gekocht. Was in der Daͤmmerung geſchehen
konnte, geſchahe nicht bey Lichte, und die Arbeit war darnach
abgepaßt. Ihre ſchmutzige Waͤſche unterſuchte ſie alle Sonn-
abend, und hieng ſolche des Winters einige Tage auf Linien,

da-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="122"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die gute &#x017F;eelige Frau.</hi></fw><lb/>
und in keinem Nonnenklo&#x017F;ter fand man be&#x017F;&#x017F;ers Krau&#x017F;emu&#x0364;n-<lb/>
zen Wa&#x017F;&#x017F;er als das ihrige. In un&#x017F;erm ganzen Ehe&#x017F;tande<lb/>
hat keines aus dem Hau&#x017F;e dem Apotheker einen Gro&#x017F;chen ge-<lb/>
bracht, und wenn &#x017F;ie etwas la&#x0364;cherliches nennen wollte: &#x017F;o war<lb/>
es ein Kra&#x0364;uterthee aus der Apotheke. Auf jedes Stu&#x0364;ck Holz<lb/>
das ins Feuer kam, hatte &#x017F;ie acht. Nie ward ein großes Feuer<lb/>
gemacht, ohne mehrere Ab&#x017F;ichten auf einmal zu erfu&#x0364;llen. Sie<lb/>
wußte wie viel Stunden das Ge&#x017F;inde von einem &#x2114; Thran<lb/>
brennen mußte. Ihre Lichter zog &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t, und wußte des Mor-<lb/>
gens an den Enden genau, ob jedes &#x017F;ich zu rechter Zeit des Abends<lb/>
niedergelegt hatte. Das Bier ward im Hau&#x017F;e gebraut, das<lb/>
Malz &#x017F;elb&#x017F;t gemacht, und der Hopfe daheim be&#x017F;&#x017F;er gezogen,<lb/>
als er von Braun&#x017F;chweig eingefu&#x0364;hret wird. Der Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el<lb/>
zum Keller kam nicht aus ihrer Ta&#x017F;che. Sie wußte genau,<lb/>
wie lange ein Faß laufen und wie viel ein Brod wa&#x0364;gen mußte.<lb/>
Butter und Speck gab &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t aus, und ohne geitzig zu<lb/>
&#x017F;eyn, bemerkte &#x017F;ie das Ge&#x017F;inde &#x017F;o genau, daß nichts davon<lb/>
verbracht werden konnte. Eben &#x017F;o machte &#x017F;ie es mit der<lb/>
Milch. Sie kannte jedes Huhn das legte, und futterte nach<lb/>
der Jahrszeit &#x017F;o, daß kein Korn zu viel oder zu wenig gege-<lb/>
ben wurde. Das Holz kaufte &#x017F;ie zu rechter Jahrszeit, und<lb/>
ließ die Ma&#x0364;gde des Winters alle Tage zwey Stunde &#x017F;a&#x0364;gen,<lb/>
um &#x017F;ie bey einer heil&#x017F;amen Bewegung zu bewahren. Im<lb/>
Sommer ward des Abends nie warm gege&#x017F;&#x017F;en. Die war-<lb/>
men Suppen &#x017F;chienen ihr eine la&#x0364;cherliche Erfindung der Fran-<lb/>
zo&#x017F;en; und bey dem kalten E&#x017F;&#x017F;en konnte das Ge&#x017F;chirr auch<lb/>
mit kalten Wa&#x017F;&#x017F;er gewa&#x017F;chen werden. Man brauchte alsdenn<lb/>
kein Feuer, und bey Winter-Abenden ward bey dem letzten<lb/>
Feuer im Ofen gekocht. Was in der Da&#x0364;mmerung ge&#x017F;chehen<lb/>
konnte, ge&#x017F;chahe nicht bey Lichte, und die Arbeit war darnach<lb/>
abgepaßt. Ihre &#x017F;chmutzige Wa&#x0364;&#x017F;che unter&#x017F;uchte &#x017F;ie alle Sonn-<lb/>
abend, und hieng &#x017F;olche des Winters einige Tage auf Linien,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">da-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0140] Die gute ſeelige Frau. und in keinem Nonnenkloſter fand man beſſers Krauſemuͤn- zen Waſſer als das ihrige. In unſerm ganzen Eheſtande hat keines aus dem Hauſe dem Apotheker einen Groſchen ge- bracht, und wenn ſie etwas laͤcherliches nennen wollte: ſo war es ein Kraͤuterthee aus der Apotheke. Auf jedes Stuͤck Holz das ins Feuer kam, hatte ſie acht. Nie ward ein großes Feuer gemacht, ohne mehrere Abſichten auf einmal zu erfuͤllen. Sie wußte wie viel Stunden das Geſinde von einem ℔ Thran brennen mußte. Ihre Lichter zog ſie ſelbſt, und wußte des Mor- gens an den Enden genau, ob jedes ſich zu rechter Zeit des Abends niedergelegt hatte. Das Bier ward im Hauſe gebraut, das Malz ſelbſt gemacht, und der Hopfe daheim beſſer gezogen, als er von Braunſchweig eingefuͤhret wird. Der Schluͤſſel zum Keller kam nicht aus ihrer Taſche. Sie wußte genau, wie lange ein Faß laufen und wie viel ein Brod waͤgen mußte. Butter und Speck gab ſie ſelbſt aus, und ohne geitzig zu ſeyn, bemerkte ſie das Geſinde ſo genau, daß nichts davon verbracht werden konnte. Eben ſo machte ſie es mit der Milch. Sie kannte jedes Huhn das legte, und futterte nach der Jahrszeit ſo, daß kein Korn zu viel oder zu wenig gege- ben wurde. Das Holz kaufte ſie zu rechter Jahrszeit, und ließ die Maͤgde des Winters alle Tage zwey Stunde ſaͤgen, um ſie bey einer heilſamen Bewegung zu bewahren. Im Sommer ward des Abends nie warm gegeſſen. Die war- men Suppen ſchienen ihr eine laͤcherliche Erfindung der Fran- zoſen; und bey dem kalten Eſſen konnte das Geſchirr auch mit kalten Waſſer gewaſchen werden. Man brauchte alsdenn kein Feuer, und bey Winter-Abenden ward bey dem letzten Feuer im Ofen gekocht. Was in der Daͤmmerung geſchehen konnte, geſchahe nicht bey Lichte, und die Arbeit war darnach abgepaßt. Ihre ſchmutzige Waͤſche unterſuchte ſie alle Sonn- abend, und hieng ſolche des Winters einige Tage auf Linien, da-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/140
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/140>, abgerufen am 02.05.2024.