Sie thun in der That recht wohl daran, daß Sie mir den Coffee als ein sehr schädliches und schleichendes Gift widerrathen, und ich weis ihnen die ernsthafte Mine recht von Herzen Dank, womit sie mein Gewissen in diesem wichtigen Punkte zu rühren gesucht haben. Da er mir schon lange nicht mehr geschmeckt hat: so habe ich ihren Gründen vollkommen Beyfall gegeben, und wir sind hier zu Lande alle darinn eins, daß in den Familien, worinn seit funfzig Jah- ren Coffee getrunken worden, keiner mehr sey, der seinem El- tervater an die Schulter reiche. Und wo sind die braunro- then Kernbacken der vormaligen Großtanten geblieben? Sind unsre jungen Herrn nicht lauter Marionetten? und unsre al- lerliebsten Puppen, Dinger, die sich in verschlossenen Sänf- ten herum tragen lassen müssen, damit der Frühlingswind sie nicht austrockne? Indessen glauben Sie ja nicht, daß wir hier noch so altfränkisch sind, um funfzig Jahr bey einem Ge- tränke zu bleiben. Mich dünkt, die Mode eine schwarze Lauge zu trinken, hat lange genug gewährt; und es ist wohl hohe Zeit, daß man endlich einmal etwas anders genieße. Ich und meine gnädige Frau haben die letzte Zeit schon das abgeschmackte Zeug nicht mehr herunter bringen können, und immer auf jedes Loth Coffee einen Theelöffel voll Senfsaat zugesetzt, um ihm nur noch einigen haut gout zu geben. Ich wollte aber, daß wir vor zehn Jahren so klug gewesen wä- ren wie jetzt: so würde unser gnädiges Fräulein nicht so man- ches Herzklopfen gefühlt, und mich nicht durch so manchen Schwindel erschreckt haben. Und wer weis wo es herkömmt, daß wir seit zwanzig Jahren einen solchen abscheulichen Man-
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XVIII. Schreiben einer Cammerjungfer.
Sie thun in der That recht wohl daran, daß Sie mir den Coffee als ein ſehr ſchaͤdliches und ſchleichendes Gift widerrathen, und ich weis ihnen die ernſthafte Mine recht von Herzen Dank, womit ſie mein Gewiſſen in dieſem wichtigen Punkte zu ruͤhren geſucht haben. Da er mir ſchon lange nicht mehr geſchmeckt hat: ſo habe ich ihren Gruͤnden vollkommen Beyfall gegeben, und wir ſind hier zu Lande alle darinn eins, daß in den Familien, worinn ſeit funfzig Jah- ren Coffee getrunken worden, keiner mehr ſey, der ſeinem El- tervater an die Schulter reiche. Und wo ſind die braunro- then Kernbacken der vormaligen Großtanten geblieben? Sind unſre jungen Herrn nicht lauter Marionetten? und unſre al- lerliebſten Puppen, Dinger, die ſich in verſchloſſenen Saͤnf- ten herum tragen laſſen muͤſſen, damit der Fruͤhlingswind ſie nicht austrockne? Indeſſen glauben Sie ja nicht, daß wir hier noch ſo altfraͤnkiſch ſind, um funfzig Jahr bey einem Ge- traͤnke zu bleiben. Mich duͤnkt, die Mode eine ſchwarze Lauge zu trinken, hat lange genug gewaͤhrt; und es iſt wohl hohe Zeit, daß man endlich einmal etwas anders genieße. Ich und meine gnaͤdige Frau haben die letzte Zeit ſchon das abgeſchmackte Zeug nicht mehr herunter bringen koͤnnen, und immer auf jedes Loth Coffee einen Theeloͤffel voll Senfſaat zugeſetzt, um ihm nur noch einigen haut gout zu geben. Ich wollte aber, daß wir vor zehn Jahren ſo klug geweſen waͤ- ren wie jetzt: ſo wuͤrde unſer gnaͤdiges Fraͤulein nicht ſo man- ches Herzklopfen gefuͤhlt, und mich nicht durch ſo manchen Schwindel erſchreckt haben. Und wer weis wo es herkoͤmmt, daß wir ſeit zwanzig Jahren einen ſolchen abſcheulichen Man-
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XVIII.
Schreiben einer Cammerjungfer.
Sie thun in der That recht wohl daran, daß Sie mir
den Coffee als ein ſehr ſchaͤdliches und ſchleichendes
Gift widerrathen, und ich weis ihnen die ernſthafte Mine
recht von Herzen Dank, womit ſie mein Gewiſſen in dieſem
wichtigen Punkte zu ruͤhren geſucht haben. Da er mir ſchon
lange nicht mehr geſchmeckt hat: ſo habe ich ihren Gruͤnden
vollkommen Beyfall gegeben, und wir ſind hier zu Lande alle
darinn eins, daß in den Familien, worinn ſeit funfzig Jah-
ren Coffee getrunken worden, keiner mehr ſey, der ſeinem El-
tervater an die Schulter reiche. Und wo ſind die braunro-
then Kernbacken der vormaligen Großtanten geblieben? Sind
unſre jungen Herrn nicht lauter Marionetten? und unſre al-
lerliebſten Puppen, Dinger, die ſich in verſchloſſenen Saͤnf-
ten herum tragen laſſen muͤſſen, damit der Fruͤhlingswind ſie
nicht austrockne? Indeſſen glauben Sie ja nicht, daß wir
hier noch ſo altfraͤnkiſch ſind, um funfzig Jahr bey einem Ge-
traͤnke zu bleiben. Mich duͤnkt, die Mode eine ſchwarze
Lauge zu trinken, hat lange genug gewaͤhrt; und es iſt wohl
hohe Zeit, daß man endlich einmal etwas anders genieße.
Ich und meine gnaͤdige Frau haben die letzte Zeit ſchon das
abgeſchmackte Zeug nicht mehr herunter bringen koͤnnen, und
immer auf jedes Loth Coffee einen Theeloͤffel voll Senfſaat
zugeſetzt, um ihm nur noch einigen haut gout zu geben. Ich
wollte aber, daß wir vor zehn Jahren ſo klug geweſen waͤ-
ren wie jetzt: ſo wuͤrde unſer gnaͤdiges Fraͤulein nicht ſo man-
ches Herzklopfen gefuͤhlt, und mich nicht durch ſo manchen
Schwindel erſchreckt haben. Und wer weis wo es herkoͤmmt,
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/133>, abgerufen am 23.11.2024.
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