Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite

erster Abschnitt.
nie gewonnen sey; doch scheinen unsre Städte und
Dörfer mehr im Schutz als auf Herrlichkeit ent-
standen zu seyn. (b)

(a) Dergleichen findet man in Griechenland und Jtalien.
Wenigstens hat dort jede Stadt ihren Ursprung gern
einer erobernden Colonie, und ihren Namen einem an-
führenden Helden zugeschrieben. Dies war das dortige
Costume, nach welchem unsre griechischen und lateini-
schen Gelehrten des XV und XVI Jahr-hunderts die
deutsche Geschichte mit Fabeln beluden.
(b) Es wird dieses deutlicher unten gezeiget werden, wenn
ich von den Freyen handle.
§. 5.
Die ersten Einwohner haben sich ver-
muthlich in aller Freyheit nieder-
gelassen.

Menschen welche sich solchergestalt einzeln, mit aller
Bequemlichkeit und Sicherheit anbaueten, darf man
auch wol die natürliche Vermuthung der Freyheit zu
statten kommen lassen. Wenigstens zeigt sich hier in kei-
nem einzigen Dorfe ein ursprünglicher Edelhof, mit eini-
ger Gerichtsbarkeit über dasselbe. Die Edelhöfe lie-
gen vielmehr gleich den Erben einzeln und abgesondert,
zum Theil ohne geschlossene Hofmarken, oder, wie
man solche hier nennet, Frechten, (a) Wellen, (b) Börden (c) und Aroden, (d) ohne Mühlen-Brau-
und Back-Zwang. (e) Jhre Leibeigne sind bis auf
einige sehr wenige, insgesamt Gödings-pflichtig, und
keiner jetzt ihrer Gerichtsbarkeit unterworfen. Und
ob man wol deutliche Spuren findet, es auch als

noth-
A 3

erſter Abſchnitt.
nie gewonnen ſey; doch ſcheinen unſre Staͤdte und
Doͤrfer mehr im Schutz als auf Herrlichkeit ent-
ſtanden zu ſeyn. (b)

(a) Dergleichen findet man in Griechenland und Jtalien.
Wenigſtens hat dort jede Stadt ihren Urſprung gern
einer erobernden Colonie, und ihren Namen einem an-
fuͤhrenden Helden zugeſchrieben. Dies war das dortige
Coſtume, nach welchem unſre griechiſchen und lateini-
ſchen Gelehrten des XV und XVI Jahr-hunderts die
deutſche Geſchichte mit Fabeln beluden.
(b) Es wird dieſes deutlicher unten gezeiget werden, wenn
ich von den Freyen handle.
§. 5.
Die erſten Einwohner haben ſich ver-
muthlich in aller Freyheit nieder-
gelaſſen.

Menſchen welche ſich ſolchergeſtalt einzeln, mit aller
Bequemlichkeit und Sicherheit anbaueten, darf man
auch wol die natuͤrliche Vermuthung der Freyheit zu
ſtatten kommen laſſen. Wenigſtens zeigt ſich hier in kei-
nem einzigen Dorfe ein urſpruͤnglicher Edelhof, mit eini-
ger Gerichtsbarkeit uͤber daſſelbe. Die Edelhoͤfe lie-
gen vielmehr gleich den Erben einzeln und abgeſondert,
zum Theil ohne geſchloſſene Hofmarken, oder, wie
man ſolche hier nennet, Frechten, (a) Wellen, (b) Boͤrden (c) und Aroden, (d) ohne Muͤhlen-Brau-
und Back-Zwang. (e) Jhre Leibeigne ſind bis auf
einige ſehr wenige, insgeſamt Goͤdings-pflichtig, und
keiner jetzt ihrer Gerichtsbarkeit unterworfen. Und
ob man wol deutliche Spuren findet, es auch als

noth-
A 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0035" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
nie gewonnen &#x017F;ey; doch &#x017F;cheinen un&#x017F;re Sta&#x0364;dte und<lb/>
Do&#x0364;rfer mehr im <hi rendition="#fr">Schutz</hi> als auf <hi rendition="#fr">Herrlichkeit</hi> ent-<lb/>
&#x017F;tanden zu &#x017F;eyn. <note place="end" n="(b)"/></p><lb/>
          <note place="end" n="(a)">Dergleichen findet man in Griechenland und Jtalien.<lb/>
Wenig&#x017F;tens hat dort jede Stadt ihren Ur&#x017F;prung gern<lb/>
einer erobernden Colonie, und ihren Namen einem an-<lb/>
fu&#x0364;hrenden Helden zuge&#x017F;chrieben. Dies war das dortige<lb/>
Co&#x017F;tume, nach welchem un&#x017F;re griechi&#x017F;chen und lateini-<lb/>
&#x017F;chen Gelehrten des <hi rendition="#aq">XV</hi> und <hi rendition="#aq">XVI</hi> Jahr-hunderts die<lb/>
deut&#x017F;che Ge&#x017F;chichte mit Fabeln beluden.</note><lb/>
          <note place="end" n="(b)">Es wird die&#x017F;es deutlicher unten gezeiget werden, wenn<lb/>
ich von den <hi rendition="#fr">Freyen</hi> handle.</note>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 5.<lb/><hi rendition="#b">Die er&#x017F;ten Einwohner haben &#x017F;ich ver-<lb/>
muthlich in aller Freyheit nieder-<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en.</hi></head><lb/>
          <p>Men&#x017F;chen welche &#x017F;ich &#x017F;olcherge&#x017F;talt einzeln, mit aller<lb/>
Bequemlichkeit und Sicherheit anbaueten, darf man<lb/>
auch wol die natu&#x0364;rliche Vermuthung der Freyheit zu<lb/>
&#x017F;tatten kommen la&#x017F;&#x017F;en. Wenig&#x017F;tens zeigt &#x017F;ich hier in kei-<lb/>
nem einzigen Dorfe ein ur&#x017F;pru&#x0364;nglicher Edelhof, mit eini-<lb/>
ger Gerichtsbarkeit u&#x0364;ber da&#x017F;&#x017F;elbe. Die <hi rendition="#fr">Edelho&#x0364;fe</hi> lie-<lb/>
gen vielmehr gleich den <hi rendition="#fr">Erben</hi> einzeln und abge&#x017F;ondert,<lb/>
zum Theil ohne ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Hofmarken, oder, wie<lb/>
man &#x017F;olche hier nennet, <hi rendition="#fr">Frechten, <note place="end" n="(a)"/> Wellen, <note place="end" n="(b)"/><lb/>
Bo&#x0364;rden</hi> <note place="end" n="(c)"/> und <hi rendition="#fr">Aroden,</hi> <note place="end" n="(d)"/> ohne Mu&#x0364;hlen-Brau-<lb/>
und Back-Zwang. <note place="end" n="(e)"/> Jhre Leibeigne &#x017F;ind bis auf<lb/>
einige &#x017F;ehr wenige, insge&#x017F;amt Go&#x0364;dings-pflichtig, und<lb/>
keiner jetzt ihrer Gerichtsbarkeit unterworfen. Und<lb/>
ob man wol deutliche Spuren findet, es auch als<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><fw place="bottom" type="catch">noth-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0035] erſter Abſchnitt. nie gewonnen ſey; doch ſcheinen unſre Staͤdte und Doͤrfer mehr im Schutz als auf Herrlichkeit ent- ſtanden zu ſeyn. ⁽b⁾ ⁽a⁾ Dergleichen findet man in Griechenland und Jtalien. Wenigſtens hat dort jede Stadt ihren Urſprung gern einer erobernden Colonie, und ihren Namen einem an- fuͤhrenden Helden zugeſchrieben. Dies war das dortige Coſtume, nach welchem unſre griechiſchen und lateini- ſchen Gelehrten des XV und XVI Jahr-hunderts die deutſche Geſchichte mit Fabeln beluden. ⁽b⁾ Es wird dieſes deutlicher unten gezeiget werden, wenn ich von den Freyen handle. §. 5. Die erſten Einwohner haben ſich ver- muthlich in aller Freyheit nieder- gelaſſen. Menſchen welche ſich ſolchergeſtalt einzeln, mit aller Bequemlichkeit und Sicherheit anbaueten, darf man auch wol die natuͤrliche Vermuthung der Freyheit zu ſtatten kommen laſſen. Wenigſtens zeigt ſich hier in kei- nem einzigen Dorfe ein urſpruͤnglicher Edelhof, mit eini- ger Gerichtsbarkeit uͤber daſſelbe. Die Edelhoͤfe lie- gen vielmehr gleich den Erben einzeln und abgeſondert, zum Theil ohne geſchloſſene Hofmarken, oder, wie man ſolche hier nennet, Frechten, ⁽a⁾ Wellen, ⁽b⁾ Boͤrden ⁽c⁾ und Aroden, ⁽d⁾ ohne Muͤhlen-Brau- und Back-Zwang. ⁽e⁾ Jhre Leibeigne ſind bis auf einige ſehr wenige, insgeſamt Goͤdings-pflichtig, und keiner jetzt ihrer Gerichtsbarkeit unterworfen. Und ob man wol deutliche Spuren findet, es auch als noth- A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/35
Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/35>, abgerufen am 23.11.2024.