Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite
zweyter Abschnitt.
(a) Es ist dieses der Gesichts-Punkt woraus die Landes-
Ordnungen, welche wol ehe zum Vortheil der Werbung
die Holländischen Züge ganz verboten, oder diejenigen
so dahin gehen mit besondern Steuern beleget haben,
betrachtet werden müssen. Jhro Königl. Majestät von
Preussen haben Dero, den Holländischen Staaten zu
nahe gelegne Provinzien, gegen ein gewisses Geld, von
aller Werbung befreyet.
(b) HVME in seinen Essays nimmt eine besondre göttliche
Vorsehung darin an, daß die geringen Leute sich so un-
bedachtsam verheyrathen.
(c) Daß die Fabriken dem Pflug zu viel Hände rauben ist
der Text des Marquis von Mirabeau in seinem Ami des
hommes.
Allein ohne Fabriken würde auch der Land-
mann weniger zu pflügen, zu verkaufen und zu versor-
gen haben. Jn den Zeiten, wo er keine Geldsteuren
bezahlte, und alles mit Naturalien verrichtete, konnte
es ihm gleichgültig seyn, ob ausser ihm noch mehrere
Leute vorhanden waren. Er machte sich in allen selbst
fertig. Allein seitdem der Staat Geld für Dienste und
Naturalien fordert, und eine gewisse Figur im politi-
schen System macht, hat er mehr Jnteresse an einem
guten Markt, und an der Bevölkerung, als er sich ein-
bildet. Wo das Gesinde sich mit geringem Lohn befrie-
diget, muß die Gelegenheit zum Heyrathen, und zum
Erwerb ausser Dienst sehr rar, und die Fortpflanzung
ungleich langsamer seyn. Dies kann nun zwar dem Haus-
vater der alles auf sich ziehet, sehr angenehm seyn. Al-
lein der heutige Staat würde sehr dabey leiden. Wenn
Holland uns die Zug-Leute dergestalt entzöge, daß sie ge-
gen den Winter nicht wieder zurückkämen: so wäre es
ein beständiger Verlust für uns. Jetzt aber da wir
höchstens nur 10 von 100 verlieren, gereicht es dem
Lande zum Vortheil, und da wir kein Exempel haben,
daß ein einziger Mensch aus dem Stifte, sich als Colo-
nist nach Amerika begeben hat; obgleich sehr viele eine
Reise nach Ostindien thun: so ist der Zug nach Holland
zugleich ein Mittel jenes gänzliche verlaufen der Leute
K 2
zweyter Abſchnitt.
(a) Es iſt dieſes der Geſichts-Punkt woraus die Landes-
Ordnungen, welche wol ehe zum Vortheil der Werbung
die Hollaͤndiſchen Zuͤge ganz verboten, oder diejenigen
ſo dahin gehen mit beſondern Steuern beleget haben,
betrachtet werden muͤſſen. Jhro Koͤnigl. Majeſtaͤt von
Preuſſen haben Dero, den Hollaͤndiſchen Staaten zu
nahe gelegne Provinzien, gegen ein gewiſſes Geld, von
aller Werbung befreyet.
(b) HVME in ſeinen Eſſays nimmt eine beſondre goͤttliche
Vorſehung darin an, daß die geringen Leute ſich ſo un-
bedachtſam verheyrathen.
(c) Daß die Fabriken dem Pflug zu viel Haͤnde rauben iſt
der Text des Marquis von Mirabeau in ſeinem Ami des
hommes.
Allein ohne Fabriken wuͤrde auch der Land-
mann weniger zu pfluͤgen, zu verkaufen und zu verſor-
gen haben. Jn den Zeiten, wo er keine Geldſteuren
bezahlte, und alles mit Naturalien verrichtete, konnte
es ihm gleichguͤltig ſeyn, ob auſſer ihm noch mehrere
Leute vorhanden waren. Er machte ſich in allen ſelbſt
fertig. Allein ſeitdem der Staat Geld fuͤr Dienſte und
Naturalien fordert, und eine gewiſſe Figur im politi-
ſchen Syſtem macht, hat er mehr Jntereſſe an einem
guten Markt, und an der Bevoͤlkerung, als er ſich ein-
bildet. Wo das Geſinde ſich mit geringem Lohn befrie-
diget, muß die Gelegenheit zum Heyrathen, und zum
Erwerb auſſer Dienſt ſehr rar, und die Fortpflanzung
ungleich langſamer ſeyn. Dies kann nun zwar dem Haus-
vater der alles auf ſich ziehet, ſehr angenehm ſeyn. Al-
lein der heutige Staat wuͤrde ſehr dabey leiden. Wenn
Holland uns die Zug-Leute dergeſtalt entzoͤge, daß ſie ge-
gen den Winter nicht wieder zuruͤckkaͤmen: ſo waͤre es
ein beſtaͤndiger Verluſt fuͤr uns. Jetzt aber da wir
hoͤchſtens nur 10 von 100 verlieren, gereicht es dem
Lande zum Vortheil, und da wir kein Exempel haben,
daß ein einziger Menſch aus dem Stifte, ſich als Colo-
niſt nach Amerika begeben hat; obgleich ſehr viele eine
Reiſe nach Oſtindien thun: ſo iſt der Zug nach Holland
zugleich ein Mittel jenes gaͤnzliche verlaufen der Leute
K 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0177" n="147"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">zweyter Ab&#x017F;chnitt.</hi> </fw><lb/>
          <note place="end" n="(a)">Es i&#x017F;t die&#x017F;es der Ge&#x017F;ichts-Punkt woraus die Landes-<lb/>
Ordnungen, welche wol ehe zum Vortheil der Werbung<lb/>
die Holla&#x0364;ndi&#x017F;chen Zu&#x0364;ge ganz verboten, oder diejenigen<lb/>
&#x017F;o dahin gehen mit be&#x017F;ondern Steuern beleget haben,<lb/>
betrachtet werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Jhro Ko&#x0364;nigl. Maje&#x017F;ta&#x0364;t von<lb/>
Preu&#x017F;&#x017F;en haben Dero, den Holla&#x0364;ndi&#x017F;chen Staaten zu<lb/>
nahe gelegne Provinzien, gegen ein gewi&#x017F;&#x017F;es Geld, von<lb/>
aller Werbung befreyet.</note><lb/>
          <note place="end" n="(b)"><hi rendition="#aq">HVME</hi> in &#x017F;einen <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;ays</hi> nimmt eine be&#x017F;ondre go&#x0364;ttliche<lb/>
Vor&#x017F;ehung darin an, daß die geringen Leute &#x017F;ich &#x017F;o un-<lb/>
bedacht&#x017F;am verheyrathen.</note><lb/>
          <note place="end" n="(c)">Daß die Fabriken dem Pflug zu viel Ha&#x0364;nde rauben i&#x017F;t<lb/>
der Text des Marquis von Mirabeau in &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Ami des<lb/>
hommes.</hi> Allein ohne Fabriken wu&#x0364;rde auch der Land-<lb/>
mann weniger zu pflu&#x0364;gen, zu verkaufen und zu ver&#x017F;or-<lb/>
gen haben. Jn den Zeiten, wo er keine Geld&#x017F;teuren<lb/>
bezahlte, und alles mit Naturalien verrichtete, konnte<lb/>
es ihm gleichgu&#x0364;ltig &#x017F;eyn, ob au&#x017F;&#x017F;er ihm noch mehrere<lb/>
Leute vorhanden waren. Er machte &#x017F;ich in allen &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
fertig. Allein &#x017F;eitdem der Staat Geld fu&#x0364;r Dien&#x017F;te und<lb/>
Naturalien fordert, und eine gewi&#x017F;&#x017F;e Figur im politi-<lb/>
&#x017F;chen Sy&#x017F;tem macht, hat er mehr Jntere&#x017F;&#x017F;e an einem<lb/>
guten Markt, und an der Bevo&#x0364;lkerung, als er &#x017F;ich ein-<lb/>
bildet. Wo das Ge&#x017F;inde &#x017F;ich mit geringem Lohn befrie-<lb/>
diget, muß die Gelegenheit zum Heyrathen, und zum<lb/>
Erwerb au&#x017F;&#x017F;er Dien&#x017F;t &#x017F;ehr rar, und die Fortpflanzung<lb/>
ungleich lang&#x017F;amer &#x017F;eyn. Dies kann nun zwar dem Haus-<lb/>
vater der alles auf &#x017F;ich ziehet, &#x017F;ehr angenehm &#x017F;eyn. Al-<lb/>
lein der heutige Staat wu&#x0364;rde &#x017F;ehr dabey leiden. Wenn<lb/>
Holland uns die Zug-Leute derge&#x017F;talt entzo&#x0364;ge, daß &#x017F;ie ge-<lb/>
gen den Winter nicht wieder zuru&#x0364;ckka&#x0364;men: &#x017F;o wa&#x0364;re es<lb/>
ein be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Verlu&#x017F;t fu&#x0364;r uns. Jetzt aber da wir<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;tens nur 10 von 100 verlieren, gereicht es dem<lb/>
Lande zum Vortheil, und da wir kein Exempel haben,<lb/>
daß ein einziger Men&#x017F;ch aus dem Stifte, &#x017F;ich als Colo-<lb/>
ni&#x017F;t nach Amerika begeben hat; obgleich &#x017F;ehr viele eine<lb/>
Rei&#x017F;e nach O&#x017F;tindien thun: &#x017F;o i&#x017F;t der Zug nach Holland<lb/>
zugleich ein Mittel jenes ga&#x0364;nzliche verlaufen der Leute<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 2</fw><fw place="bottom" type="catch">wel-</fw><lb/></note>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0177] zweyter Abſchnitt. ⁽a⁾ Es iſt dieſes der Geſichts-Punkt woraus die Landes- Ordnungen, welche wol ehe zum Vortheil der Werbung die Hollaͤndiſchen Zuͤge ganz verboten, oder diejenigen ſo dahin gehen mit beſondern Steuern beleget haben, betrachtet werden muͤſſen. Jhro Koͤnigl. Majeſtaͤt von Preuſſen haben Dero, den Hollaͤndiſchen Staaten zu nahe gelegne Provinzien, gegen ein gewiſſes Geld, von aller Werbung befreyet. ⁽b⁾ HVME in ſeinen Eſſays nimmt eine beſondre goͤttliche Vorſehung darin an, daß die geringen Leute ſich ſo un- bedachtſam verheyrathen. ⁽c⁾ Daß die Fabriken dem Pflug zu viel Haͤnde rauben iſt der Text des Marquis von Mirabeau in ſeinem Ami des hommes. Allein ohne Fabriken wuͤrde auch der Land- mann weniger zu pfluͤgen, zu verkaufen und zu verſor- gen haben. Jn den Zeiten, wo er keine Geldſteuren bezahlte, und alles mit Naturalien verrichtete, konnte es ihm gleichguͤltig ſeyn, ob auſſer ihm noch mehrere Leute vorhanden waren. Er machte ſich in allen ſelbſt fertig. Allein ſeitdem der Staat Geld fuͤr Dienſte und Naturalien fordert, und eine gewiſſe Figur im politi- ſchen Syſtem macht, hat er mehr Jntereſſe an einem guten Markt, und an der Bevoͤlkerung, als er ſich ein- bildet. Wo das Geſinde ſich mit geringem Lohn befrie- diget, muß die Gelegenheit zum Heyrathen, und zum Erwerb auſſer Dienſt ſehr rar, und die Fortpflanzung ungleich langſamer ſeyn. Dies kann nun zwar dem Haus- vater der alles auf ſich ziehet, ſehr angenehm ſeyn. Al- lein der heutige Staat wuͤrde ſehr dabey leiden. Wenn Holland uns die Zug-Leute dergeſtalt entzoͤge, daß ſie ge- gen den Winter nicht wieder zuruͤckkaͤmen: ſo waͤre es ein beſtaͤndiger Verluſt fuͤr uns. Jetzt aber da wir hoͤchſtens nur 10 von 100 verlieren, gereicht es dem Lande zum Vortheil, und da wir kein Exempel haben, daß ein einziger Menſch aus dem Stifte, ſich als Colo- niſt nach Amerika begeben hat; obgleich ſehr viele eine Reiſe nach Oſtindien thun: ſo iſt der Zug nach Holland zugleich ein Mittel jenes gaͤnzliche verlaufen der Leute wel- K 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/177
Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/177>, abgerufen am 23.11.2024.