auch über dich her, wie ein ergrimmter Bienen-Trupp wenn ein Feind einbrechen will! -- Ach, und was das immer ein saurer Gang war Morgens mit dem Bücherriemen nach der Stadt in's Lyceum! denn der gute Rektor lag mir besonders scharf an. Aber, kam dann der Samstag heran, der ersehnte Wochenschluß! wir sagten: im Himmel müßte es immer Samstag Abend seyn, denn selbst der Sonntag sey so lieblich nicht mehr. O ich muß den Boden wieder sehn, wo wir das Heu durchwühlten, das Garbenseil, an wel- chem wir uns schaukelten, den Teich im Hofe, wo man Fische groß zog!" "Kirch' und Kirchhof," lachte der Vater, "diese Herrlichkeiten haben Sie schon in Au- genschein genommen; zu den Glocken hinauf wird auch wohl noch der Steeg zu finden seyn." "Ei, und" warf Agnes dazwischen, "deinen alten Günstling, deinen Geschaggien hast du auch schon gehört!" Theo- bald begriff nicht gleich, was sie damit wollte, plötz- lich fiel ihm mit hellem Lachen bei, sie meine einen alten Nachtwächter, über den sie sich lustig zu machen pflegten, weil er die lezten Sylben seines Stunden- rufs auf eine eigne, besonders schön seyn sollende Manier entstellte.
So eben brachte der Bote von der Stadt die neuesten Zeitungen, die der Vater schon eine Weile zu erwarten schien, denn er sparte seinen Kaffee und die zweite Pfeife lag nur zum Anzünden parat. Höf- lich, nach seiner Art, gab er dem Sohn die Hälfte
auch über dich her, wie ein ergrimmter Bienen-Trupp wenn ein Feind einbrechen will! — Ach, und was das immer ein ſaurer Gang war Morgens mit dem Bücherriemen nach der Stadt in’s Lyceum! denn der gute Rektor lag mir beſonders ſcharf an. Aber, kam dann der Samſtag heran, der erſehnte Wochenſchluß! wir ſagten: im Himmel müßte es immer Samſtag Abend ſeyn, denn ſelbſt der Sonntag ſey ſo lieblich nicht mehr. O ich muß den Boden wieder ſehn, wo wir das Heu durchwühlten, das Garbenſeil, an wel- chem wir uns ſchaukelten, den Teich im Hofe, wo man Fiſche groß zog!“ „Kirch’ und Kirchhof,“ lachte der Vater, „dieſe Herrlichkeiten haben Sie ſchon in Au- genſchein genommen; zu den Glocken hinauf wird auch wohl noch der Steeg zu finden ſeyn.“ „Ei, und“ warf Agnes dazwiſchen, „deinen alten Günſtling, deinen Geſchaggien haſt du auch ſchon gehört!“ Theo- bald begriff nicht gleich, was ſie damit wollte, plötz- lich fiel ihm mit hellem Lachen bei, ſie meine einen alten Nachtwächter, über den ſie ſich luſtig zu machen pflegten, weil er die lezten Sylben ſeines Stunden- rufs auf eine eigne, beſonders ſchön ſeyn ſollende Manier entſtellte.
So eben brachte der Bote von der Stadt die neueſten Zeitungen, die der Vater ſchon eine Weile zu erwarten ſchien, denn er ſparte ſeinen Kaffee und die zweite Pfeife lag nur zum Anzünden parat. Höf- lich, nach ſeiner Art, gab er dem Sohn die Hälfte
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[411/0097]
auch über dich her, wie ein ergrimmter Bienen-Trupp
wenn ein Feind einbrechen will! — Ach, und was
das immer ein ſaurer Gang war Morgens mit dem
Bücherriemen nach der Stadt in’s Lyceum! denn der
gute Rektor lag mir beſonders ſcharf an. Aber, kam
dann der Samſtag heran, der erſehnte Wochenſchluß!
wir ſagten: im Himmel müßte es immer Samſtag
Abend ſeyn, denn ſelbſt der Sonntag ſey ſo lieblich
nicht mehr. O ich muß den Boden wieder ſehn, wo
wir das Heu durchwühlten, das Garbenſeil, an wel-
chem wir uns ſchaukelten, den Teich im Hofe, wo man
Fiſche groß zog!“ „Kirch’ und Kirchhof,“ lachte der
Vater, „dieſe Herrlichkeiten haben Sie ſchon in Au-
genſchein genommen; zu den Glocken hinauf wird auch
wohl noch der Steeg zu finden ſeyn.“ „Ei, und“ warf
Agnes dazwiſchen, „deinen alten Günſtling, deinen
Geſchaggien haſt du auch ſchon gehört!“ Theo-
bald begriff nicht gleich, was ſie damit wollte, plötz-
lich fiel ihm mit hellem Lachen bei, ſie meine einen
alten Nachtwächter, über den ſie ſich luſtig zu machen
pflegten, weil er die lezten Sylben ſeines Stunden-
rufs auf eine eigne, beſonders ſchön ſeyn ſollende
Manier entſtellte.
So eben brachte der Bote von der Stadt die
neueſten Zeitungen, die der Vater ſchon eine Weile
zu erwarten ſchien, denn er ſparte ſeinen Kaffee und
die zweite Pfeife lag nur zum Anzünden parat. Höf-
lich, nach ſeiner Art, gab er dem Sohn die Hälfte
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/97>, abgerufen am 22.11.2024.
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