zugedacht, die der Präsident nicht zugeben konnte, und nährte deßhalb unter der Hand die Angst der Bewoh- ner. Mit sehr vieler Laune erzählte nun Jener, auf welche Art er die Köpfe sammt und sonders zu- recht gesezt und wie er die ganze Sache niedergeschla- gen. Dieß gab sofort Veranlassung, den Glauben an Erscheinungen, in wie weit Vernunft und Erfahrung dafür und dagegen wären, mit Lebhaftigkeit zu bespre- chen. Der Maler fand es durchaus nicht wider die Natur, vielmehr vollkommen in der Ordnung, daß manche Verstorbene sich auf verschiedentliche sinnliche Weise den Lebenden zu erkennen geben sollten. Der Präsident schien dieser Meinung im Herzen weit we- niger abhold zu seyn, als er gestehen wollte; vielleicht auch war ihm nur darum zu thun, das Interesse des Gesprächs durch Widerspruch zu steigern.
"Ich will Ihnen doch," sagt er endlich, "eine kleine Geschichte mittheilen, für deren Wahrheit ich Bürge bin. Noch aber weiß ich selber nicht, für welchen von uns Beiden sie am meisten spricht.
Ich wohnte in England bei einer Verwandten, einer Wittwe ohne Kinder. Sie war mit ihrem Manne gegen den Willen Beider verheirathet worden, sie leb- ten nur wenige Monate zusammen und er starb nach einigen Jahren im Auslande. Mein Aufenthalt in London fiel eben in die Zeit, als die schöne Frau sich zum zweiten Male, und entschieden nach Neigung mit einem reichen Kaufmann aus Deutschland verlobte.
zugedacht, die der Präſident nicht zugeben konnte, und nährte deßhalb unter der Hand die Angſt der Bewoh- ner. Mit ſehr vieler Laune erzählte nun Jener, auf welche Art er die Köpfe ſammt und ſonders zu- recht geſezt und wie er die ganze Sache niedergeſchla- gen. Dieß gab ſofort Veranlaſſung, den Glauben an Erſcheinungen, in wie weit Vernunft und Erfahrung dafür und dagegen wären, mit Lebhaftigkeit zu beſpre- chen. Der Maler fand es durchaus nicht wider die Natur, vielmehr vollkommen in der Ordnung, daß manche Verſtorbene ſich auf verſchiedentliche ſinnliche Weiſe den Lebenden zu erkennen geben ſollten. Der Präſident ſchien dieſer Meinung im Herzen weit we- niger abhold zu ſeyn, als er geſtehen wollte; vielleicht auch war ihm nur darum zu thun, das Intereſſe des Geſprächs durch Widerſpruch zu ſteigern.
„Ich will Ihnen doch,“ ſagt er endlich, „eine kleine Geſchichte mittheilen, für deren Wahrheit ich Bürge bin. Noch aber weiß ich ſelber nicht, für welchen von uns Beiden ſie am meiſten ſpricht.
Ich wohnte in England bei einer Verwandten, einer Wittwe ohne Kinder. Sie war mit ihrem Manne gegen den Willen Beider verheirathet worden, ſie leb- ten nur wenige Monate zuſammen und er ſtarb nach einigen Jahren im Auslande. Mein Aufenthalt in London fiel eben in die Zeit, als die ſchöne Frau ſich zum zweiten Male, und entſchieden nach Neigung mit einem reichen Kaufmann aus Deutſchland verlobte.
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zugedacht, die der Präſident nicht zugeben konnte, und
nährte deßhalb unter der Hand die Angſt der Bewoh-
ner. Mit ſehr vieler Laune erzählte nun Jener,
auf welche Art er die Köpfe ſammt und ſonders zu-
recht geſezt und wie er die ganze Sache niedergeſchla-
gen. Dieß gab ſofort Veranlaſſung, den Glauben an
Erſcheinungen, in wie weit Vernunft und Erfahrung
dafür und dagegen wären, mit Lebhaftigkeit zu beſpre-
chen. Der Maler fand es durchaus nicht wider die
Natur, vielmehr vollkommen in der Ordnung, daß
manche Verſtorbene ſich auf verſchiedentliche ſinnliche
Weiſe den Lebenden zu erkennen geben ſollten. Der
Präſident ſchien dieſer Meinung im Herzen weit we-
niger abhold zu ſeyn, als er geſtehen wollte; vielleicht
auch war ihm nur darum zu thun, das Intereſſe des
Geſprächs durch Widerſpruch zu ſteigern.
„Ich will Ihnen doch,“ ſagt er endlich, „eine kleine
Geſchichte mittheilen, für deren Wahrheit ich Bürge
bin. Noch aber weiß ich ſelber nicht, für welchen von
uns Beiden ſie am meiſten ſpricht.
Ich wohnte in England bei einer Verwandten,
einer Wittwe ohne Kinder. Sie war mit ihrem Manne
gegen den Willen Beider verheirathet worden, ſie leb-
ten nur wenige Monate zuſammen und er ſtarb nach
einigen Jahren im Auslande. Mein Aufenthalt in
London fiel eben in die Zeit, als die ſchöne Frau ſich
zum zweiten Male, und entſchieden nach Neigung mit
einem reichen Kaufmann aus Deutſchland verlobte.
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/256>, abgerufen am 23.11.2024.
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