wollte." Alle lachten herzlich über diese Zusammen- stellung, die freilich nicht abgeschmackter hätte seyn können.
"Im Ernst aber," sagte Nannette und sprach damit wirklich ihres Herzens Meinung aus, "für Sie, bestes Fräulein, könnte ich wohl einen Sommer lang mit dem Katalogen in der Hand durch alle Kaisergär- ten suchen, eh mir endlich das begegnete, was Ihrer Person, oder weil dieß einerlei ist, Ihres Namens vollkommen würdig wäre." "So?" lachte Margot, "also bleib' ich, eben bis auf Weiteres brav Gretel im Busch! Zum Beweis aber (hier stand sie auf und trat vor ein Rondell mit blühenden Stöcken), daß ich glücklicher bin im Finden als Sie, Böse und Schöne, steck' ich Ihnen gleich diese niedliche Rose in's Haar, Agnes hingegen diese blauliche Blüthe mit dem wür- zigen Vanilleduft!"
Man gieng nun scherzend weiter und das Fräu- lein fing wieder an: "Vom guten Henni sind wir ganz abgekommen, so heißt der Blinde, eigentlich Heinrich. Weil seine vorhin genannten Talente einigermaßen zweideutig sind, so muß man ihm bei den andern desto mehr Gerechtigkeit wiederfahren las- sen. Er hat viel mechanisches Geschick und seltne musikalische Anlagen. In einer leeren Kammer des linken Schloßflügels, welche vor nicht sehr langer Zeit noch zur Hauskapelle der frühern Besitzer eingerichtet war, steht eine Orgel, die lange kein Mensch ansah.
wollte.“ Alle lachten herzlich über dieſe Zuſammen- ſtellung, die freilich nicht abgeſchmackter hätte ſeyn können.
„Im Ernſt aber,“ ſagte Nannette und ſprach damit wirklich ihres Herzens Meinung aus, „für Sie, beſtes Fräulein, könnte ich wohl einen Sommer lang mit dem Katalogen in der Hand durch alle Kaiſergär- ten ſuchen, eh mir endlich das begegnete, was Ihrer Perſon, oder weil dieß einerlei iſt, Ihres Namens vollkommen würdig wäre.“ „So?“ lachte Margot, „alſo bleib’ ich, eben bis auf Weiteres brav Gretel im Buſch! Zum Beweis aber (hier ſtand ſie auf und trat vor ein Rondell mit blühenden Stöcken), daß ich glücklicher bin im Finden als Sie, Böſe und Schöne, ſteck’ ich Ihnen gleich dieſe niedliche Roſe in’s Haar, Agnes hingegen dieſe blauliche Blüthe mit dem wür- zigen Vanilleduft!“
Man gieng nun ſcherzend weiter und das Fräu- lein fing wieder an: „Vom guten Henni ſind wir ganz abgekommen, ſo heißt der Blinde, eigentlich Heinrich. Weil ſeine vorhin genannten Talente einigermaßen zweideutig ſind, ſo muß man ihm bei den andern deſto mehr Gerechtigkeit wiederfahren laſ- ſen. Er hat viel mechaniſches Geſchick und ſeltne muſikaliſche Anlagen. In einer leeren Kammer des linken Schloßflügels, welche vor nicht ſehr langer Zeit noch zur Hauskapelle der frühern Beſitzer eingerichtet war, ſteht eine Orgel, die lange kein Menſch anſah.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0226"n="540"/>
wollte.“ Alle lachten herzlich über dieſe Zuſammen-<lb/>ſtellung, die freilich nicht abgeſchmackter hätte ſeyn<lb/>
können.</p><lb/><p>„Im Ernſt aber,“ſagte <hirendition="#g">Nannette</hi> und ſprach<lb/>
damit wirklich ihres Herzens Meinung aus, „für Sie,<lb/>
beſtes Fräulein, könnte ich wohl einen Sommer lang<lb/>
mit dem Katalogen in der Hand durch alle Kaiſergär-<lb/>
ten ſuchen, eh mir endlich das begegnete, was Ihrer<lb/>
Perſon, oder weil dieß einerlei iſt, Ihres Namens<lb/>
vollkommen würdig wäre.“„So?“ lachte <hirendition="#g">Margot</hi>,<lb/>„alſo bleib’ ich, eben bis auf Weiteres brav Gretel im<lb/>
Buſch! Zum Beweis aber (hier ſtand ſie auf und<lb/>
trat vor ein Rondell mit blühenden Stöcken), daß ich<lb/>
glücklicher bin im Finden als Sie, Böſe und Schöne,<lb/>ſteck’ ich Ihnen gleich dieſe niedliche Roſe in’s Haar,<lb/><hirendition="#g">Agnes</hi> hingegen dieſe blauliche Blüthe mit dem wür-<lb/>
zigen Vanilleduft!“</p><lb/><p>Man gieng nun ſcherzend weiter und das Fräu-<lb/>
lein fing wieder an: „Vom guten <hirendition="#g">Henni</hi>ſind wir<lb/>
ganz abgekommen, ſo heißt der Blinde, eigentlich<lb/><hirendition="#g">Heinrich</hi>. Weil ſeine vorhin genannten Talente<lb/>
einigermaßen zweideutig ſind, ſo muß man ihm bei<lb/>
den andern deſto mehr Gerechtigkeit wiederfahren laſ-<lb/>ſen. Er hat viel mechaniſches Geſchick und ſeltne<lb/>
muſikaliſche Anlagen. In einer leeren Kammer des<lb/>
linken Schloßflügels, welche vor nicht ſehr langer Zeit<lb/>
noch zur Hauskapelle der frühern Beſitzer eingerichtet<lb/>
war, ſteht eine Orgel, die lange kein Menſch anſah.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[540/0226]
wollte.“ Alle lachten herzlich über dieſe Zuſammen-
ſtellung, die freilich nicht abgeſchmackter hätte ſeyn
können.
„Im Ernſt aber,“ ſagte Nannette und ſprach
damit wirklich ihres Herzens Meinung aus, „für Sie,
beſtes Fräulein, könnte ich wohl einen Sommer lang
mit dem Katalogen in der Hand durch alle Kaiſergär-
ten ſuchen, eh mir endlich das begegnete, was Ihrer
Perſon, oder weil dieß einerlei iſt, Ihres Namens
vollkommen würdig wäre.“ „So?“ lachte Margot,
„alſo bleib’ ich, eben bis auf Weiteres brav Gretel im
Buſch! Zum Beweis aber (hier ſtand ſie auf und
trat vor ein Rondell mit blühenden Stöcken), daß ich
glücklicher bin im Finden als Sie, Böſe und Schöne,
ſteck’ ich Ihnen gleich dieſe niedliche Roſe in’s Haar,
Agnes hingegen dieſe blauliche Blüthe mit dem wür-
zigen Vanilleduft!“
Man gieng nun ſcherzend weiter und das Fräu-
lein fing wieder an: „Vom guten Henni ſind wir
ganz abgekommen, ſo heißt der Blinde, eigentlich
Heinrich. Weil ſeine vorhin genannten Talente
einigermaßen zweideutig ſind, ſo muß man ihm bei
den andern deſto mehr Gerechtigkeit wiederfahren laſ-
ſen. Er hat viel mechaniſches Geſchick und ſeltne
muſikaliſche Anlagen. In einer leeren Kammer des
linken Schloßflügels, welche vor nicht ſehr langer Zeit
noch zur Hauskapelle der frühern Beſitzer eingerichtet
war, ſteht eine Orgel, die lange kein Menſch anſah.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/226>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.