Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

auch an euren fleischernen Stötzchen sich erlustigen.
Prosit Mahlzeit, und euch ein selig Ende! Aber wir
gedenken bis dahin noch manchen Gang nach dem Ka-
puzinerkeller zu thun und bei'm Heimweg über man-
chen Stein wegzustolpern,

bis das Stelzlein bricht, juhe!
bricht, juhe!
bis das Stelzlein bricht!

So sang der Büchsenmacher mit einer Anwand-
lung von Rohheit, die ihm sonst nicht eigen war,
und von einer desperaten Lustigkeit begeistert, womit
er sich selbst, noch mehr aber dem Joseph wehe
that. -- Auf Einmal schlug Lörmer den Fuß drei-
mal so heftig auf das Tischblatt, daß alle Gläser zu-
sammenfuhren, und zugleich entstand ein helles Ge-
lächter, denn in diesem Augenblick öffnete sich die
Thür, und eine Figur trat ein, in welcher der ele-
gante Barbier Wispel keineswegs zu verkennen war.

Er schwebte einige Mal vornehm hüstelnd in der
vordern Stube auf und ab, strich sich den Titus vor
dem Spiegel und schielte im Vorübergehen nach un-
serer Gesellschaft.

"O Spahn der Menschheit!" brummte Joseph
leise in den Bart, denn Lörmer hatte den Andern
gleich Anfangs ein Zeichen gegeben, man müsse thun,
als bemerkte man Sigismund gar nicht. Dieser
ließ sich indessen mit vieler Grazie an Konrads
Tisch nieder, wo er die Freunde auf vier Schritte im

auch an euren fleiſchernen Stötzchen ſich erluſtigen.
Proſit Mahlzeit, und euch ein ſelig Ende! Aber wir
gedenken bis dahin noch manchen Gang nach dem Ka-
puzinerkeller zu thun und bei’m Heimweg über man-
chen Stein wegzuſtolpern,

bis das Stelzlein bricht, juhe!
bricht, juhe!
bis das Stelzlein bricht!

So ſang der Büchſenmacher mit einer Anwand-
lung von Rohheit, die ihm ſonſt nicht eigen war,
und von einer deſperaten Luſtigkeit begeiſtert, womit
er ſich ſelbſt, noch mehr aber dem Joſeph wehe
that. — Auf Einmal ſchlug Lörmer den Fuß drei-
mal ſo heftig auf das Tiſchblatt, daß alle Gläſer zu-
ſammenfuhren, und zugleich entſtand ein helles Ge-
lächter, denn in dieſem Augenblick öffnete ſich die
Thür, und eine Figur trat ein, in welcher der ele-
gante Barbier Wispel keineswegs zu verkennen war.

Er ſchwebte einige Mal vornehm hüſtelnd in der
vordern Stube auf und ab, ſtrich ſich den Titus vor
dem Spiegel und ſchielte im Vorübergehen nach un-
ſerer Geſellſchaft.

„O Spahn der Menſchheit!“ brummte Joſeph
leiſe in den Bart, denn Lörmer hatte den Andern
gleich Anfangs ein Zeichen gegeben, man müſſe thun,
als bemerkte man Sigismund gar nicht. Dieſer
ließ ſich indeſſen mit vieler Grazie an Konrads
Tiſch nieder, wo er die Freunde auf vier Schritte im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0179" n="493"/>
auch an euren flei&#x017F;chernen Stötzchen &#x017F;ich erlu&#x017F;tigen.<lb/>
Pro&#x017F;it Mahlzeit, und euch ein &#x017F;elig Ende! Aber wir<lb/>
gedenken bis dahin noch manchen Gang nach dem Ka-<lb/>
puzinerkeller zu thun und bei&#x2019;m Heimweg über man-<lb/>
chen Stein wegzu&#x017F;tolpern,</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>bis das Stelzlein bricht, juhe!</l><lb/>
            <l>bricht, juhe!</l><lb/>
            <l>bis das Stelzlein bricht!</l>
          </lg><lb/>
          <p>So &#x017F;ang der Büch&#x017F;enmacher mit einer Anwand-<lb/>
lung von Rohheit, die ihm &#x017F;on&#x017F;t nicht eigen war,<lb/>
und von einer de&#x017F;peraten Lu&#x017F;tigkeit begei&#x017F;tert, womit<lb/>
er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, noch mehr aber dem <hi rendition="#g">Jo&#x017F;eph</hi> wehe<lb/>
that. &#x2014; Auf Einmal &#x017F;chlug <hi rendition="#g">Lörmer</hi> den Fuß drei-<lb/>
mal &#x017F;o heftig auf das Ti&#x017F;chblatt, daß alle Glä&#x017F;er zu-<lb/>
&#x017F;ammenfuhren, und zugleich ent&#x017F;tand ein helles Ge-<lb/>
lächter, denn in die&#x017F;em Augenblick öffnete &#x017F;ich die<lb/>
Thür, und eine Figur trat ein, in welcher der ele-<lb/>
gante Barbier <hi rendition="#g">Wispel</hi> keineswegs zu verkennen war.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;chwebte einige Mal vornehm hü&#x017F;telnd in der<lb/>
vordern Stube auf und ab, &#x017F;trich &#x017F;ich den Titus vor<lb/>
dem Spiegel und &#x017F;chielte im Vorübergehen nach un-<lb/>
&#x017F;erer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</p><lb/>
          <p>&#x201E;O Spahn der Men&#x017F;chheit!&#x201C; brummte <hi rendition="#g">Jo&#x017F;eph</hi><lb/>
lei&#x017F;e in den Bart, denn <hi rendition="#g">Lörmer</hi> hatte den Andern<lb/>
gleich Anfangs ein Zeichen gegeben, man mü&#x017F;&#x017F;e thun,<lb/>
als bemerkte man <hi rendition="#g">Sigismund</hi> gar nicht. Die&#x017F;er<lb/>
ließ &#x017F;ich inde&#x017F;&#x017F;en mit vieler Grazie an <hi rendition="#g">Konrads</hi><lb/>
Ti&#x017F;ch nieder, wo er die Freunde auf vier Schritte im<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[493/0179] auch an euren fleiſchernen Stötzchen ſich erluſtigen. Proſit Mahlzeit, und euch ein ſelig Ende! Aber wir gedenken bis dahin noch manchen Gang nach dem Ka- puzinerkeller zu thun und bei’m Heimweg über man- chen Stein wegzuſtolpern, bis das Stelzlein bricht, juhe! bricht, juhe! bis das Stelzlein bricht! So ſang der Büchſenmacher mit einer Anwand- lung von Rohheit, die ihm ſonſt nicht eigen war, und von einer deſperaten Luſtigkeit begeiſtert, womit er ſich ſelbſt, noch mehr aber dem Joſeph wehe that. — Auf Einmal ſchlug Lörmer den Fuß drei- mal ſo heftig auf das Tiſchblatt, daß alle Gläſer zu- ſammenfuhren, und zugleich entſtand ein helles Ge- lächter, denn in dieſem Augenblick öffnete ſich die Thür, und eine Figur trat ein, in welcher der ele- gante Barbier Wispel keineswegs zu verkennen war. Er ſchwebte einige Mal vornehm hüſtelnd in der vordern Stube auf und ab, ſtrich ſich den Titus vor dem Spiegel und ſchielte im Vorübergehen nach un- ſerer Geſellſchaft. „O Spahn der Menſchheit!“ brummte Joſeph leiſe in den Bart, denn Lörmer hatte den Andern gleich Anfangs ein Zeichen gegeben, man müſſe thun, als bemerkte man Sigismund gar nicht. Dieſer ließ ſich indeſſen mit vieler Grazie an Konrads Tiſch nieder, wo er die Freunde auf vier Schritte im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/179
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/179>, abgerufen am 24.11.2024.