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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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"Die Skizzen, wenn ich bitten darf!" erwiderte
der Andere; "wie verhält es sich damit? Sie haben
mich sehr neugierig gemacht."

Der Baron holte frisch Athem, lächelte und be-
gann doch bald ernsthaft: "Federzeichnung, mit Wasser-
farbe ziemlich ausgeführt, nach Ihrer gewöhnlichen
Weise. Das Blatt, wovon jezt die Rede ist, hat
einen tiefen, und besonders als ich es zum zweiten
Mal bei Lichte sah, einen fast schauderhaften Ein-
druck auf mich gemacht. Es ist nichts weiter als
eine nächtliche Versammlung musikliebender Gespenster.
Man sieht einen grasigen, etwas hüglichten Wald-
platz, ringsum, bis auf Eine Seite, eingeschlossen. Jene
offene Seite rechts läßt einen Theil der tiefliegenden,
in Nebel glänzenden Ebene übersehen; dagegen erhebt
sich zur Linken im Vorgrunde eine nasse Felswand,
unter der sich ein lebhafter Quell bildet und in deren
Vertiefung eine gothisch verzierte Orgel von mäßiger
Größe gestellt ist; vor ihr auf einem bemoosten Blocke
sizt im Spiele begriffen gleich eine Hauptfigur, wäh-
rend die Uebrigen theils ruhig mit ihren Instrumen-
ten beschäftigt, theils im Ringel tanzend oder sonst
in Gruppen umher zerstreut sind. Die wunderlichen
Wesen sind meist in schleppende, zur Noth aufgeschürzte
Gewande von grauer oder sonst einer bescheidenen
Farbe gehüllt, blasse mitunter sehr angenehme Todten-
gesichter, selten etwas Grasses, noch seltener das ge-
schälte häßliche Todtenbein. Sie haben sich, um nach

„Die Skizzen, wenn ich bitten darf!“ erwiderte
der Andere; „wie verhält es ſich damit? Sie haben
mich ſehr neugierig gemacht.“

Der Baron holte friſch Athem, lächelte und be-
gann doch bald ernſthaft: „Federzeichnung, mit Waſſer-
farbe ziemlich ausgeführt, nach Ihrer gewöhnlichen
Weiſe. Das Blatt, wovon jezt die Rede iſt, hat
einen tiefen, und beſonders als ich es zum zweiten
Mal bei Lichte ſah, einen faſt ſchauderhaften Ein-
druck auf mich gemacht. Es iſt nichts weiter als
eine nächtliche Verſammlung muſikliebender Geſpenſter.
Man ſieht einen graſigen, etwas hüglichten Wald-
platz, ringsum, bis auf Eine Seite, eingeſchloſſen. Jene
offene Seite rechts läßt einen Theil der tiefliegenden,
in Nebel glänzenden Ebene überſehen; dagegen erhebt
ſich zur Linken im Vorgrunde eine naſſe Felswand,
unter der ſich ein lebhafter Quell bildet und in deren
Vertiefung eine gothiſch verzierte Orgel von mäßiger
Größe geſtellt iſt; vor ihr auf einem bemoosten Blocke
ſizt im Spiele begriffen gleich eine Hauptfigur, wäh-
rend die Uebrigen theils ruhig mit ihren Inſtrumen-
ten beſchäftigt, theils im Ringel tanzend oder ſonſt
in Gruppen umher zerſtreut ſind. Die wunderlichen
Weſen ſind meiſt in ſchleppende, zur Noth aufgeſchürzte
Gewande von grauer oder ſonſt einer beſcheidenen
Farbe gehüllt, blaſſe mitunter ſehr angenehme Todten-
geſichter, ſelten etwas Graſſes, noch ſeltener das ge-
ſchälte häßliche Todtenbein. Sie haben ſich, um nach

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[9/0017] „Die Skizzen, wenn ich bitten darf!“ erwiderte der Andere; „wie verhält es ſich damit? Sie haben mich ſehr neugierig gemacht.“ Der Baron holte friſch Athem, lächelte und be- gann doch bald ernſthaft: „Federzeichnung, mit Waſſer- farbe ziemlich ausgeführt, nach Ihrer gewöhnlichen Weiſe. Das Blatt, wovon jezt die Rede iſt, hat einen tiefen, und beſonders als ich es zum zweiten Mal bei Lichte ſah, einen faſt ſchauderhaften Ein- druck auf mich gemacht. Es iſt nichts weiter als eine nächtliche Verſammlung muſikliebender Geſpenſter. Man ſieht einen graſigen, etwas hüglichten Wald- platz, ringsum, bis auf Eine Seite, eingeſchloſſen. Jene offene Seite rechts läßt einen Theil der tiefliegenden, in Nebel glänzenden Ebene überſehen; dagegen erhebt ſich zur Linken im Vorgrunde eine naſſe Felswand, unter der ſich ein lebhafter Quell bildet und in deren Vertiefung eine gothiſch verzierte Orgel von mäßiger Größe geſtellt iſt; vor ihr auf einem bemoosten Blocke ſizt im Spiele begriffen gleich eine Hauptfigur, wäh- rend die Uebrigen theils ruhig mit ihren Inſtrumen- ten beſchäftigt, theils im Ringel tanzend oder ſonſt in Gruppen umher zerſtreut ſind. Die wunderlichen Weſen ſind meiſt in ſchleppende, zur Noth aufgeſchürzte Gewande von grauer oder ſonſt einer beſcheidenen Farbe gehüllt, blaſſe mitunter ſehr angenehme Todten- geſichter, ſelten etwas Graſſes, noch ſeltener das ge- ſchälte häßliche Todtenbein. Sie haben ſich, um nach

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/17>, abgerufen am 23.11.2024.