Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.
Mich dünkt, die wen'gen Worte sättigen rings Die irdische Luft mit Weylas Veilchenhauch. Kollmer. Ergründest du der Worte Sinn, o Herr? König. Ein König, ist er nicht ein Priester auch? Still, meine heil'ge Seele kräuselt sich, Dem Meere gleich, bevor der Sturm erscheint, Und wie ein Seher möcht' ich Wunder künden, So rege wird der Geist in mir. -- Freilich, zu trüb, zu trüb ist noch mein Aug' -- Ha, Sklave, schaff' das Buch! mein lieber Sklave! Kollmer. Beschreib' es mir erst besser. König. Nur Geduld. Ich sah es nie und kein gemeiner Mensch. Von Priesterhand verzeichnet steht darin, Was Götter einst Geweihten offenbarten, Zukünft'ger Dinge Wachsthum und Verknüpfung; Auch wie der Knoten meines armen Daseyns Dereinst entwirrt soll werden, deutet es. (Laß mich vollenden, weil die Rede fließt -- Im Tempel Nidru-Haddin hütete Die weise Schlange solches Heiligthum, Bis daß die große Zeit erfüllet war, Und alle Menschen starben; sieh, da nahm
Mich dünkt, die wen’gen Worte ſättigen rings Die irdiſche Luft mit Weylas Veilchenhauch. Kollmer. Ergründeſt du der Worte Sinn, o Herr? König. Ein König, iſt er nicht ein Prieſter auch? Still, meine heil’ge Seele kräuſelt ſich, Dem Meere gleich, bevor der Sturm erſcheint, Und wie ein Seher möcht’ ich Wunder künden, So rege wird der Geiſt in mir. — Freilich, zu trüb, zu trüb iſt noch mein Aug’ — Ha, Sklave, ſchaff’ das Buch! mein lieber Sklave! Kollmer. Beſchreib’ es mir erſt beſſer. König. Nur Geduld. Ich ſah es nie und kein gemeiner Menſch. Von Prieſterhand verzeichnet ſteht darin, Was Götter einſt Geweihten offenbarten, Zukünft’ger Dinge Wachsthum und Verknüpfung; Auch wie der Knoten meines armen Daſeyns Dereinſt entwirrt ſoll werden, deutet es. (Laß mich vollenden, weil die Rede fließt — Im Tempel Nidru-Haddin hütete Die weiſe Schlange ſolches Heiligthum, Bis daß die große Zeit erfüllet war, Und alle Menſchen ſtarben; ſieh, da nahm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#koe"> <p><pb facs="#f0168" n="160"/> Mich dünkt, die wen’gen Worte ſättigen rings<lb/> Die irdiſche Luft mit Weylas Veilchenhauch.</p> </sp><lb/> <sp who="#koll"> <speaker><hi rendition="#g">Kollmer</hi>.</speaker><lb/> <p>Ergründeſt du der Worte Sinn, o Herr?</p> </sp><lb/> <sp who="#koe"> <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/> <p>Ein König, iſt er nicht ein Prieſter auch?<lb/> Still, meine heil’ge Seele kräuſelt ſich,<lb/> Dem Meere gleich, bevor der Sturm erſcheint,<lb/> Und wie ein Seher möcht’ ich Wunder künden,<lb/> So rege wird der Geiſt in mir.<lb/> — Freilich, zu trüb, zu trüb iſt noch mein Aug’ —<lb/> Ha, Sklave, ſchaff’ das Buch! mein lieber Sklave!</p> </sp><lb/> <sp who="#koll"> <speaker><hi rendition="#g">Kollmer</hi>.</speaker><lb/> <p>Beſchreib’ es mir erſt beſſer.</p> </sp><lb/> <sp who="#koe"> <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/> <p>Nur Geduld.<lb/> Ich ſah es nie und kein gemeiner Menſch.<lb/> Von Prieſterhand verzeichnet ſteht darin,<lb/> Was Götter einſt Geweihten offenbarten,<lb/> Zukünft’ger Dinge Wachsthum und Verknüpfung;<lb/> Auch wie der Knoten meines armen Daſeyns<lb/> Dereinſt entwirrt ſoll werden, deutet es.<lb/> (Laß mich vollenden, weil die Rede fließt —<lb/> Im Tempel Nidru-Haddin hütete<lb/> Die weiſe Schlange ſolches Heiligthum,<lb/> Bis daß die große Zeit erfüllet war,<lb/> Und alle Menſchen ſtarben; ſieh, da nahm<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [160/0168]
Mich dünkt, die wen’gen Worte ſättigen rings
Die irdiſche Luft mit Weylas Veilchenhauch.
Kollmer.
Ergründeſt du der Worte Sinn, o Herr?
König.
Ein König, iſt er nicht ein Prieſter auch?
Still, meine heil’ge Seele kräuſelt ſich,
Dem Meere gleich, bevor der Sturm erſcheint,
Und wie ein Seher möcht’ ich Wunder künden,
So rege wird der Geiſt in mir.
— Freilich, zu trüb, zu trüb iſt noch mein Aug’ —
Ha, Sklave, ſchaff’ das Buch! mein lieber Sklave!
Kollmer.
Beſchreib’ es mir erſt beſſer.
König.
Nur Geduld.
Ich ſah es nie und kein gemeiner Menſch.
Von Prieſterhand verzeichnet ſteht darin,
Was Götter einſt Geweihten offenbarten,
Zukünft’ger Dinge Wachsthum und Verknüpfung;
Auch wie der Knoten meines armen Daſeyns
Dereinſt entwirrt ſoll werden, deutet es.
(Laß mich vollenden, weil die Rede fließt —
Im Tempel Nidru-Haddin hütete
Die weiſe Schlange ſolches Heiligthum,
Bis daß die große Zeit erfüllet war,
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/168>, abgerufen am 22.07.2024. |