Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

wahrlich, theuerster, unbegreiflicher Freund, das ist Ih-
nen gelungen." Hier schüttelte der feurige Redner den
stummen Hörer kräftig bei den Schultern, schmunzelte
und sah ihm nahezu unter die Augen.

"Ich bin wahrhaftig," begann der Andere ganz ruhig,
aber lächelnd, "um den Ausdruck verlegen, Ihnen meine
Verwunderung über Ihre Worte zu bezeugen, wovon ich
das Mindeste nicht verstehe. Weder kann ich mich zu je-
nem Gemälde zu jenen Zeichnungen bekennen, noch
überhaupt fass' ich Ihre Worte. Das Ganze scheint
ein Streich von Zarlin zu seyn, den er uns wohl
hätte ersparen mögen. Wie stehen wir einander nun
seltsam beschämt gegenüber! Sie sind gezwungen, ein
mir nicht gebührendes Lob zurück zu nehmen, und der
Tadel, den Sie vergnügt schon auf die alte Rechnung
sezten, bleibt wo er hingehört. Das muß uns aber ja
nicht geniren, Baron, wir bleiben, hoff' ich, die besten
Freunde. Geben Sie mir aber doch, ich bitte Sie,
einen deutlichen Begriff von den bewußten Stücken.
Setzen Sie sich!"

Jaßfeld hatte diese Rede bis zur Hälfte mit
offen stehendem Munde, beinahe ohne Athemzug an-
gehört, während der andern Hälfte trippelte er im
Zickzack durch den Saal, stand nun plötzlich still und
sagte: "Der Teufelskerl von Zarlin! Wenn ja der
-- aber es ist impossibel, ich behaupte trotz allen himm-
lischen Heerschaaren, Sie sind der Maler, kein Anderer;
auch läßt sich nicht annehmen, daß es etwa nur zum

wahrlich, theuerſter, unbegreiflicher Freund, das iſt Ih-
nen gelungen.“ Hier ſchüttelte der feurige Redner den
ſtummen Hörer kräftig bei den Schultern, ſchmunzelte
und ſah ihm nahezu unter die Augen.

„Ich bin wahrhaftig,“ begann der Andere ganz ruhig,
aber lächelnd, „um den Ausdruck verlegen, Ihnen meine
Verwunderung über Ihre Worte zu bezeugen, wovon ich
das Mindeſte nicht verſtehe. Weder kann ich mich zu je-
nem Gemälde zu jenen Zeichnungen bekennen, noch
überhaupt faſſ’ ich Ihre Worte. Das Ganze ſcheint
ein Streich von Zarlin zu ſeyn, den er uns wohl
hätte erſparen mögen. Wie ſtehen wir einander nun
ſeltſam beſchämt gegenüber! Sie ſind gezwungen, ein
mir nicht gebührendes Lob zurück zu nehmen, und der
Tadel, den Sie vergnügt ſchon auf die alte Rechnung
ſezten, bleibt wo er hingehört. Das muß uns aber ja
nicht geniren, Baron, wir bleiben, hoff’ ich, die beſten
Freunde. Geben Sie mir aber doch, ich bitte Sie,
einen deutlichen Begriff von den bewußten Stücken.
Setzen Sie ſich!“

Jaßfeld hatte dieſe Rede bis zur Hälfte mit
offen ſtehendem Munde, beinahe ohne Athemzug an-
gehört, während der andern Hälfte trippelte er im
Zickzack durch den Saal, ſtand nun plötzlich ſtill und
ſagte: „Der Teufelskerl von Zarlin! Wenn ja der
— aber es iſt impoſſibel, ich behaupte trotz allen himm-
liſchen Heerſchaaren, Sie ſind der Maler, kein Anderer;
auch läßt ſich nicht annehmen, daß es etwa nur zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0014" n="6"/>
wahrlich, theuer&#x017F;ter, unbegreiflicher Freund, das i&#x017F;t Ih-<lb/>
nen gelungen.&#x201C; Hier &#x017F;chüttelte der feurige Redner den<lb/>
&#x017F;tummen Hörer kräftig bei den Schultern, &#x017F;chmunzelte<lb/>
und &#x017F;ah ihm nahezu unter die Augen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich bin wahrhaftig,&#x201C; begann der Andere ganz ruhig,<lb/>
aber lächelnd, &#x201E;um den Ausdruck verlegen, Ihnen meine<lb/>
Verwunderung über Ihre Worte zu bezeugen, wovon ich<lb/>
das Minde&#x017F;te nicht ver&#x017F;tehe. Weder kann ich mich zu je-<lb/>
nem Gemälde zu jenen Zeichnungen bekennen, noch<lb/>
überhaupt fa&#x017F;&#x017F;&#x2019; ich Ihre Worte. Das Ganze &#x017F;cheint<lb/>
ein Streich von <hi rendition="#g">Zarlin</hi> zu &#x017F;eyn, den er uns wohl<lb/>
hätte er&#x017F;paren mögen. Wie &#x017F;tehen wir einander nun<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;am be&#x017F;chämt gegenüber! Sie &#x017F;ind gezwungen, ein<lb/>
mir nicht gebührendes Lob zurück zu nehmen, und der<lb/>
Tadel, den Sie vergnügt &#x017F;chon auf die alte Rechnung<lb/>
&#x017F;ezten, bleibt wo er hingehört. Das muß uns aber ja<lb/>
nicht geniren, Baron, wir bleiben, hoff&#x2019; ich, die be&#x017F;ten<lb/>
Freunde. Geben Sie mir aber doch, ich bitte Sie,<lb/>
einen deutlichen Begriff von den bewußten Stücken.<lb/>
Setzen Sie &#x017F;ich!&#x201C;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jaßfeld</hi> hatte die&#x017F;e Rede bis zur Hälfte mit<lb/>
offen &#x017F;tehendem Munde, beinahe ohne Athemzug an-<lb/>
gehört, während der andern Hälfte trippelte er im<lb/>
Zickzack durch den Saal, &#x017F;tand nun plötzlich &#x017F;till und<lb/>
&#x017F;agte: &#x201E;Der Teufelskerl von <hi rendition="#g">Zarlin</hi>! Wenn ja der<lb/>
&#x2014; aber es i&#x017F;t impo&#x017F;&#x017F;ibel, ich behaupte trotz allen himm-<lb/>
li&#x017F;chen Heer&#x017F;chaaren, Sie &#x017F;ind der Maler, kein Anderer;<lb/>
auch läßt &#x017F;ich nicht annehmen, daß es etwa nur zum<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0014] wahrlich, theuerſter, unbegreiflicher Freund, das iſt Ih- nen gelungen.“ Hier ſchüttelte der feurige Redner den ſtummen Hörer kräftig bei den Schultern, ſchmunzelte und ſah ihm nahezu unter die Augen. „Ich bin wahrhaftig,“ begann der Andere ganz ruhig, aber lächelnd, „um den Ausdruck verlegen, Ihnen meine Verwunderung über Ihre Worte zu bezeugen, wovon ich das Mindeſte nicht verſtehe. Weder kann ich mich zu je- nem Gemälde zu jenen Zeichnungen bekennen, noch überhaupt faſſ’ ich Ihre Worte. Das Ganze ſcheint ein Streich von Zarlin zu ſeyn, den er uns wohl hätte erſparen mögen. Wie ſtehen wir einander nun ſeltſam beſchämt gegenüber! Sie ſind gezwungen, ein mir nicht gebührendes Lob zurück zu nehmen, und der Tadel, den Sie vergnügt ſchon auf die alte Rechnung ſezten, bleibt wo er hingehört. Das muß uns aber ja nicht geniren, Baron, wir bleiben, hoff’ ich, die beſten Freunde. Geben Sie mir aber doch, ich bitte Sie, einen deutlichen Begriff von den bewußten Stücken. Setzen Sie ſich!“ Jaßfeld hatte dieſe Rede bis zur Hälfte mit offen ſtehendem Munde, beinahe ohne Athemzug an- gehört, während der andern Hälfte trippelte er im Zickzack durch den Saal, ſtand nun plötzlich ſtill und ſagte: „Der Teufelskerl von Zarlin! Wenn ja der — aber es iſt impoſſibel, ich behaupte trotz allen himm- liſchen Heerſchaaren, Sie ſind der Maler, kein Anderer; auch läßt ſich nicht annehmen, daß es etwa nur zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/14
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/14>, abgerufen am 03.12.2024.