Lauheit zuschrieb, wogegen kein anderes Heilmittel sey als die Zeit, von der er denn auch mit größter Zuversicht das Beste hoffte, wenn nur sein Freund, erst anderwärts durch leichten Schaden klug geworden, die Ansicht mit ihm theilen gelernt hätte, daß die ver- feinertsten Reize der weiblichen Welt keinen Ersatz für ein so seltenes Gut gewähren, als jenes einfache Mädchen nach der Ueberzeugung des Schauspielers war.
Wenn also zwischen beiden Freunden die Sache nur sehr wenig berührt wurde, so fehlte es gleich- wohl nicht an Auftritten wie der, dessen sich der Le- ser vielleicht noch von jener Neujahrsnacht erinnert, wo übrigens unser Maler von einer offenen Darle- gung der Umstände nur noch durch die Furcht abge- halten ward, der Schauspieler möchte ihm in's Ge- wissen reden, und das zur höchsten Unzeit, da ihm in Constanzen ein neues herrliches Gestirn aufging.
Länger als gewöhnlich entbehrte Theobald die Gelegenheit, das Zarlin'sche Haus zu besuchen. Der Graf und Constanze hatten eine längst vorgehabte Reise zu einer Verwandten ausgeführt. Zwölf Tage verstrichen ihm unter leeren Zerstreuungen, unter der peinlichsten Unruhe, denn frühe genug hatten sich ver- schiedene Zweifel über das hohe Glück bei ihm einge- stellt, das er sich vielleicht zu voreilig aus dem son-
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Lauheit zuſchrieb, wogegen kein anderes Heilmittel ſey als die Zeit, von der er denn auch mit größter Zuverſicht das Beſte hoffte, wenn nur ſein Freund, erſt anderwärts durch leichten Schaden klug geworden, die Anſicht mit ihm theilen gelernt hätte, daß die ver- feinertſten Reize der weiblichen Welt keinen Erſatz für ein ſo ſeltenes Gut gewähren, als jenes einfache Mädchen nach der Ueberzeugung des Schauſpielers war.
Wenn alſo zwiſchen beiden Freunden die Sache nur ſehr wenig berührt wurde, ſo fehlte es gleich- wohl nicht an Auftritten wie der, deſſen ſich der Le- ſer vielleicht noch von jener Neujahrsnacht erinnert, wo übrigens unſer Maler von einer offenen Darle- gung der Umſtände nur noch durch die Furcht abge- halten ward, der Schauſpieler möchte ihm in’s Ge- wiſſen reden, und das zur höchſten Unzeit, da ihm in Conſtanzen ein neues herrliches Geſtirn aufging.
Länger als gewöhnlich entbehrte Theobald die Gelegenheit, das Zarlin’ſche Haus zu beſuchen. Der Graf und Conſtanze hatten eine längſt vorgehabte Reiſe zu einer Verwandten ausgeführt. Zwölf Tage verſtrichen ihm unter leeren Zerſtreuungen, unter der peinlichſten Unruhe, denn frühe genug hatten ſich ver- ſchiedene Zweifel über das hohe Glück bei ihm einge- ſtellt, das er ſich vielleicht zu voreilig aus dem ſon-
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Lauheit zuſchrieb, wogegen kein anderes Heilmittel
ſey als die Zeit, von der er denn auch mit größter
Zuverſicht das Beſte hoffte, wenn nur ſein Freund,
erſt anderwärts durch leichten Schaden klug geworden, die
Anſicht mit ihm theilen gelernt hätte, daß die ver-
feinertſten Reize der weiblichen Welt keinen Erſatz
für ein ſo ſeltenes Gut gewähren, als jenes einfache
Mädchen nach der Ueberzeugung des Schauſpielers
war.
Wenn alſo zwiſchen beiden Freunden die Sache
nur ſehr wenig berührt wurde, ſo fehlte es gleich-
wohl nicht an Auftritten wie der, deſſen ſich der Le-
ſer vielleicht noch von jener Neujahrsnacht erinnert,
wo übrigens unſer Maler von einer offenen Darle-
gung der Umſtände nur noch durch die Furcht abge-
halten ward, der Schauſpieler möchte ihm in’s Ge-
wiſſen reden, und das zur höchſten Unzeit, da ihm in
Conſtanzen ein neues herrliches Geſtirn aufging.
Länger als gewöhnlich entbehrte Theobald die
Gelegenheit, das Zarlin’ſche Haus zu beſuchen. Der
Graf und Conſtanze hatten eine längſt vorgehabte
Reiſe zu einer Verwandten ausgeführt. Zwölf Tage
verſtrichen ihm unter leeren Zerſtreuungen, unter der
peinlichſten Unruhe, denn frühe genug hatten ſich ver-
ſchiedene Zweifel über das hohe Glück bei ihm einge-
ſtellt, das er ſich vielleicht zu voreilig aus dem ſon-
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/105>, abgerufen am 29.11.2024.
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