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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Franziska, deren froher Mutterwitz schon zu verschiedenen malen bald durch den Hauswirth, bald durch Mozart in Bewegung gesetzt worden war, lief jetzt geschwinde, wie von ungefähr an etwas erinnert, hinweg und kam zurück mit einem braunen englischen Kupferstich größten Formats, welcher wenig beachtet in einem ganz entfernten Cabinet unter Glas und Rahmen hing.

Es muß doch wahr sein, was ich immer hörte, rief sie aus. indem sie das Bild am Ende der Tafel ausstellte, daß sich unter der Sonne nichts Neues begiebt! Hier eine Scene aus dem goldenen Weltalter -- und haben wir sie nicht erst heute erlebt? Ich hoffe doch, Apollo werde sich in dieser Situation erkennen.

Vortrefflich! triumphirte Max, da hätten wir ihn ja, den schönen Gott, wie er sich just gedankenvoll über den heiligen Quell hinbeugt. Und damit nicht genug -- dort, seht nur, einen alten Satyr hinten im Gebüsch, der ihn belauscht! Man möchte darauf schwören, Apoll besinnt sich eben auf ein lange vergessenes arkadisches Tänzchen, das ihn in seiner Kindheit der alte Chiron zu der Cither lehrte.

So ist's! nicht anders! applaudirte Franziska, die hinter Mozart stand. Und, fuhr sie gegen diesen fort, bemerken Sie auch wohl den fruchtbeschwerten Ast, der sich zum Gott herunter senkt?

Ganz recht; es ist der ihm geweihte Oelbaum.

Keineswegs! die schönsten Apfelsinen sind's!

Franziska, deren froher Mutterwitz schon zu verschiedenen malen bald durch den Hauswirth, bald durch Mozart in Bewegung gesetzt worden war, lief jetzt geschwinde, wie von ungefähr an etwas erinnert, hinweg und kam zurück mit einem braunen englischen Kupferstich größten Formats, welcher wenig beachtet in einem ganz entfernten Cabinet unter Glas und Rahmen hing.

Es muß doch wahr sein, was ich immer hörte, rief sie aus. indem sie das Bild am Ende der Tafel ausstellte, daß sich unter der Sonne nichts Neues begiebt! Hier eine Scene aus dem goldenen Weltalter — und haben wir sie nicht erst heute erlebt? Ich hoffe doch, Apollo werde sich in dieser Situation erkennen.

Vortrefflich! triumphirte Max, da hätten wir ihn ja, den schönen Gott, wie er sich just gedankenvoll über den heiligen Quell hinbeugt. Und damit nicht genug — dort, seht nur, einen alten Satyr hinten im Gebüsch, der ihn belauscht! Man möchte darauf schwören, Apoll besinnt sich eben auf ein lange vergessenes arkadisches Tänzchen, das ihn in seiner Kindheit der alte Chiron zu der Cither lehrte.

So ist's! nicht anders! applaudirte Franziska, die hinter Mozart stand. Und, fuhr sie gegen diesen fort, bemerken Sie auch wohl den fruchtbeschwerten Ast, der sich zum Gott herunter senkt?

Ganz recht; es ist der ihm geweihte Oelbaum.

Keineswegs! die schönsten Apfelsinen sind's!

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[0063] Franziska, deren froher Mutterwitz schon zu verschiedenen malen bald durch den Hauswirth, bald durch Mozart in Bewegung gesetzt worden war, lief jetzt geschwinde, wie von ungefähr an etwas erinnert, hinweg und kam zurück mit einem braunen englischen Kupferstich größten Formats, welcher wenig beachtet in einem ganz entfernten Cabinet unter Glas und Rahmen hing. Es muß doch wahr sein, was ich immer hörte, rief sie aus. indem sie das Bild am Ende der Tafel ausstellte, daß sich unter der Sonne nichts Neues begiebt! Hier eine Scene aus dem goldenen Weltalter — und haben wir sie nicht erst heute erlebt? Ich hoffe doch, Apollo werde sich in dieser Situation erkennen. Vortrefflich! triumphirte Max, da hätten wir ihn ja, den schönen Gott, wie er sich just gedankenvoll über den heiligen Quell hinbeugt. Und damit nicht genug — dort, seht nur, einen alten Satyr hinten im Gebüsch, der ihn belauscht! Man möchte darauf schwören, Apoll besinnt sich eben auf ein lange vergessenes arkadisches Tänzchen, das ihn in seiner Kindheit der alte Chiron zu der Cither lehrte. So ist's! nicht anders! applaudirte Franziska, die hinter Mozart stand. Und, fuhr sie gegen diesen fort, bemerken Sie auch wohl den fruchtbeschwerten Ast, der sich zum Gott herunter senkt? Ganz recht; es ist der ihm geweihte Oelbaum. Keineswegs! die schönsten Apfelsinen sind's!

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:56:24Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:56:24Z)

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/63>, abgerufen am 03.05.2024.