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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ihren Liebhabern das eigene Schiff besteigen. -- Hiemit war die Komödie beendigt.

Mir däucht, so flüsterte Eugenie mit leuchtenden Augen dem Baron in einer Pause zu, worin sich Jedermann beifällig über das eben Gehörte aussprach, wir haben hier eine gemalte Symphonie von Anfang bis zu Ende gehabt, und ein vollkommenes Gleichniß überdieß des Mozartischen Geistes selbst in seiner ganzen Heiterkeit! Hab' ich nicht Recht? Ist nicht die ganze Anmuth Figaro's darin?

Der Bräutigam war im Begriff, ihre Bemerkung dem Componisten mitzutheilen, als dieser zu reden fortfuhr.

Es sind nun siebzehn Jahre her, daß ich Italien sah. Wer, der es einmal sah, insonderheit Neapel, denkt nicht sein Lebenlang daran, und wär' er auch, wie ich, noch halb in Kinderschuhen gesteckt! So lebhaft aber, wie heut in Ihrem Garten, war mir der letzte schöne Abend am Golf kaum jemals wieder aufgegangen. Wenn ich die Augen schloß -- ganz deutlich, klar und hell, den letzten Schleier von sich hauchend, lag die himmlische Gegend vor mir verbreitet! Meer und Gestade, Berg und Stadt, die bunte Menschenmenge an dem Ufer hin, und dann das wundersame Spiel der Bälle durcheinander! Ich glaubte wieder dieselbe Musik in den Ohren zu haben, ein ganzer Rosenkranz von fröhlichen Melodiken zog innerlich an mir vorbei, Fremdes und Eigenes, Crethi und Plethi

ihren Liebhabern das eigene Schiff besteigen. — Hiemit war die Komödie beendigt.

Mir däucht, so flüsterte Eugenie mit leuchtenden Augen dem Baron in einer Pause zu, worin sich Jedermann beifällig über das eben Gehörte aussprach, wir haben hier eine gemalte Symphonie von Anfang bis zu Ende gehabt, und ein vollkommenes Gleichniß überdieß des Mozartischen Geistes selbst in seiner ganzen Heiterkeit! Hab' ich nicht Recht? Ist nicht die ganze Anmuth Figaro's darin?

Der Bräutigam war im Begriff, ihre Bemerkung dem Componisten mitzutheilen, als dieser zu reden fortfuhr.

Es sind nun siebzehn Jahre her, daß ich Italien sah. Wer, der es einmal sah, insonderheit Neapel, denkt nicht sein Lebenlang daran, und wär' er auch, wie ich, noch halb in Kinderschuhen gesteckt! So lebhaft aber, wie heut in Ihrem Garten, war mir der letzte schöne Abend am Golf kaum jemals wieder aufgegangen. Wenn ich die Augen schloß — ganz deutlich, klar und hell, den letzten Schleier von sich hauchend, lag die himmlische Gegend vor mir verbreitet! Meer und Gestade, Berg und Stadt, die bunte Menschenmenge an dem Ufer hin, und dann das wundersame Spiel der Bälle durcheinander! Ich glaubte wieder dieselbe Musik in den Ohren zu haben, ein ganzer Rosenkranz von fröhlichen Melodiken zog innerlich an mir vorbei, Fremdes und Eigenes, Crethi und Plethi

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[0052] ihren Liebhabern das eigene Schiff besteigen. — Hiemit war die Komödie beendigt. Mir däucht, so flüsterte Eugenie mit leuchtenden Augen dem Baron in einer Pause zu, worin sich Jedermann beifällig über das eben Gehörte aussprach, wir haben hier eine gemalte Symphonie von Anfang bis zu Ende gehabt, und ein vollkommenes Gleichniß überdieß des Mozartischen Geistes selbst in seiner ganzen Heiterkeit! Hab' ich nicht Recht? Ist nicht die ganze Anmuth Figaro's darin? Der Bräutigam war im Begriff, ihre Bemerkung dem Componisten mitzutheilen, als dieser zu reden fortfuhr. Es sind nun siebzehn Jahre her, daß ich Italien sah. Wer, der es einmal sah, insonderheit Neapel, denkt nicht sein Lebenlang daran, und wär' er auch, wie ich, noch halb in Kinderschuhen gesteckt! So lebhaft aber, wie heut in Ihrem Garten, war mir der letzte schöne Abend am Golf kaum jemals wieder aufgegangen. Wenn ich die Augen schloß — ganz deutlich, klar und hell, den letzten Schleier von sich hauchend, lag die himmlische Gegend vor mir verbreitet! Meer und Gestade, Berg und Stadt, die bunte Menschenmenge an dem Ufer hin, und dann das wundersame Spiel der Bälle durcheinander! Ich glaubte wieder dieselbe Musik in den Ohren zu haben, ein ganzer Rosenkranz von fröhlichen Melodiken zog innerlich an mir vorbei, Fremdes und Eigenes, Crethi und Plethi

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:56:24Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:56:24Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/52>, abgerufen am 04.05.2024.