Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.fassung. Der Vorwurf thörichter, leichtsinniger Verschwendung lag sehr nahe; er mußte sich sogar an einen seiner schönsten Herzenszüge hängen. Kam Einer, in dringender Noth ihm eine Summe abzuborgen, sich seine Bürgschaft zu erbitten, so war meist schon darauf gerechnet, daß es sich nicht erst lang nach Pfand und Sicherheit erkundigte; dergleichen hätte ihm auch in der That so wenig als einem Kinde angestanden. Am liebsten schenkte er gleich hin, und immer mit lachender Großmuth, besonders wenn er meinte gerade Ueberfluß zu haben. Die Mittel, die ein solcher Aufwand neben dem ordentlichen Hausbedarf erheischte, standen allerdings in keinem Verhältniß mit den Einkünften. Was von Theatern und Concerten, von Verlegern und Schülern einging, zusammt der kaiserlichen Pension, genügte um so weniger, da der Geschmack des Publikums noch weit davon entfernt war, sich entschieden für Mozarts Musik zu erklären. Diese lauterste Schönheit, Fülle und Tiefe befremdete gemeinhin gegenüber der bisher beliebten, leicht faßlichen Kost. Zwar hatten sich die Wiener an Belmonte und Constanze -- Dank den populären Elementen dieses Stücks -- seiner Zeit kaum ersättigen können, hingegen that, einige Jahre später, Figaro, und sicher nicht allein durch die Intriguen des Direktors, im Wettstreit mit der lieblichen doch weit geringeren Cosa rara, einen unerwarteten, kläglichen Fall; derselbe Figaro, den gleich darauf fassung. Der Vorwurf thörichter, leichtsinniger Verschwendung lag sehr nahe; er mußte sich sogar an einen seiner schönsten Herzenszüge hängen. Kam Einer, in dringender Noth ihm eine Summe abzuborgen, sich seine Bürgschaft zu erbitten, so war meist schon darauf gerechnet, daß es sich nicht erst lang nach Pfand und Sicherheit erkundigte; dergleichen hätte ihm auch in der That so wenig als einem Kinde angestanden. Am liebsten schenkte er gleich hin, und immer mit lachender Großmuth, besonders wenn er meinte gerade Ueberfluß zu haben. Die Mittel, die ein solcher Aufwand neben dem ordentlichen Hausbedarf erheischte, standen allerdings in keinem Verhältniß mit den Einkünften. Was von Theatern und Concerten, von Verlegern und Schülern einging, zusammt der kaiserlichen Pension, genügte um so weniger, da der Geschmack des Publikums noch weit davon entfernt war, sich entschieden für Mozarts Musik zu erklären. Diese lauterste Schönheit, Fülle und Tiefe befremdete gemeinhin gegenüber der bisher beliebten, leicht faßlichen Kost. Zwar hatten sich die Wiener an Belmonte und Constanze — Dank den populären Elementen dieses Stücks — seiner Zeit kaum ersättigen können, hingegen that, einige Jahre später, Figaro, und sicher nicht allein durch die Intriguen des Direktors, im Wettstreit mit der lieblichen doch weit geringeren Cosa rara, einen unerwarteten, kläglichen Fall; derselbe Figaro, den gleich darauf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019"/> fassung. Der Vorwurf thörichter, leichtsinniger Verschwendung lag sehr nahe; er mußte sich sogar an einen seiner schönsten Herzenszüge hängen. Kam Einer, in dringender Noth ihm eine Summe abzuborgen, sich seine Bürgschaft zu erbitten, so war meist schon darauf gerechnet, daß es sich nicht erst lang nach Pfand und Sicherheit erkundigte; dergleichen hätte ihm auch in der That so wenig als einem Kinde angestanden. Am liebsten schenkte er gleich hin, und immer mit lachender Großmuth, besonders wenn er meinte gerade Ueberfluß zu haben.</p><lb/> <p>Die Mittel, die ein solcher Aufwand neben dem ordentlichen Hausbedarf erheischte, standen allerdings in keinem Verhältniß mit den Einkünften. Was von Theatern und Concerten, von Verlegern und Schülern einging, zusammt der kaiserlichen Pension, genügte um so weniger, da der Geschmack des Publikums noch weit davon entfernt war, sich entschieden für Mozarts Musik zu erklären. Diese lauterste Schönheit, Fülle und Tiefe befremdete gemeinhin gegenüber der bisher beliebten, leicht faßlichen Kost. Zwar hatten sich die Wiener an Belmonte und Constanze — Dank den populären Elementen dieses Stücks — seiner Zeit kaum ersättigen können, hingegen that, einige Jahre später, Figaro, und sicher nicht allein durch die Intriguen des Direktors, im Wettstreit mit der lieblichen doch weit geringeren Cosa rara, einen unerwarteten, kläglichen Fall; derselbe Figaro, den gleich darauf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
fassung. Der Vorwurf thörichter, leichtsinniger Verschwendung lag sehr nahe; er mußte sich sogar an einen seiner schönsten Herzenszüge hängen. Kam Einer, in dringender Noth ihm eine Summe abzuborgen, sich seine Bürgschaft zu erbitten, so war meist schon darauf gerechnet, daß es sich nicht erst lang nach Pfand und Sicherheit erkundigte; dergleichen hätte ihm auch in der That so wenig als einem Kinde angestanden. Am liebsten schenkte er gleich hin, und immer mit lachender Großmuth, besonders wenn er meinte gerade Ueberfluß zu haben.
Die Mittel, die ein solcher Aufwand neben dem ordentlichen Hausbedarf erheischte, standen allerdings in keinem Verhältniß mit den Einkünften. Was von Theatern und Concerten, von Verlegern und Schülern einging, zusammt der kaiserlichen Pension, genügte um so weniger, da der Geschmack des Publikums noch weit davon entfernt war, sich entschieden für Mozarts Musik zu erklären. Diese lauterste Schönheit, Fülle und Tiefe befremdete gemeinhin gegenüber der bisher beliebten, leicht faßlichen Kost. Zwar hatten sich die Wiener an Belmonte und Constanze — Dank den populären Elementen dieses Stücks — seiner Zeit kaum ersättigen können, hingegen that, einige Jahre später, Figaro, und sicher nicht allein durch die Intriguen des Direktors, im Wettstreit mit der lieblichen doch weit geringeren Cosa rara, einen unerwarteten, kläglichen Fall; derselbe Figaro, den gleich darauf
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/19 |
Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/19>, abgerufen am 16.02.2025. |