Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.fruchtbaren Feldern, welche hie und da die ausgedehnte Waldung unterbrachen, gemachsam hinauf und jetzt am Waldsaum angekommen. Durch wie viel Wälder, sagte Mozart, sind wir nicht heute, gestern und ehegestern schon passirt! -- Ich dachte nichts dabei, geschweige, daß mir eingefallen wäre, den Fuß hinein zu setzen. Wir steigen einmal aus da, Herzenskind, und holen von den blauen Glocken, die dort so hübsch im Schatten stehen. Deine Thiere, Schwager, mögen ein bischen verschnaufen. Indem sie sich beide erhoben, kam ein kleines Unheil an den Tag, welches dem Meister einen Zank zuzog. Durch seine Achtlosigkeit war ein Flacon mit kostbarem Riechwasser aufgegangen und hatte seinen Inhalt unvermerkt in die Kleider und Polster ergossen. Ich hätt' es denken können, klagte sie, es duftete schon lang so stark! O weh, ein volles Fläschchen ächte Rosee d'Aurore rein ausgeleert! Ich sparte sie wie Gold. -- Ei, Närrchen, gab er ihr zum Trost zurück, begreife doch, auf solche Weise ganz allein war uns dein Götter-Riechschnaps etwas nütze. Erst saß man in einem Backofen, und all dein Gesuches half nichts, bald aber schien der ganze Wagen gleichsam ausgekühlt; du schriebst es den paar Tropfen zu, die ich mir auf den Jabot goß; wir waren neu belebt, und das Gespräch floß munter fort, statt daß wir sonst die Köpfe hätten hängen lassen, wie die Hämmel auf des Fleischers fruchtbaren Feldern, welche hie und da die ausgedehnte Waldung unterbrachen, gemachsam hinauf und jetzt am Waldsaum angekommen. Durch wie viel Wälder, sagte Mozart, sind wir nicht heute, gestern und ehegestern schon passirt! — Ich dachte nichts dabei, geschweige, daß mir eingefallen wäre, den Fuß hinein zu setzen. Wir steigen einmal aus da, Herzenskind, und holen von den blauen Glocken, die dort so hübsch im Schatten stehen. Deine Thiere, Schwager, mögen ein bischen verschnaufen. Indem sie sich beide erhoben, kam ein kleines Unheil an den Tag, welches dem Meister einen Zank zuzog. Durch seine Achtlosigkeit war ein Flacon mit kostbarem Riechwasser aufgegangen und hatte seinen Inhalt unvermerkt in die Kleider und Polster ergossen. Ich hätt' es denken können, klagte sie, es duftete schon lang so stark! O weh, ein volles Fläschchen ächte Rosée d'Aurore rein ausgeleert! Ich sparte sie wie Gold. — Ei, Närrchen, gab er ihr zum Trost zurück, begreife doch, auf solche Weise ganz allein war uns dein Götter-Riechschnaps etwas nütze. Erst saß man in einem Backofen, und all dein Gesuches half nichts, bald aber schien der ganze Wagen gleichsam ausgekühlt; du schriebst es den paar Tropfen zu, die ich mir auf den Jabot goß; wir waren neu belebt, und das Gespräch floß munter fort, statt daß wir sonst die Köpfe hätten hängen lassen, wie die Hämmel auf des Fleischers <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010"/> fruchtbaren Feldern, welche hie und da die ausgedehnte Waldung unterbrachen, gemachsam hinauf und jetzt am Waldsaum angekommen.</p><lb/> <p>Durch wie viel Wälder, sagte Mozart, sind wir nicht heute, gestern und ehegestern schon passirt! — Ich dachte nichts dabei, geschweige, daß mir eingefallen wäre, den Fuß hinein zu setzen. Wir steigen einmal aus da, Herzenskind, und holen von den blauen Glocken, die dort so hübsch im Schatten stehen. Deine Thiere, Schwager, mögen ein bischen verschnaufen.</p><lb/> <p>Indem sie sich beide erhoben, kam ein kleines Unheil an den Tag, welches dem Meister einen Zank zuzog. Durch seine Achtlosigkeit war ein Flacon mit kostbarem Riechwasser aufgegangen und hatte seinen Inhalt unvermerkt in die Kleider und Polster ergossen. Ich hätt' es denken können, klagte sie, es duftete schon lang so stark! O weh, ein volles Fläschchen ächte Rosée d'Aurore rein ausgeleert! Ich sparte sie wie Gold. — Ei, Närrchen, gab er ihr zum Trost zurück, begreife doch, auf solche Weise ganz allein war uns dein Götter-Riechschnaps etwas nütze. Erst saß man in einem Backofen, und all dein Gesuches half nichts, bald aber schien der ganze Wagen gleichsam ausgekühlt; du schriebst es den paar Tropfen zu, die ich mir auf den Jabot goß; wir waren neu belebt, und das Gespräch floß munter fort, statt daß wir sonst die Köpfe hätten hängen lassen, wie die Hämmel auf des Fleischers<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
fruchtbaren Feldern, welche hie und da die ausgedehnte Waldung unterbrachen, gemachsam hinauf und jetzt am Waldsaum angekommen.
Durch wie viel Wälder, sagte Mozart, sind wir nicht heute, gestern und ehegestern schon passirt! — Ich dachte nichts dabei, geschweige, daß mir eingefallen wäre, den Fuß hinein zu setzen. Wir steigen einmal aus da, Herzenskind, und holen von den blauen Glocken, die dort so hübsch im Schatten stehen. Deine Thiere, Schwager, mögen ein bischen verschnaufen.
Indem sie sich beide erhoben, kam ein kleines Unheil an den Tag, welches dem Meister einen Zank zuzog. Durch seine Achtlosigkeit war ein Flacon mit kostbarem Riechwasser aufgegangen und hatte seinen Inhalt unvermerkt in die Kleider und Polster ergossen. Ich hätt' es denken können, klagte sie, es duftete schon lang so stark! O weh, ein volles Fläschchen ächte Rosée d'Aurore rein ausgeleert! Ich sparte sie wie Gold. — Ei, Närrchen, gab er ihr zum Trost zurück, begreife doch, auf solche Weise ganz allein war uns dein Götter-Riechschnaps etwas nütze. Erst saß man in einem Backofen, und all dein Gesuches half nichts, bald aber schien der ganze Wagen gleichsam ausgekühlt; du schriebst es den paar Tropfen zu, die ich mir auf den Jabot goß; wir waren neu belebt, und das Gespräch floß munter fort, statt daß wir sonst die Köpfe hätten hängen lassen, wie die Hämmel auf des Fleischers
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/10>, abgerufen am 16.07.2024. |