Eröffnung sie ihn nach alter Gewohnheit so lange wie möglich verschonte. Ihre Baarschaft war ehestens alle, und keine Aussicht auf baldige Einnahme da. Ohne Ahnung von dieser häuslichen Extremität war gleich¬ wohl sein Herz auf eine Art beklommen, die mit jenem verlegenen, hülflosen Zustand eine gewisse Aehn¬ lichkeit hatte. Er mochte nicht essen, er konnte nicht bleiben. Geschwind zog er sich vollends an, um nur aus der Stickluft des Hauses zu kommen. Auf einem offenen Zettel hinterließ er ein paar Zeilen italienisch: "Du hast mir's redlich eingetränkt, und geschieht mir schon recht. Sey aber wieder gut, ich bitte dich, und lache wieder, bis ich heim komme. Mir ist zu Muth, als möcht' ich ein Carthäuser und Trappiste werden, ein rechter Heulochs, sag' ich dir!" -- Sofort nahm er den Hut, nicht aber auch den Stock zugleich; der hatte seine Epoche passirt.
Haben wir Frau Constanze bis hieher in der Erzählung abgelöst, so können wir auch wohl noch eine kleine Strecke weiter fortfahren.
Von seiner Wohnung, bei der Schranne, rechts gegen das Zeughaus einbiegend, schlenderte der theure Mann -- es war ein warmer, etwas umwölkter Sommernachmittag -- nachdenklich lässig über den
Eröffnung ſie ihn nach alter Gewohnheit ſo lange wie möglich verſchonte. Ihre Baarſchaft war eheſtens alle, und keine Ausſicht auf baldige Einnahme da. Ohne Ahnung von dieſer häuslichen Extremität war gleich¬ wohl ſein Herz auf eine Art beklommen, die mit jenem verlegenen, hülfloſen Zuſtand eine gewiſſe Aehn¬ lichkeit hatte. Er mochte nicht eſſen, er konnte nicht bleiben. Geſchwind zog er ſich vollends an, um nur aus der Stickluft des Hauſes zu kommen. Auf einem offenen Zettel hinterließ er ein paar Zeilen italieniſch: „Du haſt mir's redlich eingetränkt, und geſchieht mir ſchon recht. Sey aber wieder gut, ich bitte dich, und lache wieder, bis ich heim komme. Mir iſt zu Muth, als möcht' ich ein Carthäuſer und Trappiſte werden, ein rechter Heulochs, ſag' ich dir!“ — Sofort nahm er den Hut, nicht aber auch den Stock zugleich; der hatte ſeine Epoche paſſirt.
Haben wir Frau Conſtanze bis hieher in der Erzählung abgelöſt, ſo können wir auch wohl noch eine kleine Strecke weiter fortfahren.
Von ſeiner Wohnung, bei der Schranne, rechts gegen das Zeughaus einbiegend, ſchlenderte der theure Mann — es war ein warmer, etwas umwölkter Sommernachmittag — nachdenklich läſſig über den
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0092"n="80"/>
Eröffnung ſie ihn nach alter Gewohnheit ſo lange wie<lb/>
möglich verſchonte. Ihre Baarſchaft war eheſtens alle,<lb/>
und keine Ausſicht auf baldige Einnahme da. Ohne<lb/>
Ahnung von dieſer häuslichen Extremität war gleich¬<lb/>
wohl ſein Herz auf eine Art beklommen, die mit<lb/>
jenem verlegenen, hülfloſen Zuſtand eine gewiſſe Aehn¬<lb/>
lichkeit hatte. Er mochte nicht eſſen, er konnte nicht<lb/>
bleiben. Geſchwind zog er ſich vollends an, um nur<lb/>
aus der Stickluft des Hauſes zu kommen. Auf einem<lb/>
offenen Zettel hinterließ er ein paar Zeilen italieniſch:<lb/>„Du haſt mir's redlich eingetränkt, und geſchieht mir<lb/>ſchon recht. Sey aber wieder gut, ich bitte dich, und<lb/>
lache wieder, bis ich heim komme. Mir iſt zu Muth,<lb/>
als möcht' ich ein Carthäuſer und Trappiſte werden,<lb/>
ein rechter Heulochs, ſag' ich dir!“— Sofort nahm<lb/>
er den Hut, nicht aber auch den Stock zugleich; der<lb/>
hatte ſeine Epoche paſſirt.</p><lb/><p>Haben wir Frau Conſtanze bis hieher in der<lb/>
Erzählung abgelöſt, ſo können wir auch wohl noch<lb/>
eine kleine Strecke weiter fortfahren.</p><lb/><p>Von ſeiner Wohnung, bei der Schranne, rechts<lb/>
gegen das Zeughaus einbiegend, ſchlenderte der theure<lb/>
Mann — es war ein warmer, etwas umwölkter<lb/>
Sommernachmittag — nachdenklich läſſig über den<lb/></p></body></text></TEI>
[80/0092]
Eröffnung ſie ihn nach alter Gewohnheit ſo lange wie
möglich verſchonte. Ihre Baarſchaft war eheſtens alle,
und keine Ausſicht auf baldige Einnahme da. Ohne
Ahnung von dieſer häuslichen Extremität war gleich¬
wohl ſein Herz auf eine Art beklommen, die mit
jenem verlegenen, hülfloſen Zuſtand eine gewiſſe Aehn¬
lichkeit hatte. Er mochte nicht eſſen, er konnte nicht
bleiben. Geſchwind zog er ſich vollends an, um nur
aus der Stickluft des Hauſes zu kommen. Auf einem
offenen Zettel hinterließ er ein paar Zeilen italieniſch:
„Du haſt mir's redlich eingetränkt, und geſchieht mir
ſchon recht. Sey aber wieder gut, ich bitte dich, und
lache wieder, bis ich heim komme. Mir iſt zu Muth,
als möcht' ich ein Carthäuſer und Trappiſte werden,
ein rechter Heulochs, ſag' ich dir!“ — Sofort nahm
er den Hut, nicht aber auch den Stock zugleich; der
hatte ſeine Epoche paſſirt.
Haben wir Frau Conſtanze bis hieher in der
Erzählung abgelöſt, ſo können wir auch wohl noch
eine kleine Strecke weiter fortfahren.
Von ſeiner Wohnung, bei der Schranne, rechts
gegen das Zeughaus einbiegend, ſchlenderte der theure
Mann — es war ein warmer, etwas umwölkter
Sommernachmittag — nachdenklich läſſig über den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/92>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.