Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Componisten und ihr gesungen zu hören, und der
Oheim war glücklich, im Chor seine Stimme aber¬
mals geltend zu machen. Also erhob man sich und
eilte zum Klavier in's große Zimmer nebenan.

Ein so reines Entzücken nun auch das köstliche
Stück bei allen erregte, so führte doch sein Inhalt
selbst, mit einem raschen Uebergang, auf den Gipfel
geselliger Lust, wo die Musik an und für sich nicht
weiter in Betracht mehr kommt, und zwar gab zu¬
erst unser Freund das Signal, indem er vom Klavier
aufsprang, auf Franziska zuging und sie, während
Max bereitwilligst die Violine ergriff, zu einem Schlei¬
fer persuadirte. Der Hauswirth säumte nicht, Ma¬
dame Mozart aufzufordern. Im Nu waren alle be¬
weglichen Möbel, den Raum zu erweitern, durch ge¬
schäftige Diener entfernt. Es mußte nach und nach
ein jedes an die Tour, und Fräulein Tante nahm
es keineswegs übel, daß der galante Lieutenant sie
zu einer Menuet abholte, worin sie sich völlig ver¬
jüngte. Schließlich, als Mozart mit der Braut den
Kehraus tanzte, nahm er sein versichertes Recht auf
ihren schönen Mund in bester Form dahin.

Der Abend war herbeigekommen, die Sonne nah
am Untergehen, es wurde nun erst angenehm im

Componiſten und ihr geſungen zu hören, und der
Oheim war glücklich, im Chor ſeine Stimme aber¬
mals geltend zu machen. Alſo erhob man ſich und
eilte zum Klavier in's große Zimmer nebenan.

Ein ſo reines Entzücken nun auch das köſtliche
Stück bei allen erregte, ſo führte doch ſein Inhalt
ſelbſt, mit einem raſchen Uebergang, auf den Gipfel
geſelliger Luſt, wo die Muſik an und für ſich nicht
weiter in Betracht mehr kommt, und zwar gab zu¬
erſt unſer Freund das Signal, indem er vom Klavier
aufſprang, auf Franziska zuging und ſie, während
Max bereitwilligſt die Violine ergriff, zu einem Schlei¬
fer perſuadirte. Der Hauswirth ſäumte nicht, Ma¬
dame Mozart aufzufordern. Im Nu waren alle be¬
weglichen Möbel, den Raum zu erweitern, durch ge¬
ſchäftige Diener entfernt. Es mußte nach und nach
ein jedes an die Tour, und Fräulein Tante nahm
es keineswegs übel, daß der galante Lieutenant ſie
zu einer Menuet abholte, worin ſie ſich völlig ver¬
jüngte. Schließlich, als Mozart mit der Braut den
Kehraus tanzte, nahm er ſein verſichertes Recht auf
ihren ſchönen Mund in beſter Form dahin.

Der Abend war herbeigekommen, die Sonne nah
am Untergehen, es wurde nun erſt angenehm im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0084" n="72"/>
Componi&#x017F;ten und ihr ge&#x017F;ungen zu hören, und der<lb/>
Oheim war glücklich, im Chor &#x017F;eine Stimme aber¬<lb/>
mals geltend zu machen. Al&#x017F;o erhob man &#x017F;ich und<lb/>
eilte zum Klavier in's große Zimmer nebenan.</p><lb/>
      <p>Ein &#x017F;o reines Entzücken nun auch das kö&#x017F;tliche<lb/>
Stück bei allen erregte, &#x017F;o führte doch &#x017F;ein Inhalt<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, mit einem ra&#x017F;chen Uebergang, auf den Gipfel<lb/>
ge&#x017F;elliger Lu&#x017F;t, wo die Mu&#x017F;ik an und für &#x017F;ich nicht<lb/>
weiter in Betracht mehr kommt, und zwar gab zu¬<lb/>
er&#x017F;t un&#x017F;er Freund das Signal, indem er vom Klavier<lb/>
auf&#x017F;prang, auf Franziska zuging und &#x017F;ie, während<lb/>
Max bereitwillig&#x017F;t die Violine ergriff, zu einem Schlei¬<lb/>
fer per&#x017F;uadirte. Der Hauswirth &#x017F;äumte nicht, Ma¬<lb/>
dame Mozart aufzufordern. Im Nu waren alle be¬<lb/>
weglichen Möbel, den Raum zu erweitern, durch ge¬<lb/>
&#x017F;chäftige Diener entfernt. Es mußte nach und nach<lb/>
ein jedes an die Tour, und Fräulein Tante nahm<lb/>
es keineswegs übel, daß der galante Lieutenant &#x017F;ie<lb/>
zu einer Menuet abholte, worin &#x017F;ie &#x017F;ich völlig ver¬<lb/>
jüngte. Schließlich, als Mozart mit der Braut den<lb/>
Kehraus tanzte, nahm er &#x017F;ein ver&#x017F;ichertes Recht auf<lb/>
ihren &#x017F;chönen Mund in be&#x017F;ter Form dahin.</p><lb/>
      <p>Der Abend war herbeigekommen, die Sonne nah<lb/>
am Untergehen, es wurde nun er&#x017F;t angenehm im<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0084] Componiſten und ihr geſungen zu hören, und der Oheim war glücklich, im Chor ſeine Stimme aber¬ mals geltend zu machen. Alſo erhob man ſich und eilte zum Klavier in's große Zimmer nebenan. Ein ſo reines Entzücken nun auch das köſtliche Stück bei allen erregte, ſo führte doch ſein Inhalt ſelbſt, mit einem raſchen Uebergang, auf den Gipfel geſelliger Luſt, wo die Muſik an und für ſich nicht weiter in Betracht mehr kommt, und zwar gab zu¬ erſt unſer Freund das Signal, indem er vom Klavier aufſprang, auf Franziska zuging und ſie, während Max bereitwilligſt die Violine ergriff, zu einem Schlei¬ fer perſuadirte. Der Hauswirth ſäumte nicht, Ma¬ dame Mozart aufzufordern. Im Nu waren alle be¬ weglichen Möbel, den Raum zu erweitern, durch ge¬ ſchäftige Diener entfernt. Es mußte nach und nach ein jedes an die Tour, und Fräulein Tante nahm es keineswegs übel, daß der galante Lieutenant ſie zu einer Menuet abholte, worin ſie ſich völlig ver¬ jüngte. Schließlich, als Mozart mit der Braut den Kehraus tanzte, nahm er ſein verſichertes Recht auf ihren ſchönen Mund in beſter Form dahin. Der Abend war herbeigekommen, die Sonne nah am Untergehen, es wurde nun erſt angenehm im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/84
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/84>, abgerufen am 19.05.2024.