Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

unangesehn, was weiter an ihm ist, wenn er nur
seinen Thaler per marca bezahlt. Ein jeder ungrische
Schnurrbart vom Geniecorps ist willkommen, den der
Satan plagt, für nichts und wieder nichts General¬
baß und Contrapunct zu studiren; das übermüthigste
Comteßchen, das mich wie Meister Coquerel, den
Haarkräusler, mit einem rothen Kopf empfängt, wenn
ich einmal nicht auf den Glockenschlag bei ihr an¬
klopfe u. s. w." Und wenn er nun durch diese und
andere Berufsarbeiten, Accademien, Proben und der¬
gleichen abgemüdet, nach frischem Athem schmachtete,
war den erschlafften Nerven häufig nur in neuer
Aufregung eine scheinbare Stärkung vergönnt. Seine
Gesundheit wurde heimlich angegriffen, ein je und je
wiederkehrender Zustand von Schwermuth wurde, wo
nicht erzeugt, doch sicherlich genährt an eben diesem
Punkt, und so die Ahnung eines frühzeitigen Todes,
die ihn zuletzt auf Schritt und Tritt begleitete, un¬
vermeidlich erfüllt. Gram aller Art und Farbe, das
Gefühl der Neue nicht ausgenommen, war er als
eine herbe Würze jeder Lust auf seinen Theil ge¬
wöhnt. Doch wissen wir, auch diese Schmerzen
rannen abgeklärt und rein in jenem tiefen Quell zu¬
sammen, der aus hundert goldenen Röhren springend,

unangeſehn, was weiter an ihm iſt, wenn er nur
ſeinen Thaler per marca bezahlt. Ein jeder ungriſche
Schnurrbart vom Geniecorps iſt willkommen, den der
Satan plagt, für nichts und wieder nichts General¬
baß und Contrapunct zu ſtudiren; das übermüthigſte
Comteßchen, das mich wie Meiſter Coquerel, den
Haarkräusler, mit einem rothen Kopf empfängt, wenn
ich einmal nicht auf den Glockenſchlag bei ihr an¬
klopfe u. ſ. w.“ Und wenn er nun durch dieſe und
andere Berufsarbeiten, Accademien, Proben und der¬
gleichen abgemüdet, nach friſchem Athem ſchmachtete,
war den erſchlafften Nerven häufig nur in neuer
Aufregung eine ſcheinbare Stärkung vergönnt. Seine
Geſundheit wurde heimlich angegriffen, ein je und je
wiederkehrender Zuſtand von Schwermuth wurde, wo
nicht erzeugt, doch ſicherlich genährt an eben dieſem
Punkt, und ſo die Ahnung eines frühzeitigen Todes,
die ihn zuletzt auf Schritt und Tritt begleitete, un¬
vermeidlich erfüllt. Gram aller Art und Farbe, das
Gefühl der Neue nicht ausgenommen, war er als
eine herbe Würze jeder Luſt auf ſeinen Theil ge¬
wöhnt. Doch wiſſen wir, auch dieſe Schmerzen
rannen abgeklärt und rein in jenem tiefen Quell zu¬
ſammen, der aus hundert goldenen Röhren ſpringend,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0025" n="13"/>
unange&#x017F;ehn, was weiter an ihm i&#x017F;t, wenn er nur<lb/>
&#x017F;einen Thaler <hi rendition="#aq">per marca</hi> bezahlt. Ein jeder ungri&#x017F;che<lb/>
Schnurrbart vom Geniecorps i&#x017F;t willkommen, den der<lb/>
Satan plagt, für nichts und wieder nichts General¬<lb/>
baß und Contrapunct zu &#x017F;tudiren; das übermüthig&#x017F;te<lb/>
Comteßchen, das mich wie Mei&#x017F;ter Coquerel, den<lb/>
Haarkräusler, mit einem rothen Kopf empfängt, wenn<lb/>
ich einmal nicht auf den Glocken&#x017F;chlag bei ihr an¬<lb/>
klopfe u. &#x017F;. w.&#x201C; Und wenn er nun durch die&#x017F;e und<lb/>
andere Berufsarbeiten, Accademien, Proben und der¬<lb/>
gleichen abgemüdet, nach fri&#x017F;chem Athem &#x017F;chmachtete,<lb/>
war den er&#x017F;chlafften Nerven häufig nur in neuer<lb/>
Aufregung eine &#x017F;cheinbare Stärkung vergönnt. Seine<lb/>
Ge&#x017F;undheit wurde heimlich angegriffen, ein je und je<lb/>
wiederkehrender Zu&#x017F;tand von Schwermuth wurde, wo<lb/>
nicht erzeugt, doch &#x017F;icherlich genährt an eben die&#x017F;em<lb/>
Punkt, und &#x017F;o die Ahnung eines frühzeitigen Todes,<lb/>
die ihn zuletzt auf Schritt und Tritt begleitete, un¬<lb/>
vermeidlich erfüllt. Gram aller Art und Farbe, das<lb/>
Gefühl der Neue nicht ausgenommen, war er als<lb/>
eine herbe Würze jeder Lu&#x017F;t auf &#x017F;einen Theil ge¬<lb/>
wöhnt. Doch wi&#x017F;&#x017F;en wir, auch die&#x017F;e Schmerzen<lb/>
rannen abgeklärt und rein in jenem tiefen Quell zu¬<lb/>
&#x017F;ammen, der aus hundert goldenen Röhren &#x017F;pringend,<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0025] unangeſehn, was weiter an ihm iſt, wenn er nur ſeinen Thaler per marca bezahlt. Ein jeder ungriſche Schnurrbart vom Geniecorps iſt willkommen, den der Satan plagt, für nichts und wieder nichts General¬ baß und Contrapunct zu ſtudiren; das übermüthigſte Comteßchen, das mich wie Meiſter Coquerel, den Haarkräusler, mit einem rothen Kopf empfängt, wenn ich einmal nicht auf den Glockenſchlag bei ihr an¬ klopfe u. ſ. w.“ Und wenn er nun durch dieſe und andere Berufsarbeiten, Accademien, Proben und der¬ gleichen abgemüdet, nach friſchem Athem ſchmachtete, war den erſchlafften Nerven häufig nur in neuer Aufregung eine ſcheinbare Stärkung vergönnt. Seine Geſundheit wurde heimlich angegriffen, ein je und je wiederkehrender Zuſtand von Schwermuth wurde, wo nicht erzeugt, doch ſicherlich genährt an eben dieſem Punkt, und ſo die Ahnung eines frühzeitigen Todes, die ihn zuletzt auf Schritt und Tritt begleitete, un¬ vermeidlich erfüllt. Gram aller Art und Farbe, das Gefühl der Neue nicht ausgenommen, war er als eine herbe Würze jeder Luſt auf ſeinen Theil ge¬ wöhnt. Doch wiſſen wir, auch dieſe Schmerzen rannen abgeklärt und rein in jenem tiefen Quell zu¬ ſammen, der aus hundert goldenen Röhren ſpringend,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/25
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/25>, abgerufen am 23.11.2024.