Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Begegnung. Was doch heut Nacht ein Sturm gewesen, Bis erst der Morgen sich geregt! Wie hat der ungebetne Besen Kamin und Gassen ausgefegt! Da kommt ein Mädchen schon die Straßen, Das halb verschüchtert um sich sieht; Wie Rosen, die der Wind zerblasen, So unstet ihr Gesichtchen glüht. Ein schöner Bursch tritt ihr entgegen, Er will ihr voll Entzücken nahn: Wie sehn sich freudig und verlegen Die ungewohnten Schelme an! Er scheint zu fragen, ob das Liebchen Die Zöpfe schon zurecht gemacht, Die heute Nacht im offnen Stübchen Ein Sturm in Unordnung gebracht. Der Bursche träumt noch von den Küssen, Die ihm das süße Kind getauscht, Er steht, von Anmuth hingerissen, Derweil sie um die Ecke rauscht. Begegnung. Was doch heut Nacht ein Sturm geweſen, Bis erſt der Morgen ſich geregt! Wie hat der ungebetne Beſen Kamin und Gaſſen ausgefegt! Da kommt ein Maͤdchen ſchon die Straßen, Das halb verſchuͤchtert um ſich ſieht; Wie Roſen, die der Wind zerblaſen, So unſtet ihr Geſichtchen gluͤht. Ein ſchoͤner Burſch tritt ihr entgegen, Er will ihr voll Entzuͤcken nahn: Wie ſehn ſich freudig und verlegen Die ungewohnten Schelme an! Er ſcheint zu fragen, ob das Liebchen Die Zoͤpfe ſchon zurecht gemacht, Die heute Nacht im offnen Stuͤbchen Ein Sturm in Unordnung gebracht. Der Burſche traͤumt noch von den Kuͤſſen, Die ihm das ſuͤße Kind getauſcht, Er ſteht, von Anmuth hingeriſſen, Derweil ſie um die Ecke rauſcht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0032" n="16"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b #g">Begegnung.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Was doch heut Nacht ein Sturm geweſen,</l><lb/> <l>Bis erſt der Morgen ſich geregt!</l><lb/> <l>Wie hat der ungebetne Beſen</l><lb/> <l>Kamin und Gaſſen ausgefegt!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Da kommt ein Maͤdchen ſchon die Straßen,</l><lb/> <l>Das halb verſchuͤchtert um ſich ſieht;</l><lb/> <l>Wie Roſen, die der Wind zerblaſen,</l><lb/> <l>So unſtet ihr Geſichtchen gluͤht.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Ein ſchoͤner Burſch tritt ihr entgegen,</l><lb/> <l>Er will ihr voll Entzuͤcken nahn:</l><lb/> <l>Wie ſehn ſich freudig und verlegen</l><lb/> <l>Die ungewohnten Schelme an!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Er ſcheint zu fragen, ob das Liebchen</l><lb/> <l>Die Zoͤpfe ſchon zurecht gemacht,</l><lb/> <l>Die heute Nacht im offnen Stuͤbchen</l><lb/> <l>Ein Sturm in Unordnung gebracht.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Der Burſche traͤumt noch von den Kuͤſſen,</l><lb/> <l>Die ihm das ſuͤße Kind getauſcht,</l><lb/> <l>Er ſteht, von Anmuth hingeriſſen,</l><lb/> <l>Derweil ſie um die Ecke rauſcht.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [16/0032]
Begegnung.
Was doch heut Nacht ein Sturm geweſen,
Bis erſt der Morgen ſich geregt!
Wie hat der ungebetne Beſen
Kamin und Gaſſen ausgefegt!
Da kommt ein Maͤdchen ſchon die Straßen,
Das halb verſchuͤchtert um ſich ſieht;
Wie Roſen, die der Wind zerblaſen,
So unſtet ihr Geſichtchen gluͤht.
Ein ſchoͤner Burſch tritt ihr entgegen,
Er will ihr voll Entzuͤcken nahn:
Wie ſehn ſich freudig und verlegen
Die ungewohnten Schelme an!
Er ſcheint zu fragen, ob das Liebchen
Die Zoͤpfe ſchon zurecht gemacht,
Die heute Nacht im offnen Stuͤbchen
Ein Sturm in Unordnung gebracht.
Der Burſche traͤumt noch von den Kuͤſſen,
Die ihm das ſuͤße Kind getauſcht,
Er ſteht, von Anmuth hingeriſſen,
Derweil ſie um die Ecke rauſcht.
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