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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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Leider verstummte die Sängerin bald, ich horchte noch lange,
Doch vergebens, und so bracht' ich mein Mährchen
zum Schluß. --

Jetzo deutet das Kind und ruft: "Margrete! da kommt sie!
In dem Korbe, siehst du, bringt sie dem Vater die
Milch!"

Durch die Lücke sogleich erkannt' ich die ältere Schwester;
Von der Wiese herauf beugt nach dem Walde sie ein,
Rüstig, die bräunliche Dirne; ihr brennt auf der Wange
der Mittag,

Gern erschreckten wir sie, aber sie grüßet bereits.
"Haltet's mit, wenn Ihr mögt! es ist heiß, da mißt
man die Suppe

Und den Braten zur Noth, fett ist und kühle mein
Mahl."

Und ich sträubte mich nicht, wir folgten dem Schlage der
Holzart;

Statt des Kindes wie gern hätt' ich die Schwester
geführt!

-- Freund! du ehrest die Muse, die jene Mährchen vor Alters
Wohl zu Tausenden sang; aber nun schweiget sie längst,
Die am Winterkamin, bei der Schusterbank, oder am
Webstuhl

Dichtendem Volkswitz oft köstliche Nahrung gereicht.
Das Unmögliche war ihr Feld; leichtfertig verknüpft sie
Das Entfernteste, reicht lustig dem Blöden den Preis.
Sind drei Wünsche erlaubt: ihr Held wird das Albernste
wählen;

Ihr zu Ehren sey dir nun das Geständniß gethan,
7 *

Leider verſtummte die Saͤngerin bald, ich horchte noch lange,
Doch vergebens, und ſo bracht' ich mein Maͤhrchen
zum Schluß. —

Jetzo deutet das Kind und ruft: „Margrete! da kommt ſie!
In dem Korbe, ſiehſt du, bringt ſie dem Vater die
Milch!“

Durch die Luͤcke ſogleich erkannt' ich die aͤltere Schweſter;
Von der Wieſe herauf beugt nach dem Walde ſie ein,
Ruͤſtig, die braͤunliche Dirne; ihr brennt auf der Wange
der Mittag,

Gern erſchreckten wir ſie, aber ſie gruͤßet bereits.
„Haltet's mit, wenn Ihr moͤgt! es iſt heiß, da mißt
man die Suppe

Und den Braten zur Noth, fett iſt und kuͤhle mein
Mahl.“

Und ich ſtraͤubte mich nicht, wir folgten dem Schlage der
Holzart;

Statt des Kindes wie gern haͤtt' ich die Schweſter
gefuͤhrt!

— Freund! du ehreſt die Muſe, die jene Maͤhrchen vor Alters
Wohl zu Tauſenden ſang; aber nun ſchweiget ſie laͤngſt,
Die am Winterkamin, bei der Schuſterbank, oder am
Webſtuhl

Dichtendem Volkswitz oft koͤſtliche Nahrung gereicht.
Das Unmoͤgliche war ihr Feld; leichtfertig verknuͤpft ſie
Das Entfernteſte, reicht luſtig dem Bloͤden den Preis.
Sind drei Wuͤnſche erlaubt: ihr Held wird das Albernſte
waͤhlen;

Ihr zu Ehren ſey dir nun das Geſtaͤndniß gethan,
7 *
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[99/0115] Leider verſtummte die Saͤngerin bald, ich horchte noch lange, Doch vergebens, und ſo bracht' ich mein Maͤhrchen zum Schluß. — Jetzo deutet das Kind und ruft: „Margrete! da kommt ſie! In dem Korbe, ſiehſt du, bringt ſie dem Vater die Milch!“ Durch die Luͤcke ſogleich erkannt' ich die aͤltere Schweſter; Von der Wieſe herauf beugt nach dem Walde ſie ein, Ruͤſtig, die braͤunliche Dirne; ihr brennt auf der Wange der Mittag, Gern erſchreckten wir ſie, aber ſie gruͤßet bereits. „Haltet's mit, wenn Ihr moͤgt! es iſt heiß, da mißt man die Suppe Und den Braten zur Noth, fett iſt und kuͤhle mein Mahl.“ Und ich ſtraͤubte mich nicht, wir folgten dem Schlage der Holzart; Statt des Kindes wie gern haͤtt' ich die Schweſter gefuͤhrt! — Freund! du ehreſt die Muſe, die jene Maͤhrchen vor Alters Wohl zu Tauſenden ſang; aber nun ſchweiget ſie laͤngſt, Die am Winterkamin, bei der Schuſterbank, oder am Webſtuhl Dichtendem Volkswitz oft koͤſtliche Nahrung gereicht. Das Unmoͤgliche war ihr Feld; leichtfertig verknuͤpft ſie Das Entfernteſte, reicht luſtig dem Bloͤden den Preis. Sind drei Wuͤnſche erlaubt: ihr Held wird das Albernſte waͤhlen; Ihr zu Ehren ſey dir nun das Geſtaͤndniß gethan, 7 *

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/115>, abgerufen am 21.11.2024.