Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.tig und zu vollkommenen Menschen würden; wel- che aber dieser Stimme nicht achteten, unwissende, wozu sie in die Welt gekommen: deren Sinn und Begierden seyen thierisch und denen Thieren gleich; welches er daselbsten mit mehrerem ausführet. Da er endlich mit diesen Worten schleusst: Nisi prius o fili tuum corpus oderis, te ipsum amare non poteris. Impossibile est utrisque simul intendere, mortalibus videlicet atque divinis: Nam cum duo tantum in ordine rerum inveniantur: corpus & in- corporeum; & illud quidem mortale, hoc divinum dicatur; electione unius; omittimus alterum. - - - Arduum autem est consueta ac praesentia linquere, ad superiora potioraque converrere. Illa enim quae oculis cernimus, nimium nos delectant. Daher entstehet der Streit zwischen dem Fleisch und Geist: da das thierische sinnliche Theil dem Geiste wider- strebet. Wo aber gar kein Streit vorgehet noch empfunden wird, da ist zwischen dem Menschen und einem Thier kein grosser Unterscheid. Ein solcher ist lebendig todt, hat von denen Göttlichen Würckungen kein Gefühl noch Empfindung. Wo aber diese neue Gebuhrt im Menschen anfähet: da findet sich ein Hunger und Verlangen nach GOtt, und dessen allerheiligsten Willen zu thun: achtet sein natürliches Leben viel geringer als die Liebe GOttes und dessen Befehle. Und nach dem Maaß da dieses neue Leben wächset: vermehret sich auch die Liebe GOttes und des Nächsten in dem Men- schen, und wird dem Bilde Christi immer ähnli- cher; trit aus des Kindes-und Jünglings; und aus die-
tig und zu vollkommenen Menſchen wuͤrden; wel- che aber dieſer Stimme nicht achteten, unwiſſende, wozu ſie in die Welt gekommen: deren Sinn und Begierden ſeyen thieriſch und denen Thieren gleich; welches er daſelbſten mit mehrerem ausfuͤhret. Da er endlich mit dieſen Worten ſchleuſſt: Niſi prius o fili tuum corpus oderis, te ipſum amare non poteris. Impoſſibile eſt utrisque ſimul intendere, mortalibus videlicet atque divinis: Nam cum duo tantum in ordine rerum inveniantur: corpus & in- corporeum; & illud quidem mortale, hoc divinum dicatur; electione unius; omittimus alterum. ‒ ‒ ‒ Arduum autem eſt conſueta ac præſentia linquere, ad ſuperiora potioraque converrere. Illa enim quæ oculis cernimus, nimium nos delectant. Daher entſtehet der Streit zwiſchen dem Fleiſch und Geiſt: da das thieriſche ſinnliche Theil dem Geiſte wider- ſtrebet. Wo aber gar kein Streit vorgehet noch empfunden wird, da iſt zwiſchen dem Menſchen und einem Thier kein groſſer Unterſcheid. Ein ſolcher iſt lebendig todt, hat von denen Goͤttlichen Wuͤrckungen kein Gefuͤhl noch Empfindung. Wo aber dieſe neue Gebuhrt im Menſchen anfaͤhet: da findet ſich ein Hunger und Verlangen nach GOtt, und deſſen allerheiligſten Willen zu thun: achtet ſein natuͤrliches Leben viel geringer als die Liebe GOttes und deſſen Befehle. Und nach dem Maaß da dieſes neue Leben waͤchſet: vermehret ſich auch die Liebe GOttes und des Naͤchſten in dem Men- ſchen, und wird dem Bilde Chriſti immer aͤhnli- cher; trit aus des Kindes-und Juͤnglings; und aus die-
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welches er daſelbſten mit mehrerem ausfuͤhret. Da
er endlich mit dieſen Worten ſchleuſſt: Niſi prius
o fili tuum corpus oderis, te ipſum amare non
poteris. Impoſſibile eſt utrisque ſimul intendere,
mortalibus videlicet atque divinis: Nam cum duo
tantum in ordine rerum inveniantur: corpus & in-
corporeum; & illud quidem mortale, hoc divinum
dicatur; electione unius; omittimus alterum. ‒ ‒ ‒
Arduum autem eſt conſueta ac præſentia linquere,
ad ſuperiora potioraque converrere. Illa enim quæ
oculis cernimus, nimium nos delectant. Daher
entſtehet der Streit zwiſchen dem Fleiſch und Geiſt:
da das thieriſche ſinnliche Theil dem Geiſte wider-
ſtrebet. Wo aber gar kein Streit vorgehet noch
empfunden wird, da iſt zwiſchen dem Menſchen
und einem Thier kein groſſer Unterſcheid. Ein
ſolcher iſt lebendig todt, hat von denen Goͤttlichen
Wuͤrckungen kein Gefuͤhl noch Empfindung. Wo
aber dieſe neue Gebuhrt im Menſchen anfaͤhet: da
findet ſich ein Hunger und Verlangen nach GOtt,
und deſſen allerheiligſten Willen zu thun: achtet
ſein natuͤrliches Leben viel geringer als die Liebe
GOttes und deſſen Befehle. Und nach dem Maaß
da dieſes neue Leben waͤchſet: vermehret ſich auch
die Liebe GOttes und des Naͤchſten in dem Men-
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