Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.nun der HErr zur Begreiffung äusserlicher Gegen- würffe oder Sachen: den Menschen und auch selb- sten die Thiere die fünf Sinne gegeben hat: als zu Entscheidung der Farben u. d. g. das Gesicht; zu Entscheidung des Klanges und Thones, das Ge- hör, und so ferner. Worüber die vernünfftige Seele raisoniret, eines mit dem andern vergleichet, gegeneinander hält, urtheilet; sich entschliesset, das eine anzunehmen, das andere zu verwerffen, oder zu fliehen, u. d. g. So ist auch besonders dem Menschen zur Sehung, Hörung, Fühlung und Empfindung derer denen äusserlichen Sinnen un- empfindlichen Kräfften, ein gantz anderes höheres Principium cognoscendi, oder Krafft der Empfin- dung und Erkänntniß nöthig, wessen er sonderlich in der neuen Geburth vergewissert wird. Denn das Trachten des natürlichen irrdischen thierischen Menschen ist irrdisch und der thierischen Natur ge- mein: Das Trachten des neuen Menschen aber ist himmlisch: sehnet sich nach denen himmlischen Gü- ten, und vornehmlich den Willen des himmlischen Vaters zu thun, und in selbigem zu ruhen. Und ist dem natürlichen sinnlichen Menschen gantz ohn- möglich zu begreiffen, was des Geistes GOttes ist. Daß aber die Weltgelahrte, sonsten scharffsinnige Jdäisten, welche nur mit sinnlichen Bildern zu spielen gewohnet sind, diesen Unterscheid nicht fassen können, noch zugeben wollen: sondern alles vor fanatisch und phantastisch ausschreyen, darüber ist sich eben nicht groß zu verwundern. Denn wo man einem Blinden, oder Tauben, dem einen noch so viel F 2
nun der HErr zur Begreiffung aͤuſſerlicher Gegen- wuͤrffe oder Sachen: den Menſchen und auch ſelb- ſten die Thiere die fuͤnf Sinne gegeben hat: als zu Entſcheidung der Farben u. d. g. das Geſicht; zu Entſcheidung des Klanges und Thones, das Ge- hoͤr, und ſo ferner. Woruͤber die vernuͤnfftige Seele raiſoniret, eines mit dem andern vergleichet, gegeneinander haͤlt, urtheilet; ſich entſchlieſſet, das eine anzunehmen, das andere zu verwerffen, oder zu fliehen, u. d. g. So iſt auch beſonders dem Menſchen zur Sehung, Hoͤrung, Fuͤhlung und Empfindung derer denen aͤuſſerlichen Sinnen un- empfindlichen Kraͤfften, ein gantz anderes hoͤheres Principium cognoſcendi, oder Krafft der Empfin- dung und Erkaͤnntniß noͤthig, weſſen er ſonderlich in der neuen Geburth vergewiſſert wird. Denn das Trachten des natuͤrlichen irrdiſchen thieriſchen Menſchen iſt irrdiſch und der thieriſchen Natur ge- mein: Das Trachten des neuen Menſchen aber iſt himmliſch: ſehnet ſich nach denen himmliſchen Guͤ- ten, und vornehmlich den Willen des himmliſchen Vaters zu thun, und in ſelbigem zu ruhen. Und iſt dem natuͤrlichen ſinnlichen Menſchen gantz ohn- moͤglich zu begreiffen, was des Geiſtes GOttes iſt. Daß aber die Weltgelahrte, ſonſten ſcharffſinnige Jdaͤiſten, welche nur mit ſinnlichen Bildern zu ſpielen gewohnet ſind, dieſen Unterſcheid nicht faſſen koͤnnen, noch zugeben wollen: ſondern alles vor fanatiſch und phantaſtiſch ausſchreyen, daruͤber iſt ſich eben nicht groß zu verwundern. Denn wo man einem Blinden, oder Tauben, dem einen noch ſo viel F 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp> <p><pb facs="#f0089" n="83"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> nun der HErr zur Begreiffung aͤuſſerlicher Gegen-<lb/> wuͤrffe oder Sachen: den Menſchen und auch ſelb-<lb/> ſten die Thiere die fuͤnf Sinne gegeben hat: als<lb/> zu Entſcheidung der Farben u. d. g. das Geſicht;<lb/> zu Entſcheidung des Klanges und Thones, das Ge-<lb/> hoͤr, und ſo ferner. Woruͤber die vernuͤnfftige<lb/> Seele <hi rendition="#aq">raiſoni</hi>ret, eines mit dem andern vergleichet,<lb/> gegeneinander haͤlt, urtheilet; ſich entſchlieſſet, das<lb/> eine anzunehmen, das andere zu verwerffen, oder<lb/> zu fliehen, u. d. g. So iſt auch beſonders dem<lb/> Menſchen zur Sehung, Hoͤrung, Fuͤhlung und<lb/> Empfindung derer denen aͤuſſerlichen Sinnen un-<lb/> empfindlichen Kraͤfften, ein gantz anderes hoͤheres<lb/><hi rendition="#aq">Principium cognoſcendi,</hi> oder Krafft der Empfin-<lb/> dung und Erkaͤnntniß noͤthig, weſſen er ſonderlich<lb/> in der neuen Geburth vergewiſſert wird. Denn<lb/> das Trachten des natuͤrlichen irrdiſchen thieriſchen<lb/> Menſchen iſt irrdiſch und der thieriſchen Natur ge-<lb/> mein: Das Trachten des neuen Menſchen aber iſt<lb/> himmliſch: ſehnet ſich nach denen himmliſchen Guͤ-<lb/> ten, und vornehmlich den Willen des himmliſchen<lb/> Vaters zu thun, und in ſelbigem zu ruhen. Und<lb/> iſt dem natuͤrlichen ſinnlichen Menſchen gantz ohn-<lb/> moͤglich zu begreiffen, was des Geiſtes GOttes iſt.<lb/> Daß aber die Weltgelahrte, ſonſten ſcharffſinnige<lb/> Jdaͤiſten, welche nur mit ſinnlichen Bildern zu<lb/> ſpielen gewohnet ſind, dieſen Unterſcheid nicht faſſen<lb/> koͤnnen, noch zugeben wollen: ſondern alles vor<lb/> fanatiſch und phantaſtiſch ausſchreyen, daruͤber iſt<lb/> ſich eben nicht groß zu verwundern. Denn wo man<lb/> einem Blinden, oder Tauben, dem einen noch ſo<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">viel</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [83/0089]
nun der HErr zur Begreiffung aͤuſſerlicher Gegen-
wuͤrffe oder Sachen: den Menſchen und auch ſelb-
ſten die Thiere die fuͤnf Sinne gegeben hat: als
zu Entſcheidung der Farben u. d. g. das Geſicht;
zu Entſcheidung des Klanges und Thones, das Ge-
hoͤr, und ſo ferner. Woruͤber die vernuͤnfftige
Seele raiſoniret, eines mit dem andern vergleichet,
gegeneinander haͤlt, urtheilet; ſich entſchlieſſet, das
eine anzunehmen, das andere zu verwerffen, oder
zu fliehen, u. d. g. So iſt auch beſonders dem
Menſchen zur Sehung, Hoͤrung, Fuͤhlung und
Empfindung derer denen aͤuſſerlichen Sinnen un-
empfindlichen Kraͤfften, ein gantz anderes hoͤheres
Principium cognoſcendi, oder Krafft der Empfin-
dung und Erkaͤnntniß noͤthig, weſſen er ſonderlich
in der neuen Geburth vergewiſſert wird. Denn
das Trachten des natuͤrlichen irrdiſchen thieriſchen
Menſchen iſt irrdiſch und der thieriſchen Natur ge-
mein: Das Trachten des neuen Menſchen aber iſt
himmliſch: ſehnet ſich nach denen himmliſchen Guͤ-
ten, und vornehmlich den Willen des himmliſchen
Vaters zu thun, und in ſelbigem zu ruhen. Und
iſt dem natuͤrlichen ſinnlichen Menſchen gantz ohn-
moͤglich zu begreiffen, was des Geiſtes GOttes iſt.
Daß aber die Weltgelahrte, ſonſten ſcharffſinnige
Jdaͤiſten, welche nur mit ſinnlichen Bildern zu
ſpielen gewohnet ſind, dieſen Unterſcheid nicht faſſen
koͤnnen, noch zugeben wollen: ſondern alles vor
fanatiſch und phantaſtiſch ausſchreyen, daruͤber iſt
ſich eben nicht groß zu verwundern. Denn wo man
einem Blinden, oder Tauben, dem einen noch ſo
viel
F 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |