Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.böse als gute Engel oder Geister/ mit wunderbahren Kräfften gezeiget haben. Und da man sonsten das Zeugniß zwey oder dreyer übereinstimmender redli- licher Leute nicht schlechterdings verwirfft: so kann ein vernünfftiger Mensch das Zeugniß so vieler nicht billig in Zweiffel ziehen. Nicander. Jch gestehe dem Herrn gerne zu/ daß ich diese Dinge nicht verstehe noch begreiffe. Modestin. Mein Freund wird aber so viel leicht verstehen: daß nach dem Unterscheid des Tempera- ments; natürlichen Gemüths-Kräfften und Ga- ben alles seine gewisse Gräntzen und Schrancken habe; welche ein natürlich vernünfftiger Mensch auch einiger massen ermessen kann. Was nun den ordentlichen Lauff der Natur; und die gemeine Kräffte eines Menschen weit übertrifft; das muß ausserordentlicher Weise entweder von GOtt durch den Glauben auf ihn; oder durch Beyhülffe ande- rer verborgener unsichtbahrer Geister mitwürcken- den Kräfften herkommen. Ob solche aber gut oder böse: kann aus keinem andern Grunde als dem Un- terscheid des Guten und Bösen selbst; und aus dem Unterscheid des Lichtes und der Finsterniß/ und de- ren guten und widrigen Eigenschafften beurtheilet werden. Je mehr und stärcker einer nun in das Licht- und Liebes-Principium eindringen kann; je geschick- ter wird er auch werden/ gutes zu thun/ und das Gute vom Bösen; das Wahre vom Falschen zu entscheiden. Wozu auch nicht wenig beytragen kann: die Retirade von dem weltlichen Getümmel. Daß sich der Mensch öffters/ und so viel es die Um- stände
boͤſe als gute Engel oder Geiſter/ mit wunderbahren Kraͤfften gezeiget haben. Und da man ſonſten das Zeugniß zwey oder dreyer uͤbereinſtimmender redli- licher Leute nicht ſchlechterdings verwirfft: ſo kann ein vernuͤnfftiger Menſch das Zeugniß ſo vieler nicht billig in Zweiffel ziehen. Nicander. Jch geſtehe dem Herrn gerne zu/ daß ich dieſe Dinge nicht verſtehe noch begreiffe. Modeſtin. Mein Freund wird aber ſo viel leicht verſtehen: daß nach dem Unterſcheid des Tempera- ments; natuͤrlichen Gemuͤths-Kraͤfften und Ga- ben alles ſeine gewiſſe Graͤntzen und Schrancken habe; welche ein natuͤrlich vernuͤnfftiger Menſch auch einiger maſſen ermeſſen kann. Was nun den ordentlichen Lauff der Natur; und die gemeine Kraͤffte eines Menſchen weit uͤbertrifft; das muß auſſerordentlicher Weiſe entweder von GOtt durch den Glauben auf ihn; oder durch Beyhuͤlffe ande- rer verborgener unſichtbahrer Geiſter mitwuͤrcken- den Kraͤfften herkommen. Ob ſolche aber gut oder boͤſe: kann aus keinem andern Grunde als dem Un- terſcheid des Guten und Boͤſen ſelbſt; und aus dem Unterſcheid des Lichtes und der Finſterniß/ und de- ren guten und widrigen Eigenſchafften beurtheilet werden. Je mehr und ſtaͤrcker einer nun in das Licht- und Liebes-Principium eindringen kann; je geſchick- ter wird er auch werden/ gutes zu thun/ und das Gute vom Boͤſen; das Wahre vom Falſchen zu entſcheiden. Wozu auch nicht wenig beytragen kann: die Retirade von dem weltlichen Getuͤmmel. Daß ſich der Menſch oͤffters/ und ſo viel es die Um- ſtaͤnde
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boͤſe als gute Engel oder Geiſter/ mit wunderbahren
Kraͤfften gezeiget haben. Und da man ſonſten das
Zeugniß zwey oder dreyer uͤbereinſtimmender redli-
licher Leute nicht ſchlechterdings verwirfft: ſo kann
ein vernuͤnfftiger Menſch das Zeugniß ſo vieler nicht
billig in Zweiffel ziehen.
Nicander. Jch geſtehe dem Herrn gerne zu/ daß
ich dieſe Dinge nicht verſtehe noch begreiffe.
Modeſtin. Mein Freund wird aber ſo viel leicht
verſtehen: daß nach dem Unterſcheid des Tempera-
ments; natuͤrlichen Gemuͤths-Kraͤfften und Ga-
ben alles ſeine gewiſſe Graͤntzen und Schrancken
habe; welche ein natuͤrlich vernuͤnfftiger Menſch
auch einiger maſſen ermeſſen kann. Was nun den
ordentlichen Lauff der Natur; und die gemeine
Kraͤffte eines Menſchen weit uͤbertrifft; das muß
auſſerordentlicher Weiſe entweder von GOtt durch
den Glauben auf ihn; oder durch Beyhuͤlffe ande-
rer verborgener unſichtbahrer Geiſter mitwuͤrcken-
den Kraͤfften herkommen. Ob ſolche aber gut oder
boͤſe: kann aus keinem andern Grunde als dem Un-
terſcheid des Guten und Boͤſen ſelbſt; und aus dem
Unterſcheid des Lichtes und der Finſterniß/ und de-
ren guten und widrigen Eigenſchafften beurtheilet
werden. Je mehr und ſtaͤrcker einer nun in das Licht-
und Liebes-Principium eindringen kann; je geſchick-
ter wird er auch werden/ gutes zu thun/ und das
Gute vom Boͤſen; das Wahre vom Falſchen zu
entſcheiden. Wozu auch nicht wenig beytragen
kann: die Retirade von dem weltlichen Getuͤmmel.
Daß ſich der Menſch oͤffters/ und ſo viel es die Um-
ſtaͤnde
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