Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.wissen, und auf selbigen kein Vertrauen haben, demnach selbige auch nichts angehet. Nicander. Jch meinete der Mensch würde ge- richtet nach seinen Wercken, und nicht nach seinen Bildern und Meinungen, welche er in seinem Hirn- Kasten heget. Was dünckt aber meinen Herrn davon? Wenn er im Handel betrogen wird, ists ihm lieber wenns von einem Christen als von einem Juden oder Heyden geschicht? Jch meines Ortes, wenn ich mit jemanden zu thun oder zu contrahi- ren habe, bekümmere ich mich wenig darum, was vor einer Religion er zugethan sey: sondern sehe hauptsächlich darauf, daß es mit einem ehrlichen Biedermann geschehe, welchem ich sicher trauen könne. Jndem mich die Erfahrung gelehret: daß es unter allerley Völckern ehrliche, aber auch mit- ten unter denen Christen, listige Betrüger, Spitz- buben und dergleichen Bursche häuffig giebet. Und muß gestehen: daß so viel ich auf meinen Reisen mit mancherley Leuten zu thun gehabt, ich fast un- ter allen, die ich jemahlen kennen lernen, in Engel- land die meiste Quacker, und Holland die Meno- nisten als die redlichste; doch auch in Teutschland viele redliche Seelen angetroffen habe, welche ihrer Glaubens-Bekänntniß gemäß leben. Wiewohl ich auch etlicher Scrupulosität in indifferenten äus- serlichen Dingen, (als zum Exempel: Hut-abziehen, einen Ehren-Titul denen, die es also haben wollen, zu geben) billig verachte, und es einen Mangel eines scharffen gesunden Judicii zuschreibe. Sed in his & similibus suo quisque abundet judicio. Mo-
wiſſen, und auf ſelbigen kein Vertrauen haben, demnach ſelbige auch nichts angehet. Nicander. Jch meineté der Menſch wuͤrde ge- richtet nach ſeinen Wercken, und nicht nach ſeinen Bildern und Meinungen, welche er in ſeinem Hirn- Kaſten heget. Was duͤnckt aber meinen Herrn davon? Wenn er im Handel betrogen wird, iſts ihm lieber wenns von einem Chriſten als von einem Juden oder Heyden geſchicht? Jch meines Ortes, wenn ich mit jemanden zu thun oder zu contrahi- ren habe, bekuͤmmere ich mich wenig darum, was vor einer Religion er zugethan ſey: ſondern ſehe hauptſaͤchlich darauf, daß es mit einem ehrlichen Biedermann geſchehe, welchem ich ſicher trauen koͤnne. Jndem mich die Erfahrung gelehret: daß es unter allerley Voͤlckern ehrliche, aber auch mit- ten unter denen Chriſten, liſtige Betruͤger, Spitz- buben und dergleichen Burſche haͤuffig giebet. Und muß geſtehen: daß ſo viel ich auf meinen Reiſen mit mancherley Leuten zu thun gehabt, ich faſt un- ter allen, die ich jemahlen kennen lernen, in Engel- land die meiſte Quacker, und Holland die Meno- niſten als die redlichſte; doch auch in Teutſchland viele redliche Seelen angetroffen habe, welche ihrer Glaubens-Bekaͤnntniß gemaͤß leben. Wiewohl ich auch etlicher Scrupuloſitaͤt in indifferenten aͤuſ- ſerlichen Dingen, (als zum Exempel: Hut-abziehen, einen Ehren-Titul denen, die es alſo haben wollen, zu geben) billig verachte, und es einen Mangel eines ſcharffen geſunden Judicii zuſchreibe. Sed in his & ſimilibus ſuo quisque abundet judicio. Mo-
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wiſſen, und auf ſelbigen kein Vertrauen haben,
demnach ſelbige auch nichts angehet.
Nicander. Jch meineté der Menſch wuͤrde ge-
richtet nach ſeinen Wercken, und nicht nach ſeinen
Bildern und Meinungen, welche er in ſeinem Hirn-
Kaſten heget. Was duͤnckt aber meinen Herrn
davon? Wenn er im Handel betrogen wird, iſts
ihm lieber wenns von einem Chriſten als von einem
Juden oder Heyden geſchicht? Jch meines Ortes,
wenn ich mit jemanden zu thun oder zu contrahi-
ren habe, bekuͤmmere ich mich wenig darum, was
vor einer Religion er zugethan ſey: ſondern ſehe
hauptſaͤchlich darauf, daß es mit einem ehrlichen
Biedermann geſchehe, welchem ich ſicher trauen
koͤnne. Jndem mich die Erfahrung gelehret: daß
es unter allerley Voͤlckern ehrliche, aber auch mit-
ten unter denen Chriſten, liſtige Betruͤger, Spitz-
buben und dergleichen Burſche haͤuffig giebet. Und
muß geſtehen: daß ſo viel ich auf meinen Reiſen
mit mancherley Leuten zu thun gehabt, ich faſt un-
ter allen, die ich jemahlen kennen lernen, in Engel-
land die meiſte Quacker, und Holland die Meno-
niſten als die redlichſte; doch auch in Teutſchland
viele redliche Seelen angetroffen habe, welche ihrer
Glaubens-Bekaͤnntniß gemaͤß leben. Wiewohl
ich auch etlicher Scrupuloſitaͤt in indifferenten aͤuſ-
ſerlichen Dingen, (als zum Exempel: Hut-abziehen,
einen Ehren-Titul denen, die es alſo haben wollen,
zu geben) billig verachte, und es einen Mangel eines
ſcharffen geſunden Judicii zuſchreibe. Sed in his &
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