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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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haben, sondern auch über dieses gleiche Meinungen
(in Religions-Sachen sonderlich) hegen; doch
deucht mich dabey: daß man bey denen verschiede-
nen Begriffen und Meinungen in wahrscheinlichen
Dingen (denn bey unstreitigen Wahrheiten ist
kein Dissensus) billig einen Unterscheid zu beobach-
ten habe: Zwischen solchen Meinungen und Be-
griffen, welche pure oder nur in der Speculation und
Betrachtung des Verstandes beruhen, und in das
Leben oder Thun und Lassen des Menschen keinen
besondern Einfluß haben: und denn andern Theils
solcher Idaeen oder Concepte, nach welchen sich das
menschliche Thun und Lassen, entweder auf eine tu-
gendsame oder lasterhaffte Weise zu richten hätte.
So deucht mich könne zwischen einem NB. redli-
chen Reformirten, Lutheraner, Catholiquen u. d. g.
Philosophen gar wohl eine recht vertrauliche
Freundschafft statt haben. Als welche zu ihrem
Zweck eine Wechsels-weise Liebe, Gefälligkeit und
Gutthätigkeit hat: wozu verschiedene Bgriffe und
Meinungen in denen Religions-Geheimnissen an
und vor sich nichts thun; so fern sie in nudis spe-
culationibus ac conceptibus cerebri
beruhen. Und
halte ich meines Ortes davor, (anderer Freyheit
nichts benommen) daß ob zwar das Hirn mit dem
Hertzen in genauer Gemeinschafft und Verbindung
stehet, doch ein grosser Unterschied seye: Zwischen
guten Neigungen des Hertzens, (welche auch wohl
bey unrichtigen Begriffen des Verstandes seyn
können) und diesen Idaeen, Concepten und Bildun-
gen,


haben, ſondern auch uͤber dieſes gleiche Meinungen
(in Religions-Sachen ſonderlich) hegen; doch
deucht mich dabey: daß man bey denen verſchiede-
nen Begriffen und Meinungen in wahrſcheinlichen
Dingen (denn bey unſtreitigen Wahrheiten iſt
kein Diſſenſus) billig einen Unterſcheid zu beobach-
ten habe: Zwiſchen ſolchen Meinungen und Be-
griffen, welche pure oder nur in der Speculation und
Betrachtung des Verſtandes beruhen, und in das
Leben oder Thun und Laſſen des Menſchen keinen
beſondern Einfluß haben: und denn andern Theils
ſolcher Idæen oder Concepte, nach welchen ſich das
menſchliche Thun und Laſſen, entweder auf eine tu-
gendſame oder laſterhaffte Weiſe zu richten haͤtte.
So deucht mich koͤnne zwiſchen einem NB. redli-
chen Reformirten, Lutheraner, Catholiquen u. d. g.
Philoſophen gar wohl eine recht vertrauliche
Freundſchafft ſtatt haben. Als welche zu ihrem
Zweck eine Wechſels-weiſe Liebe, Gefaͤlligkeit und
Gutthaͤtigkeit hat: wozu verſchiedene Bgriffe und
Meinungen in denen Religions-Geheimniſſen an
und vor ſich nichts thun; ſo fern ſie in nudis ſpe-
culationibus ac conceptibus cerebri
beruhen. Und
halte ich meines Ortes davor, (anderer Freyheit
nichts benommen) daß ob zwar das Hirn mit dem
Hertzen in genauer Gemeinſchafft und Verbindung
ſtehet, doch ein groſſer Unterſchied ſeye: Zwiſchen
guten Neigungen des Hertzens, (welche auch wohl
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[148/0154] haben, ſondern auch uͤber dieſes gleiche Meinungen (in Religions-Sachen ſonderlich) hegen; doch deucht mich dabey: daß man bey denen verſchiede- nen Begriffen und Meinungen in wahrſcheinlichen Dingen (denn bey unſtreitigen Wahrheiten iſt kein Diſſenſus) billig einen Unterſcheid zu beobach- ten habe: Zwiſchen ſolchen Meinungen und Be- griffen, welche pure oder nur in der Speculation und Betrachtung des Verſtandes beruhen, und in das Leben oder Thun und Laſſen des Menſchen keinen beſondern Einfluß haben: und denn andern Theils ſolcher Idæen oder Concepte, nach welchen ſich das menſchliche Thun und Laſſen, entweder auf eine tu- gendſame oder laſterhaffte Weiſe zu richten haͤtte. So deucht mich koͤnne zwiſchen einem NB. redli- chen Reformirten, Lutheraner, Catholiquen u. d. g. Philoſophen gar wohl eine recht vertrauliche Freundſchafft ſtatt haben. Als welche zu ihrem Zweck eine Wechſels-weiſe Liebe, Gefaͤlligkeit und Gutthaͤtigkeit hat: wozu verſchiedene Bgriffe und Meinungen in denen Religions-Geheimniſſen an und vor ſich nichts thun; ſo fern ſie in nudis ſpe- culationibus ac conceptibus cerebri beruhen. Und halte ich meines Ortes davor, (anderer Freyheit nichts benommen) daß ob zwar das Hirn mit dem Hertzen in genauer Gemeinſchafft und Verbindung ſtehet, doch ein groſſer Unterſchied ſeye: Zwiſchen guten Neigungen des Hertzens, (welche auch wohl bey unrichtigen Begriffen des Verſtandes ſeyn koͤnnen) und dieſen Idæen, Concepten und Bildun- gen,

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/154>, abgerufen am 03.05.2024.