Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.

Viele Gestalten des Todes, und viele Wege, die alle
Zu der abscheulichen Höle führen; sie alle sind schrecklich,
Aber den Sinnen schrecklicher noch am dunkelen Eingang,
Als im Jnnern. Etliche werden, so wie du gesehen,
495Durch des Todes gewaltsamen Streich ihr Leben verlieren,

Durch die stürmische Fluth, durch Feuer, und Hunger, und mehr noch
Durch unmäßgen Gebrauch der Speisen und starker Getränke.
Ueber die Erde wird dieß abscheuliche Seuchen verbreiten;
Und damit du erkennst, was Evens Verbrechen für Jammer
500Ueber die Menschen gebracht: soll sich ein schrecklicher Haufen

Dieser Seuchen dir nahn. Schnell lag vor seinem Gesichte
Ein entsetzlicher Ort; schwarz, finster, schmutzig, und traurig,
Wie ein Spital. Man sah darinn viel Schaaren von Kranken,
Und jedwedes Uebel war hier; die scheuslichsten Krämpfe,
505Reckende Foltern, und herzbeschwerende Vangigkeiten;
Gicht, und Schlag; und allerley Fieber; erstickende Flüsse,

Und die fallende Sucht; Stein, Gries in den Nieren, Koliken,
Und Geschwüre; die Phrenesie, die ungezähmt tobet,
Und die schwarze Melancholey, die verzehrende Schwindsucht,
510Und der mondsüchtige Wahnwitz; die Hydropisie, der Marasmus,

Und Engbrüstigkeit, und folterndes Seitenstechen,
Und die weltverheerende Pest. Die Marter war scheuslich,
Und die Seufzer entrangen sich tief. Die Verzweifelung pflegte
Ganz geschäfftig der Kranken von Bette zu Bette. Der Tod schwang
515Ueber ihnen den Pfeil im Triumph; doch grausam verzog er,

Sie darmit zu durchbohren, so sehr sie mit Flehen und Bitten

Jhn,

Das verlohrne Paradies.

Viele Geſtalten des Todes, und viele Wege, die alle
Zu der abſcheulichen Hoͤle fuͤhren; ſie alle ſind ſchrecklich,
Aber den Sinnen ſchrecklicher noch am dunkelen Eingang,
Als im Jnnern. Etliche werden, ſo wie du geſehen,
495Durch des Todes gewaltſamen Streich ihr Leben verlieren,

Durch die ſtuͤrmiſche Fluth, durch Feuer, und Hunger, und mehr noch
Durch unmaͤßgen Gebrauch der Speiſen und ſtarker Getraͤnke.
Ueber die Erde wird dieß abſcheuliche Seuchen verbreiten;
Und damit du erkennſt, was Evens Verbrechen fuͤr Jammer
500Ueber die Menſchen gebracht: ſoll ſich ein ſchrecklicher Haufen

Dieſer Seuchen dir nahn. Schnell lag vor ſeinem Geſichte
Ein entſetzlicher Ort; ſchwarz, finſter, ſchmutzig, und traurig,
Wie ein Spital. Man ſah darinn viel Schaaren von Kranken,
Und jedwedes Uebel war hier; die ſcheuslichſten Kraͤmpfe,
505Reckende Foltern, und herzbeſchwerende Vangigkeiten;
Gicht, und Schlag; und allerley Fieber; erſtickende Fluͤſſe,

Und die fallende Sucht; Stein, Gries in den Nieren, Koliken,
Und Geſchwuͤre; die Phreneſie, die ungezaͤhmt tobet,
Und die ſchwarze Melancholey, die verzehrende Schwindſucht,
510Und der mondſuͤchtige Wahnwitz; die Hydropiſie, der Maraſmus,

Und Engbruͤſtigkeit, und folterndes Seitenſtechen,
Und die weltverheerende Peſt. Die Marter war ſcheuslich,
Und die Seufzer entrangen ſich tief. Die Verzweifelung pflegte
Ganz geſchaͤfftig der Kranken von Bette zu Bette. Der Tod ſchwang
515Ueber ihnen den Pfeil im Triumph; doch grauſam verzog er,

Sie darmit zu durchbohren, ſo ſehr ſie mit Flehen und Bitten

Jhn,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="29">
            <l>
              <pb facs="#f0220" n="196"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Viele Ge&#x017F;talten des Todes, und viele Wege, die alle</l><lb/>
            <l>Zu der ab&#x017F;cheulichen Ho&#x0364;le fu&#x0364;hren; &#x017F;ie alle &#x017F;ind &#x017F;chrecklich,</l><lb/>
            <l>Aber den Sinnen &#x017F;chrecklicher noch am dunkelen Eingang,</l><lb/>
            <l>Als im Jnnern. Etliche werden, &#x017F;o wie du ge&#x017F;ehen,<lb/><note place="left">495</note>Durch des Todes gewalt&#x017F;amen Streich ihr Leben verlieren,</l><lb/>
            <l>Durch die &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;che Fluth, durch Feuer, und Hunger, und mehr noch</l><lb/>
            <l>Durch unma&#x0364;ßgen Gebrauch der Spei&#x017F;en und &#x017F;tarker Getra&#x0364;nke.</l><lb/>
            <l>Ueber die Erde wird dieß ab&#x017F;cheuliche Seuchen verbreiten;</l><lb/>
            <l>Und damit du erkenn&#x017F;t, was <hi rendition="#fr">Evens</hi> Verbrechen fu&#x0364;r Jammer<lb/><note place="left">500</note>Ueber die Men&#x017F;chen gebracht: &#x017F;oll &#x017F;ich ein &#x017F;chrecklicher Haufen</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;er Seuchen dir nahn. Schnell lag vor &#x017F;einem Ge&#x017F;ichte</l><lb/>
            <l>Ein ent&#x017F;etzlicher Ort; &#x017F;chwarz, fin&#x017F;ter, &#x017F;chmutzig, und traurig,</l><lb/>
            <l>Wie ein Spital. Man &#x017F;ah darinn viel Schaaren von Kranken,</l><lb/>
            <l>Und jedwedes Uebel war hier; die &#x017F;cheuslich&#x017F;ten <hi rendition="#fr">Kra&#x0364;mpfe,</hi><lb/><note place="left">505</note>Reckende Foltern, und herzbe&#x017F;chwerende Vangigkeiten;<lb/><hi rendition="#fr">Gicht,</hi> und <hi rendition="#fr">Schlag;</hi> und allerley <hi rendition="#fr">Fieber;</hi> er&#x017F;tickende <hi rendition="#fr">Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,</hi></l><lb/>
            <l>Und die <hi rendition="#fr">fallende Sucht; Stein, Gries</hi> in den Nieren, <hi rendition="#fr">Koliken,</hi></l><lb/>
            <l>Und <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;chwu&#x0364;re;</hi> die <hi rendition="#fr">Phrene&#x017F;ie,</hi> die ungeza&#x0364;hmt tobet,</l><lb/>
            <l>Und die &#x017F;chwarze <hi rendition="#fr">Melancholey,</hi> die verzehrende <hi rendition="#fr">Schwind&#x017F;ucht,</hi><lb/><note place="left">510</note>Und der <hi rendition="#fr">mond&#x017F;u&#x0364;chtige Wahnwitz;</hi> die <hi rendition="#fr">Hydropi&#x017F;ie,</hi> der <hi rendition="#fr">Mara&#x017F;mus,</hi></l><lb/>
            <l>Und <hi rendition="#fr">Engbru&#x0364;&#x017F;tigkeit,</hi> und folterndes <hi rendition="#fr">Seiten&#x017F;techen,</hi></l><lb/>
            <l>Und die weltverheerende <hi rendition="#fr">Pe&#x017F;t.</hi> Die Marter war &#x017F;cheuslich,</l><lb/>
            <l>Und die Seufzer entrangen &#x017F;ich tief. Die Verzweifelung pflegte</l><lb/>
            <l>Ganz ge&#x017F;cha&#x0364;fftig der Kranken von Bette zu Bette. Der Tod &#x017F;chwang<lb/><note place="left">515</note>Ueber ihnen den Pfeil im Triumph; doch grau&#x017F;am verzog er,</l><lb/>
            <l>Sie darmit zu durchbohren, &#x017F;o &#x017F;ehr &#x017F;ie mit Flehen und Bitten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Jhn,</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0220] Das verlohrne Paradies. Viele Geſtalten des Todes, und viele Wege, die alle Zu der abſcheulichen Hoͤle fuͤhren; ſie alle ſind ſchrecklich, Aber den Sinnen ſchrecklicher noch am dunkelen Eingang, Als im Jnnern. Etliche werden, ſo wie du geſehen, Durch des Todes gewaltſamen Streich ihr Leben verlieren, Durch die ſtuͤrmiſche Fluth, durch Feuer, und Hunger, und mehr noch Durch unmaͤßgen Gebrauch der Speiſen und ſtarker Getraͤnke. Ueber die Erde wird dieß abſcheuliche Seuchen verbreiten; Und damit du erkennſt, was Evens Verbrechen fuͤr Jammer Ueber die Menſchen gebracht: ſoll ſich ein ſchrecklicher Haufen Dieſer Seuchen dir nahn. Schnell lag vor ſeinem Geſichte Ein entſetzlicher Ort; ſchwarz, finſter, ſchmutzig, und traurig, Wie ein Spital. Man ſah darinn viel Schaaren von Kranken, Und jedwedes Uebel war hier; die ſcheuslichſten Kraͤmpfe, Reckende Foltern, und herzbeſchwerende Vangigkeiten; Gicht, und Schlag; und allerley Fieber; erſtickende Fluͤſſe, Und die fallende Sucht; Stein, Gries in den Nieren, Koliken, Und Geſchwuͤre; die Phreneſie, die ungezaͤhmt tobet, Und die ſchwarze Melancholey, die verzehrende Schwindſucht, Und der mondſuͤchtige Wahnwitz; die Hydropiſie, der Maraſmus, Und Engbruͤſtigkeit, und folterndes Seitenſtechen, Und die weltverheerende Peſt. Die Marter war ſcheuslich, Und die Seufzer entrangen ſich tief. Die Verzweifelung pflegte Ganz geſchaͤfftig der Kranken von Bette zu Bette. Der Tod ſchwang Ueber ihnen den Pfeil im Triumph; doch grauſam verzog er, Sie darmit zu durchbohren, ſo ſehr ſie mit Flehen und Bitten Jhn,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/220
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/220>, abgerufen am 03.05.2024.