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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Das verlohrne Paradies.

Himmlischen Garten uns scheiden, von diesem glücklichen Orte,
Diesem einzigen Trost, der, unsern Augen gelassen,
325Jhnen bekannt ist. Uns scheinen die andern Gegenden alle

Unbewohnbar und wild; sie kennen nicht uns, und wir sie nicht.
Dürft ich hoffen, durch Bitten und Flehn, den Willen des Ewgen,
Welcher alles vermag, von seinem Entschlusse zu wenden;
So wollt ich mit meinem Geschrey so lang ihn bestürmen,
330Bis er mein Seufzen erhört. Doch gegen des Ewigen Rathschluß,

Welcher durch nichts sich ändert, zu bethen, hilft eben so wenig,
Als ein Hauch hilft wider den Sturm, der heftiger, rückwärts
Auf den hauchenden braust. Jch unterwerfe mich also
Seinem gegebenen hohen Befehl. Dieß kränkt mich am meisten,
335Daß ich durch mein Scheiden von hier, von seinem Gesichte

So entfernt, und seines gesegneten göttlichen Anblicks
So beraubet mich seh! Jch könnte hier, tiefanbethend,
Alle die heiligen Oerter besuchen, die seiner Erscheinung
Von ihm gewürdiget worden, und meinen Kindern erzählen;
340Hier erschien er, auf dieser Höh; dort unter dem Baume

Stand er sichtbar; dort unter den waldichten Fichten vernahm ich
Seine Stimme; dort sprach ich mit ihm am murmelnden Quelle.
Dankbarlich wollt ich an jeglichem Platz von grünenden Rasen
Einen Altar ihm errichten, und alle schimmernden Steine
345Aus dem Strome zusammenthürmen, zum ewigen Denkmaal

Für die künftige Welt; und drauf wohlriechendes Gummi
Frücht' und duftende Blumen ihm opfern. Wie soll ich in jener
Niederen Welt die Spuren von seinen Erscheinungen finden,

Oder

Das verlohrne Paradies.

Himmliſchen Garten uns ſcheiden, von dieſem gluͤcklichen Orte,
Dieſem einzigen Troſt, der, unſern Augen gelaſſen,
325Jhnen bekannt iſt. Uns ſcheinen die andern Gegenden alle

Unbewohnbar und wild; ſie kennen nicht uns, und wir ſie nicht.
Duͤrft ich hoffen, durch Bitten und Flehn, den Willen des Ewgen,
Welcher alles vermag, von ſeinem Entſchluſſe zu wenden;
So wollt ich mit meinem Geſchrey ſo lang ihn beſtuͤrmen,
330Bis er mein Seufzen erhoͤrt. Doch gegen des Ewigen Rathſchluß,

Welcher durch nichts ſich aͤndert, zu bethen, hilft eben ſo wenig,
Als ein Hauch hilft wider den Sturm, der heftiger, ruͤckwaͤrts
Auf den hauchenden brauſt. Jch unterwerfe mich alſo
Seinem gegebenen hohen Befehl. Dieß kraͤnkt mich am meiſten,
335Daß ich durch mein Scheiden von hier, von ſeinem Geſichte

So entfernt, und ſeines geſegneten goͤttlichen Anblicks
So beraubet mich ſeh! Jch koͤnnte hier, tiefanbethend,
Alle die heiligen Oerter beſuchen, die ſeiner Erſcheinung
Von ihm gewuͤrdiget worden, und meinen Kindern erzaͤhlen;
340Hier erſchien er, auf dieſer Hoͤh; dort unter dem Baume

Stand er ſichtbar; dort unter den waldichten Fichten vernahm ich
Seine Stimme; dort ſprach ich mit ihm am murmelnden Quelle.
Dankbarlich wollt ich an jeglichem Platz von gruͤnenden Raſen
Einen Altar ihm errichten, und alle ſchimmernden Steine
345Aus dem Strome zuſammenthuͤrmen, zum ewigen Denkmaal

Fuͤr die kuͤnftige Welt; und drauf wohlriechendes Gummi
Fruͤcht’ und duftende Blumen ihm opfern. Wie ſoll ich in jener
Niederen Welt die Spuren von ſeinen Erſcheinungen finden,

Oder
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[188/0212] Das verlohrne Paradies. Himmliſchen Garten uns ſcheiden, von dieſem gluͤcklichen Orte, Dieſem einzigen Troſt, der, unſern Augen gelaſſen, Jhnen bekannt iſt. Uns ſcheinen die andern Gegenden alle Unbewohnbar und wild; ſie kennen nicht uns, und wir ſie nicht. Duͤrft ich hoffen, durch Bitten und Flehn, den Willen des Ewgen, Welcher alles vermag, von ſeinem Entſchluſſe zu wenden; So wollt ich mit meinem Geſchrey ſo lang ihn beſtuͤrmen, Bis er mein Seufzen erhoͤrt. Doch gegen des Ewigen Rathſchluß, Welcher durch nichts ſich aͤndert, zu bethen, hilft eben ſo wenig, Als ein Hauch hilft wider den Sturm, der heftiger, ruͤckwaͤrts Auf den hauchenden brauſt. Jch unterwerfe mich alſo Seinem gegebenen hohen Befehl. Dieß kraͤnkt mich am meiſten, Daß ich durch mein Scheiden von hier, von ſeinem Geſichte So entfernt, und ſeines geſegneten goͤttlichen Anblicks So beraubet mich ſeh! Jch koͤnnte hier, tiefanbethend, Alle die heiligen Oerter beſuchen, die ſeiner Erſcheinung Von ihm gewuͤrdiget worden, und meinen Kindern erzaͤhlen; Hier erſchien er, auf dieſer Hoͤh; dort unter dem Baume Stand er ſichtbar; dort unter den waldichten Fichten vernahm ich Seine Stimme; dort ſprach ich mit ihm am murmelnden Quelle. Dankbarlich wollt ich an jeglichem Platz von gruͤnenden Raſen Einen Altar ihm errichten, und alle ſchimmernden Steine Aus dem Strome zuſammenthuͤrmen, zum ewigen Denkmaal Fuͤr die kuͤnftige Welt; und drauf wohlriechendes Gummi Fruͤcht’ und duftende Blumen ihm opfern. Wie ſoll ich in jener Niederen Welt die Spuren von ſeinen Erſcheinungen finden, Oder

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/212>, abgerufen am 24.11.2024.