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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Siebenter Gesang.

Nicht mehr über den Pol hinaus entzückt sind: so sing ich
25Sichrer nunmehr mit der Stimme des Menschen; sie wird auch nicht heiser;

Oder verstummt; ob ich gleich in übele Tage [Spaltenumbruch] d) gefalln bin,
Leider gefalln in übele Tage, voll übeler Zungen,
Sitzend in Finsterniß, rund um mich her mit Gefahren umgeben,
Einsam, verlassen; doch nicht allein, so lange du nächtlich
30Mich im Schlummer besuchst, und wenn der Morgen den Osten

Ueberpurpert. Begeistre mein Lied, Urania! laß mich
Würdige Hörer finden, obgleich nur wenig der Edlen.
Aber verjage von mir den barbarischen Misklang des Bachus,
Und der Schwärmer des Bachus, die Söhne des wilden Geschlechtes,
35Welches in Rhodopens Wäldern e) den Thrazischen Barden zerrissen,

Wo selbst Fels und Hain zu seinen entzückenden Liedern
Ohren hatten; bis endlich Geschrey und wildes Getümmel
Leyer und Stimme betäubt; die Muse konnte den Sohn nicht
Schützen; doch also verlaß du nicht den, der itzo dich anruft,
40Denn du bist himmlisch gebohren, sie war ein Traum nur der Fabel.

Sage, was drauf, o Göttinn, erfolgt, da so huldreich der Engel
Raphael Adam, dem ersten der Menschen, die fremde Geschichte

Von dem Abfall und Streit der rebellischen Thronen erzählet,
Und
d) Ein sehr schönes lebhaftes Gemälde
von dem elenden Zustande des Poeten, der
seiner Augen beraubt, sehr viel Feinde un-
ter der damaligen königlichen Parthey
hatte, und deswegen sehr verborgen leben
mußte. Welch ein Geist indeß, der in ei-
[Spaltenumbruch] nem solchen Zustande, doch ein solches
Gedicht vollenden konnte! N.
e) Orpheus, ein berühmter Thrazi-
scher Poet, wurde durch die Bachantin-
nen auf dem Berge Rhodope in Stücke
zerrissen; die Muse Calliope, seine Mut-
ter, konnte ihn nicht beschützen. N.
A 3

Siebenter Geſang.

Nicht mehr uͤber den Pol hinaus entzuͤckt ſind: ſo ſing ich
25Sichrer nunmehr mit der Stimme des Menſchen; ſie wird auch nicht heiſer;

Oder verſtummt; ob ich gleich in uͤbele Tage [Spaltenumbruch] d) gefalln bin,
Leider gefalln in uͤbele Tage, voll uͤbeler Zungen,
Sitzend in Finſterniß, rund um mich her mit Gefahren umgeben,
Einſam, verlaſſen; doch nicht allein, ſo lange du naͤchtlich
30Mich im Schlummer beſuchſt, und wenn der Morgen den Oſten

Ueberpurpert. Begeiſtre mein Lied, Urania! laß mich
Wuͤrdige Hoͤrer finden, obgleich nur wenig der Edlen.
Aber verjage von mir den barbariſchen Misklang des Bachus,
Und der Schwaͤrmer des Bachus, die Soͤhne des wilden Geſchlechtes,
35Welches in Rhodopens Waͤldern e) den Thraziſchen Barden zerriſſen,

Wo ſelbſt Fels und Hain zu ſeinen entzuͤckenden Liedern
Ohren hatten; bis endlich Geſchrey und wildes Getuͤmmel
Leyer und Stimme betaͤubt; die Muſe konnte den Sohn nicht
Schuͤtzen; doch alſo verlaß du nicht den, der itzo dich anruft,
40Denn du biſt himmliſch gebohren, ſie war ein Traum nur der Fabel.

Sage, was drauf, o Goͤttinn, erfolgt, da ſo huldreich der Engel
Raphael Adam, dem erſten der Menſchen, die fremde Geſchichte

Von dem Abfall und Streit der rebelliſchen Thronen erzaͤhlet,
Und
d) Ein ſehr ſchoͤnes lebhaftes Gemaͤlde
von dem elenden Zuſtande des Poeten, der
ſeiner Augen beraubt, ſehr viel Feinde un-
ter der damaligen koͤniglichen Parthey
hatte, und deswegen ſehr verborgen leben
mußte. Welch ein Geiſt indeß, der in ei-
[Spaltenumbruch] nem ſolchen Zuſtande, doch ein ſolches
Gedicht vollenden konnte! N.
e) Orpheus, ein beruͤhmter Thrazi-
ſcher Poet, wurde durch die Bachantin-
nen auf dem Berge Rhodope in Stuͤcke
zerriſſen; die Muſe Calliope, ſeine Mut-
ter, konnte ihn nicht beſchuͤtzen. N.
A 3
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[5/0021] Siebenter Geſang. Nicht mehr uͤber den Pol hinaus entzuͤckt ſind: ſo ſing ich Sichrer nunmehr mit der Stimme des Menſchen; ſie wird auch nicht heiſer; Oder verſtummt; ob ich gleich in uͤbele Tage d) gefalln bin, Leider gefalln in uͤbele Tage, voll uͤbeler Zungen, Sitzend in Finſterniß, rund um mich her mit Gefahren umgeben, Einſam, verlaſſen; doch nicht allein, ſo lange du naͤchtlich Mich im Schlummer beſuchſt, und wenn der Morgen den Oſten Ueberpurpert. Begeiſtre mein Lied, Urania! laß mich Wuͤrdige Hoͤrer finden, obgleich nur wenig der Edlen. Aber verjage von mir den barbariſchen Misklang des Bachus, Und der Schwaͤrmer des Bachus, die Soͤhne des wilden Geſchlechtes, Welches in Rhodopens Waͤldern e) den Thraziſchen Barden zerriſſen, Wo ſelbſt Fels und Hain zu ſeinen entzuͤckenden Liedern Ohren hatten; bis endlich Geſchrey und wildes Getuͤmmel Leyer und Stimme betaͤubt; die Muſe konnte den Sohn nicht Schuͤtzen; doch alſo verlaß du nicht den, der itzo dich anruft, Denn du biſt himmliſch gebohren, ſie war ein Traum nur der Fabel. Sage, was drauf, o Goͤttinn, erfolgt, da ſo huldreich der Engel Raphael Adam, dem erſten der Menſchen, die fremde Geſchichte Von dem Abfall und Streit der rebelliſchen Thronen erzaͤhlet, Und d) Ein ſehr ſchoͤnes lebhaftes Gemaͤlde von dem elenden Zuſtande des Poeten, der ſeiner Augen beraubt, ſehr viel Feinde un- ter der damaligen koͤniglichen Parthey hatte, und deswegen ſehr verborgen leben mußte. Welch ein Geiſt indeß, der in ei- nem ſolchen Zuſtande, doch ein ſolches Gedicht vollenden konnte! N. e) Orpheus, ein beruͤhmter Thrazi- ſcher Poet, wurde durch die Bachantin- nen auf dem Berge Rhodope in Stuͤcke zerriſſen; die Muſe Calliope, ſeine Mut- ter, konnte ihn nicht beſchuͤtzen. N. A 3

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/21>, abgerufen am 27.11.2024.