Oft sich nieder, das sinkende Haupt der zärteren Blumen Aufzubinden; sie band sie auf mit Schleifen von Myrthen; Da sie indeß, als die schönste der Blumen, der Stütze beraubet, Und von ihrem Schirme so weit, dem Sturme so nahe, 445Selbst sich vergaß. Er näherte sich; viel krümmende Wege, Hoch beschattet mit waldichten Cedern, mit Tannen und Palmen, Kroch er hindurch; itzt schmeidig und kühn, und itzund verborgen, Oder er zeigte sich auch in dicken verschlungenen Büschen, Unter den schimmernden Blumen, die jeden Rasen bedeckten, 450Evens Arbeit mit eigener Hand. Der lachende Platz war Reizender, als die Gärten der Fabel, des wiedererweckten Lieblings der Venus, Adonis, und wie Alcinous Gärten, Welcher den Sohn Laertens bewirthet; und jener, nicht mystisch, Wo der weiseste König mit seiner Aegyptischen Schöne 455Sich erlustigt. Der Feind bewunderte voller Entzücken Diesen Garten, noch mehr die Person. Wie einer, der lange Jn der bevölkerten neblichten Stadt verschlossen gewesen, Wo er schwerere Luft in dumpfichten Häusern geathmet, Wenn er an einem lieblichen Morgen des Sommers herausgeht, 460Auf dem heiteren Land, und auf dem umschatteten Vorwerk, Frischere Lüfte zu trinken; von allem dem, was ihm nur aufstößt, Neue Vergnügungen fühlt, vom süßen Dufte des Waizens Vom gemäheten Gras, von Heerden, und von dem Geruche, Aufgesammelter Milch; von jedem ländlichen Anblick 465Und von jedem ländlichen Schall; woferne denn etwan Ein frischblühendes Mädchen, gleich einer Nymphe, vorbeygeht,
Alles
Das verlohrne Paradies.
Oft ſich nieder, das ſinkende Haupt der zaͤrteren Blumen Aufzubinden; ſie band ſie auf mit Schleifen von Myrthen; Da ſie indeß, als die ſchoͤnſte der Blumen, der Stuͤtze beraubet, Und von ihrem Schirme ſo weit, dem Sturme ſo nahe, 445Selbſt ſich vergaß. Er naͤherte ſich; viel kruͤmmende Wege, Hoch beſchattet mit waldichten Cedern, mit Tannen und Palmen, Kroch er hindurch; itzt ſchmeidig und kuͤhn, und itzund verborgen, Oder er zeigte ſich auch in dicken verſchlungenen Buͤſchen, Unter den ſchimmernden Blumen, die jeden Raſen bedeckten, 450Evens Arbeit mit eigener Hand. Der lachende Platz war Reizender, als die Gaͤrten der Fabel, des wiedererweckten Lieblings der Venus, Adonis, und wie Alcinous Gaͤrten, Welcher den Sohn Laertens bewirthet; und jener, nicht myſtiſch, Wo der weiſeſte Koͤnig mit ſeiner Aegyptiſchen Schoͤne 455Sich erluſtigt. Der Feind bewunderte voller Entzuͤcken Dieſen Garten, noch mehr die Perſon. Wie einer, der lange Jn der bevoͤlkerten neblichten Stadt verſchloſſen geweſen, Wo er ſchwerere Luft in dumpfichten Haͤuſern geathmet, Wenn er an einem lieblichen Morgen des Sommers herausgeht, 460Auf dem heiteren Land, und auf dem umſchatteten Vorwerk, Friſchere Luͤfte zu trinken; von allem dem, was ihm nur aufſtoͤßt, Neue Vergnuͤgungen fuͤhlt, vom ſuͤßen Dufte des Waizens Vom gemaͤheten Gras, von Heerden, und von dem Geruche, Aufgeſammelter Milch; von jedem laͤndlichen Anblick 465Und von jedem laͤndlichen Schall; woferne denn etwan Ein friſchbluͤhendes Maͤdchen, gleich einer Nymphe, vorbeygeht,
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Das verlohrne Paradies.
Oft ſich nieder, das ſinkende Haupt der zaͤrteren Blumen
Aufzubinden; ſie band ſie auf mit Schleifen von Myrthen;
Da ſie indeß, als die ſchoͤnſte der Blumen, der Stuͤtze beraubet,
Und von ihrem Schirme ſo weit, dem Sturme ſo nahe,
Selbſt ſich vergaß. Er naͤherte ſich; viel kruͤmmende Wege,
Hoch beſchattet mit waldichten Cedern, mit Tannen und Palmen,
Kroch er hindurch; itzt ſchmeidig und kuͤhn, und itzund verborgen,
Oder er zeigte ſich auch in dicken verſchlungenen Buͤſchen,
Unter den ſchimmernden Blumen, die jeden Raſen bedeckten,
Evens Arbeit mit eigener Hand. Der lachende Platz war
Reizender, als die Gaͤrten der Fabel, des wiedererweckten
Lieblings der Venus, Adonis, und wie Alcinous Gaͤrten,
Welcher den Sohn Laertens bewirthet; und jener, nicht myſtiſch,
Wo der weiſeſte Koͤnig mit ſeiner Aegyptiſchen Schoͤne
Sich erluſtigt. Der Feind bewunderte voller Entzuͤcken
Dieſen Garten, noch mehr die Perſon. Wie einer, der lange
Jn der bevoͤlkerten neblichten Stadt verſchloſſen geweſen,
Wo er ſchwerere Luft in dumpfichten Haͤuſern geathmet,
Wenn er an einem lieblichen Morgen des Sommers herausgeht,
Auf dem heiteren Land, und auf dem umſchatteten Vorwerk,
Friſchere Luͤfte zu trinken; von allem dem, was ihm nur aufſtoͤßt,
Neue Vergnuͤgungen fuͤhlt, vom ſuͤßen Dufte des Waizens
Vom gemaͤheten Gras, von Heerden, und von dem Geruche,
Aufgeſammelter Milch; von jedem laͤndlichen Anblick
Und von jedem laͤndlichen Schall; woferne denn etwan
Ein friſchbluͤhendes Maͤdchen, gleich einer Nymphe, vorbeygeht,
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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/106>, abgerufen am 24.07.2024.
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