Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.
Wieder sich aufzuschwingen, erwarten, so müßig hier sitzen
Als die Verjagten des Himmels, und eine schändliche Höle,
60Diese sinstre Höle der Schaam zur Wohnung annehmen,
Diesen Kerker des mächtgen Tyrannen, der darum nur herrschet,
Weil wir so zaudern? Nein! -- Laßt lieber uns alle bewaffnet
Mit der Wuth und den Flammen der Hölle, den mächtigen Weg uns
Ueber die Thürme des Himmels erstreiten, und unsere Martern
65Wider den Marterer selbst, in scheußliche Waffen verwandeln;
Daß er an statt des Getöses von seinem allmächtigen Werfzeug,
Höllische Donner vernehm', und, statt des leuchtenden Blitzes,
Schwarze Feuer und Graus erblicke, mit eben dem Wüten
Unter die Engel geschossen; -- und seinen stralenden Thron selbst
70Mit tartarischem Schwefel und fremdem Feuer vermischt [Spaltenumbruch] e) seh;
Die von ihm selbst erfundnen Plagen. Doch steil und beschwerlich
Scheint vielleicht uns der Weg, mit aufwärts gerichteten Schwingen
Einem mächtigen höheren Feind entgegen zu streben.
Diese mögen bedenken, wenn nicht der Schlummertrank itzt noch
75Aus der Vergessenheit See die träumenden Sinnen benebelt,
Daß wir von selbst nach eigner Bewegung zu unserm Geburtssitz
Wieder aufsteigen müssen; -- herunter zu steigen, zu fallen,

Jst
e) Vermischt ist hier so viel als
erfüllt, nach dem Lateinischen des
Virgil Aen. II, 487.
At domus interior gemitu mise-
roque tumultu
Miscetur.

Aber der innre Pallast ward mit
erbärmlichen Klagen
Und mit Seufzern vermischt.
Pearce.
[Spaltenumbruch] Doch kann Milton das Vermischen
auch im eigentlichen Verstande ge-
braucht haben, weil Belial gleich nach-
her V. 140. sagt.
Die himmlische Masse, die keine
Flecken erduldet,
-- -- -- würde bald siegend
Von dem unedleren Feuer sich
säubern. Z.

Das verlohrne Paradies.
Wieder ſich aufzuſchwingen, erwarten, ſo muͤßig hier ſitzen
Als die Verjagten des Himmels, und eine ſchaͤndliche Hoͤle,
60Dieſe ſinſtre Hoͤle der Schaam zur Wohnung annehmen,
Dieſen Kerker des maͤchtgen Tyrannen, der darum nur herrſchet,
Weil wir ſo zaudern? Nein! — Laßt lieber uns alle bewaffnet
Mit der Wuth und den Flammen der Hoͤlle, den maͤchtigen Weg uns
Ueber die Thuͤrme des Himmels erſtreiten, und unſere Martern
65Wider den Marterer ſelbſt, in ſcheußliche Waffen verwandeln;
Daß er an ſtatt des Getoͤſes von ſeinem allmaͤchtigen Werfzeug,
Hoͤlliſche Donner vernehm’, und, ſtatt des leuchtenden Blitzes,
Schwarze Feuer und Graus erblicke, mit eben dem Wuͤten
Unter die Engel geſchoſſen; — und ſeinen ſtralenden Thron ſelbſt
70Mit tartariſchem Schwefel und fremdem Feuer vermiſcht [Spaltenumbruch] e) ſeh;
Die von ihm ſelbſt erfundnen Plagen. Doch ſteil und beſchwerlich
Scheint vielleicht uns der Weg, mit aufwaͤrts gerichteten Schwingen
Einem maͤchtigen hoͤheren Feind entgegen zu ſtreben.
Dieſe moͤgen bedenken, wenn nicht der Schlummertrank itzt noch
75Aus der Vergeſſenheit See die traͤumenden Sinnen benebelt,
Daß wir von ſelbſt nach eigner Bewegung zu unſerm Geburtsſitz
Wieder aufſteigen muͤſſen; — herunter zu ſteigen, zu fallen,

Jſt
e) Vermiſcht iſt hier ſo viel als
erfüllt, nach dem Lateiniſchen des
Virgil Aen. II, 487.
At domus interior gemitu miſe-
roque tumultu
Miſcetur.

Aber der innre Pallaſt ward mit
erbaͤrmlichen Klagen
Und mit Seufzern vermiſcht.
Pearce.
[Spaltenumbruch] Doch kann Milton das Vermiſchen
auch im eigentlichen Verſtande ge-
braucht haben, weil Belial gleich nach-
her V. 140. ſagt.
Die himmliſche Maſſe, die keine
Flecken erduldet,
— — — wuͤrde bald ſiegend
Von dem unedleren Feuer ſich
ſaͤubern. Z.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="3">
            <pb facs="#f0064" n="48"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/>
            <l>Wieder &#x017F;ich aufzu&#x017F;chwingen, erwarten, &#x017F;o mu&#x0364;ßig hier &#x017F;itzen</l><lb/>
            <l>Als die Verjagten des Himmels, und eine &#x017F;cha&#x0364;ndliche Ho&#x0364;le,</l><lb/>
            <l><note place="left">60</note>Die&#x017F;e &#x017F;in&#x017F;tre Ho&#x0364;le der Schaam zur Wohnung annehmen,</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;en Kerker des ma&#x0364;chtgen Tyrannen, der darum nur herr&#x017F;chet,</l><lb/>
            <l>Weil wir &#x017F;o zaudern? Nein! &#x2014; Laßt lieber uns alle bewaffnet</l><lb/>
            <l>Mit der Wuth und den Flammen der Ho&#x0364;lle, den ma&#x0364;chtigen Weg uns</l><lb/>
            <l>Ueber die Thu&#x0364;rme des Himmels er&#x017F;treiten, und un&#x017F;ere Martern</l><lb/>
            <l><note place="left">65</note>Wider den Marterer &#x017F;elb&#x017F;t, in &#x017F;cheußliche Waffen verwandeln;</l><lb/>
            <l>Daß er an &#x017F;tatt des Geto&#x0364;&#x017F;es von &#x017F;einem allma&#x0364;chtigen Werfzeug,</l><lb/>
            <l>Ho&#x0364;lli&#x017F;che Donner vernehm&#x2019;, und, &#x017F;tatt des leuchtenden Blitzes,</l><lb/>
            <l>Schwarze Feuer und Graus erblicke, mit eben dem Wu&#x0364;ten</l><lb/>
            <l>Unter die Engel ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en; &#x2014; und &#x017F;einen &#x017F;tralenden Thron &#x017F;elb&#x017F;t</l><lb/>
            <l><note place="left">70</note>Mit tartari&#x017F;chem Schwefel und fremdem Feuer vermi&#x017F;cht <cb/>
<note place="foot" n="e)"><hi rendition="#fr">Vermi&#x017F;cht</hi> i&#x017F;t hier &#x017F;o viel als<lb/><hi rendition="#fr">erfüllt,</hi> nach dem Lateini&#x017F;chen des<lb/>
Virgil <hi rendition="#aq">Aen. II,</hi> 487.<lb/><hi rendition="#aq">At domus interior gemitu mi&#x017F;e-<lb/><hi rendition="#et">roque tumultu</hi><lb/><hi rendition="#i">Mi&#x017F;cetur.</hi></hi><lb/>
Aber der innre Palla&#x017F;t ward mit<lb/><hi rendition="#et">erba&#x0364;rmlichen Klagen</hi><lb/>
Und mit Seufzern <hi rendition="#fr">vermi&#x017F;cht.</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Pearce.</hi></hi><lb/><cb/>
Doch kann Milton das Vermi&#x017F;chen<lb/>
auch im eigentlichen Ver&#x017F;tande ge-<lb/>
braucht haben, weil Belial gleich nach-<lb/>
her V. 140. &#x017F;agt.<lb/>
Die himmli&#x017F;che Ma&#x017F;&#x017F;e, die keine<lb/><hi rendition="#et">Flecken erduldet,</hi><lb/>
&#x2014; &#x2014; &#x2014; wu&#x0364;rde bald &#x017F;iegend<lb/>
Von dem unedleren Feuer &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;a&#x0364;ubern. <hi rendition="#fr">Z.</hi></hi></note> &#x017F;eh;</l><lb/>
            <l>Die von ihm &#x017F;elb&#x017F;t erfundnen Plagen. Doch &#x017F;teil und be&#x017F;chwerlich</l><lb/>
            <l>Scheint vielleicht uns der Weg, mit aufwa&#x0364;rts gerichteten Schwingen</l><lb/>
            <l>Einem ma&#x0364;chtigen ho&#x0364;heren Feind entgegen zu &#x017F;treben.</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;e mo&#x0364;gen bedenken, wenn nicht der Schlummertrank itzt noch</l><lb/>
            <l><note place="left">75</note>Aus der Verge&#x017F;&#x017F;enheit See die tra&#x0364;umenden Sinnen benebelt,</l><lb/>
            <l>Daß wir von &#x017F;elb&#x017F;t nach eigner Bewegung zu un&#x017F;erm Geburts&#x017F;itz</l><lb/>
            <l>Wieder auf&#x017F;teigen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; &#x2014; herunter zu &#x017F;teigen, zu fallen,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">J&#x017F;t</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0064] Das verlohrne Paradies. Wieder ſich aufzuſchwingen, erwarten, ſo muͤßig hier ſitzen Als die Verjagten des Himmels, und eine ſchaͤndliche Hoͤle, Dieſe ſinſtre Hoͤle der Schaam zur Wohnung annehmen, Dieſen Kerker des maͤchtgen Tyrannen, der darum nur herrſchet, Weil wir ſo zaudern? Nein! — Laßt lieber uns alle bewaffnet Mit der Wuth und den Flammen der Hoͤlle, den maͤchtigen Weg uns Ueber die Thuͤrme des Himmels erſtreiten, und unſere Martern Wider den Marterer ſelbſt, in ſcheußliche Waffen verwandeln; Daß er an ſtatt des Getoͤſes von ſeinem allmaͤchtigen Werfzeug, Hoͤlliſche Donner vernehm’, und, ſtatt des leuchtenden Blitzes, Schwarze Feuer und Graus erblicke, mit eben dem Wuͤten Unter die Engel geſchoſſen; — und ſeinen ſtralenden Thron ſelbſt Mit tartariſchem Schwefel und fremdem Feuer vermiſcht e) ſeh; Die von ihm ſelbſt erfundnen Plagen. Doch ſteil und beſchwerlich Scheint vielleicht uns der Weg, mit aufwaͤrts gerichteten Schwingen Einem maͤchtigen hoͤheren Feind entgegen zu ſtreben. Dieſe moͤgen bedenken, wenn nicht der Schlummertrank itzt noch Aus der Vergeſſenheit See die traͤumenden Sinnen benebelt, Daß wir von ſelbſt nach eigner Bewegung zu unſerm Geburtsſitz Wieder aufſteigen muͤſſen; — herunter zu ſteigen, zu fallen, Jſt e) Vermiſcht iſt hier ſo viel als erfüllt, nach dem Lateiniſchen des Virgil Aen. II, 487. At domus interior gemitu miſe- roque tumultu Miſcetur. Aber der innre Pallaſt ward mit erbaͤrmlichen Klagen Und mit Seufzern vermiſcht. Pearce. Doch kann Milton das Vermiſchen auch im eigentlichen Verſtande ge- braucht haben, weil Belial gleich nach- her V. 140. ſagt. Die himmliſche Maſſe, die keine Flecken erduldet, — — — wuͤrde bald ſiegend Von dem unedleren Feuer ſich ſaͤubern. Z.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/64
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/64>, abgerufen am 23.11.2024.