Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Als man vorher nie im Himmel gehört; es prasselten Waffen200Wider Waffen, und brüllten entsetzliche Zwietrach; laut donnern Durch die Gefilde die tobenden Räder der ehernen Wagen, Und das Getöse der Schlacht ward fürchterlich. Ueber dem Haupte Flog ein traurig Gezisch von feurigen Pfeilen, in hohen Flammenden Wolken; sie überwölbten im Fliegen mit Feuer 205Beyde Treffen; so rauschten die beyden mächtigen Heere Unter der feurigen Decke lautstürmend gegen einander Mit unauslöschlicher Wuth. Der ganze Himmel erschallte, Und die Erde, wäre sie damals gewesen, die Erde Hätte vorm Streit im Mittelpunkte gezittert. Was Wunder, 210Da Millionen wildkämpfender Engel auf beyden Seiten Gegen einander fochten, und der geringste von ihnen Diese Elemente bezwingen, und mit der Gewalt sich Jhrer sämmtlichen Kräfte bewaffnen konnte; wie mußte Jhre Macht nicht viel größer seyn (da zahllose Heere 215Gegeneinander stunden) mit furchtbarem kriegrischem Feuer Jhren beglückten Geburtssitz in wilde Verwirrung zu setzen, Doch nicht ganz zu zerstören! Wofern nicht der ewige König Mit allmächtiger Hand von seiner himmlischen Veste Jhre Gewalt beschränkt; ob ihre Zahl gleich so groß war, 220Daß schon jegliche Kriegsschaar für sich ein zahlreiches Heer schien, Und jedwede gewaffnete Hand allein schon so stark war, Als ein ganzes Geschwader. Es schien im wilden Gefechte Jeder Kriegsmann ein Führer, und wußt' auch ohne Befehle Anzurücken, zu stehn, die Ordnung der Schlacht zu verändern, Oder
Das verlohrne Paradies. Als man vorher nie im Himmel gehoͤrt; es praſſelten Waffen200Wider Waffen, und bruͤllten entſetzliche Zwietrach; laut donnern Durch die Gefilde die tobenden Raͤder der ehernen Wagen, Und das Getoͤſe der Schlacht ward fuͤrchterlich. Ueber dem Haupte Flog ein traurig Geziſch von feurigen Pfeilen, in hohen Flammenden Wolken; ſie uͤberwoͤlbten im Fliegen mit Feuer 205Beyde Treffen; ſo rauſchten die beyden maͤchtigen Heere Unter der feurigen Decke lautſtuͤrmend gegen einander Mit unausloͤſchlicher Wuth. Der ganze Himmel erſchallte, Und die Erde, waͤre ſie damals geweſen, die Erde Haͤtte vorm Streit im Mittelpunkte gezittert. Was Wunder, 210Da Millionen wildkaͤmpfender Engel auf beyden Seiten Gegen einander fochten, und der geringſte von ihnen Dieſe Elemente bezwingen, und mit der Gewalt ſich Jhrer ſaͤmmtlichen Kraͤfte bewaffnen konnte; wie mußte Jhre Macht nicht viel groͤßer ſeyn (da zahlloſe Heere 215Gegeneinander ſtunden) mit furchtbarem kriegriſchem Feuer Jhren begluͤckten Geburtsſitz in wilde Verwirrung zu ſetzen, Doch nicht ganz zu zerſtoͤren! Wofern nicht der ewige Koͤnig Mit allmaͤchtiger Hand von ſeiner himmliſchen Veſte Jhre Gewalt beſchraͤnkt; ob ihre Zahl gleich ſo groß war, 220Daß ſchon jegliche Kriegsſchaar fuͤr ſich ein zahlreiches Heer ſchien, Und jedwede gewaffnete Hand allein ſchon ſo ſtark war, Als ein ganzes Geſchwader. Es ſchien im wilden Gefechte Jeder Kriegsmann ein Fuͤhrer, und wußt’ auch ohne Befehle Anzuruͤcken, zu ſtehn, die Ordnung der Schlacht zu veraͤndern, Oder
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Das verlohrne Paradies.
Als man vorher nie im Himmel gehoͤrt; es praſſelten Waffen
Wider Waffen, und bruͤllten entſetzliche Zwietrach; laut donnern
Durch die Gefilde die tobenden Raͤder der ehernen Wagen,
Und das Getoͤſe der Schlacht ward fuͤrchterlich. Ueber dem Haupte
Flog ein traurig Geziſch von feurigen Pfeilen, in hohen
Flammenden Wolken; ſie uͤberwoͤlbten im Fliegen mit Feuer
Beyde Treffen; ſo rauſchten die beyden maͤchtigen Heere
Unter der feurigen Decke lautſtuͤrmend gegen einander
Mit unausloͤſchlicher Wuth. Der ganze Himmel erſchallte,
Und die Erde, waͤre ſie damals geweſen, die Erde
Haͤtte vorm Streit im Mittelpunkte gezittert. Was Wunder,
Da Millionen wildkaͤmpfender Engel auf beyden Seiten
Gegen einander fochten, und der geringſte von ihnen
Dieſe Elemente bezwingen, und mit der Gewalt ſich
Jhrer ſaͤmmtlichen Kraͤfte bewaffnen konnte; wie mußte
Jhre Macht nicht viel groͤßer ſeyn (da zahlloſe Heere
Gegeneinander ſtunden) mit furchtbarem kriegriſchem Feuer
Jhren begluͤckten Geburtsſitz in wilde Verwirrung zu ſetzen,
Doch nicht ganz zu zerſtoͤren! Wofern nicht der ewige Koͤnig
Mit allmaͤchtiger Hand von ſeiner himmliſchen Veſte
Jhre Gewalt beſchraͤnkt; ob ihre Zahl gleich ſo groß war,
Daß ſchon jegliche Kriegsſchaar fuͤr ſich ein zahlreiches Heer ſchien,
Und jedwede gewaffnete Hand allein ſchon ſo ſtark war,
Als ein ganzes Geſchwader. Es ſchien im wilden Gefechte
Jeder Kriegsmann ein Fuͤhrer, und wußt’ auch ohne Befehle
Anzuruͤcken, zu ſtehn, die Ordnung der Schlacht zu veraͤndern,
Oder
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