Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite
Das verlohrne Paradies.
Jhm gab mit geflügelten Worten der Erzfeind zur Antwort:
Schwach zu seyn, o gefallner Cherub, ist allezeit elend [Spaltenumbruch] t),
155Wenn wir leiden, oder auch handeln; doch dies sey versichert,
Jrgend etwas Gutes zu thun, wird nie uns beschäfftgen,
Unser einzigs Vergnügen vielmehr wird Böses zu thun, seyn;
Dies ist dessen erhabenem Willen am meisten entgegen,
Dem wir Widerstand leisten. Wenn seine Vorsehung trachtet,
160Gutes aus unserm Uebel zu ziehn, so müssen wir sorgen,
Seinen Zweck zu verderben, und immer im Guten, die Mittel
Auszufinden zum Bösen; dies kann uns so glücklich gelingen,
Daß es ihm, wenn ich nicht irre, verdrießen, und mächtig gnug seyn soll,
Seine geheimsten Entschlüße von ihrem Zweck zu entfernen.
165Aber siehe! Der zornige Sieger hat itzo die Diener
Seiner Verfolgung und Rache, von uns an die Pforten des Himmels
Wieder zurück gerufen; der stürmische Hagel von Schwefel,
Den er nach uns geschossen, ist von den Winden verwehet;
Diese feurige Welle, die von den Höhen des Himmels
170Uns in unserm Falle verschlang, hat nun sich geleget;
Und der Donner, geflügelt mit rothen leuchtenden Blitzen,
Und mit stürmischer Wuth, hat seine Köcher, so scheint es,
Ausgeleeret, und brüllet nicht mehr durch die grenzlose Tiefe.
Laß
t) Nachdem Satan in seiner Rede
geprahlt, daß die Stärke der Götter
nicht vergehn könne, und Beelzebub
erwiedert: Wenn Gott uns diese Stär-
ke nur darum völlig gelassen, desto bes-
ser die Pein zu ertragen und stärker
zu leiden, oder als seine Sklaven ihm
wichtgere Dienste zu leisten, was kann
uns denn unsere Stärke helfen: So
[Spaltenumbruch] antwortet Satan hier sehr geschickt:
Wir mögen nun leiden, oder handeln
so ist es allezeit noch einiger Trost,
wenn wir unsere Stärke unvermin-
dert haben; denn es ist eine elende
Sache, sagt er, schwach zu seyn, wir
mögen leiden, oder handeln. Dieses
ist der Sinn dieser Stelle. N.
Das verlohrne Paradies.
Jhm gab mit gefluͤgelten Worten der Erzfeind zur Antwort:
Schwach zu ſeyn, o gefallner Cherub, iſt allezeit elend [Spaltenumbruch] t),
155Wenn wir leiden, oder auch handeln; doch dies ſey verſichert,
Jrgend etwas Gutes zu thun, wird nie uns beſchaͤfftgen,
Unſer einzigs Vergnuͤgen vielmehr wird Boͤſes zu thun, ſeyn;
Dies iſt deſſen erhabenem Willen am meiſten entgegen,
Dem wir Widerſtand leiſten. Wenn ſeine Vorſehung trachtet,
160Gutes aus unſerm Uebel zu ziehn, ſo muͤſſen wir ſorgen,
Seinen Zweck zu verderben, und immer im Guten, die Mittel
Auszufinden zum Boͤſen; dies kann uns ſo gluͤcklich gelingen,
Daß es ihm, wenn ich nicht irre, verdrießen, und maͤchtig gnug ſeyn ſoll,
Seine geheimſten Entſchluͤße von ihrem Zweck zu entfernen.
165Aber ſiehe! Der zornige Sieger hat itzo die Diener
Seiner Verfolgung und Rache, von uns an die Pforten des Himmels
Wieder zuruͤck gerufen; der ſtuͤrmiſche Hagel von Schwefel,
Den er nach uns geſchoſſen, iſt von den Winden verwehet;
Dieſe feurige Welle, die von den Hoͤhen des Himmels
170Uns in unſerm Falle verſchlang, hat nun ſich geleget;
Und der Donner, gefluͤgelt mit rothen leuchtenden Blitzen,
Und mit ſtuͤrmiſcher Wuth, hat ſeine Koͤcher, ſo ſcheint es,
Ausgeleeret, und bruͤllet nicht mehr durch die grenzloſe Tiefe.
Laß
t) Nachdem Satan in ſeiner Rede
geprahlt, daß die Staͤrke der Goͤtter
nicht vergehn koͤnne, und Beelzebub
erwiedert: Wenn Gott uns dieſe Staͤr-
ke nur darum voͤllig gelaſſen, deſto beſ-
ſer die Pein zu ertragen und ſtaͤrker
zu leiden, oder als ſeine Sklaven ihm
wichtgere Dienſte zu leiſten, was kann
uns denn unſere Staͤrke helfen: So
[Spaltenumbruch] antwortet Satan hier ſehr geſchickt:
Wir moͤgen nun leiden, oder handeln
ſo iſt es allezeit noch einiger Troſt,
wenn wir unſere Staͤrke unvermin-
dert haben; denn es iſt eine elende
Sache, ſagt er, ſchwach zu ſeyn, wir
moͤgen leiden, oder handeln. Dieſes
iſt der Sinn dieſer Stelle. N.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0026" n="12"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="7">
            <l>Jhm gab mit geflu&#x0364;gelten Worten der Erzfeind zur Antwort:</l><lb/>
            <l>Schwach zu &#x017F;eyn, o gefallner Cherub, i&#x017F;t allezeit elend <cb/>
<note place="foot" n="t)">Nachdem Satan in &#x017F;einer Rede<lb/>
geprahlt, daß die Sta&#x0364;rke der Go&#x0364;tter<lb/>
nicht vergehn ko&#x0364;nne, und Beelzebub<lb/>
erwiedert: Wenn Gott uns die&#x017F;e Sta&#x0364;r-<lb/>
ke nur darum vo&#x0364;llig gela&#x017F;&#x017F;en, de&#x017F;to be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er die Pein zu ertragen und &#x017F;ta&#x0364;rker<lb/>
zu leiden, oder als &#x017F;eine Sklaven ihm<lb/>
wichtgere Dien&#x017F;te zu lei&#x017F;ten, was kann<lb/>
uns denn un&#x017F;ere Sta&#x0364;rke helfen: So<lb/><cb/>
antwortet Satan hier &#x017F;ehr ge&#x017F;chickt:<lb/>
Wir mo&#x0364;gen nun leiden, oder handeln<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t es allezeit noch einiger Tro&#x017F;t,<lb/>
wenn wir un&#x017F;ere Sta&#x0364;rke unvermin-<lb/>
dert haben; denn es i&#x017F;t eine elende<lb/>
Sache, &#x017F;agt er, &#x017F;chwach zu &#x017F;eyn, wir<lb/>
mo&#x0364;gen leiden, oder handeln. Die&#x017F;es<lb/>
i&#x017F;t der Sinn die&#x017F;er Stelle. <hi rendition="#fr">N.</hi></note>,</l><lb/>
            <l><note place="left">155</note>Wenn wir leiden, oder auch handeln; doch dies &#x017F;ey ver&#x017F;ichert,</l><lb/>
            <l>Jrgend etwas Gutes zu thun, wird nie uns be&#x017F;cha&#x0364;fftgen,</l><lb/>
            <l>Un&#x017F;er einzigs Vergnu&#x0364;gen vielmehr wird Bo&#x0364;&#x017F;es zu thun, &#x017F;eyn;</l><lb/>
            <l>Dies i&#x017F;t de&#x017F;&#x017F;en erhabenem Willen am mei&#x017F;ten entgegen,</l><lb/>
            <l>Dem wir Wider&#x017F;tand lei&#x017F;ten. Wenn &#x017F;eine Vor&#x017F;ehung trachtet,</l><lb/>
            <l><note place="left">160</note>Gutes aus un&#x017F;erm Uebel zu ziehn, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir &#x017F;orgen,</l><lb/>
            <l>Seinen Zweck zu verderben, und immer im Guten, die Mittel</l><lb/>
            <l>Auszufinden zum Bo&#x0364;&#x017F;en; dies kann uns &#x017F;o glu&#x0364;cklich gelingen,</l><lb/>
            <l>Daß es ihm, wenn ich nicht irre, verdrießen, und ma&#x0364;chtig gnug &#x017F;eyn &#x017F;oll,</l><lb/>
            <l>Seine geheim&#x017F;ten Ent&#x017F;chlu&#x0364;ße von ihrem Zweck zu entfernen.</l><lb/>
            <l><note place="left">165</note>Aber &#x017F;iehe! Der zornige Sieger hat itzo die Diener</l><lb/>
            <l>Seiner Verfolgung und Rache, von uns an die Pforten des Himmels</l><lb/>
            <l>Wieder zuru&#x0364;ck gerufen; der &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;che Hagel von Schwefel,</l><lb/>
            <l>Den er nach uns ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t von den Winden verwehet;</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;e feurige Welle, die von den Ho&#x0364;hen des Himmels</l><lb/>
            <l><note place="left">170</note>Uns in un&#x017F;erm Falle ver&#x017F;chlang, hat nun &#x017F;ich geleget;</l><lb/>
            <l>Und der Donner, geflu&#x0364;gelt mit rothen leuchtenden Blitzen,</l><lb/>
            <l>Und mit &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;cher Wuth, hat &#x017F;eine Ko&#x0364;cher, &#x017F;o &#x017F;cheint es,</l><lb/>
            <l>Ausgeleeret, und bru&#x0364;llet nicht mehr durch die grenzlo&#x017F;e Tiefe.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Laß</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0026] Das verlohrne Paradies. Jhm gab mit gefluͤgelten Worten der Erzfeind zur Antwort: Schwach zu ſeyn, o gefallner Cherub, iſt allezeit elend t), Wenn wir leiden, oder auch handeln; doch dies ſey verſichert, Jrgend etwas Gutes zu thun, wird nie uns beſchaͤfftgen, Unſer einzigs Vergnuͤgen vielmehr wird Boͤſes zu thun, ſeyn; Dies iſt deſſen erhabenem Willen am meiſten entgegen, Dem wir Widerſtand leiſten. Wenn ſeine Vorſehung trachtet, Gutes aus unſerm Uebel zu ziehn, ſo muͤſſen wir ſorgen, Seinen Zweck zu verderben, und immer im Guten, die Mittel Auszufinden zum Boͤſen; dies kann uns ſo gluͤcklich gelingen, Daß es ihm, wenn ich nicht irre, verdrießen, und maͤchtig gnug ſeyn ſoll, Seine geheimſten Entſchluͤße von ihrem Zweck zu entfernen. Aber ſiehe! Der zornige Sieger hat itzo die Diener Seiner Verfolgung und Rache, von uns an die Pforten des Himmels Wieder zuruͤck gerufen; der ſtuͤrmiſche Hagel von Schwefel, Den er nach uns geſchoſſen, iſt von den Winden verwehet; Dieſe feurige Welle, die von den Hoͤhen des Himmels Uns in unſerm Falle verſchlang, hat nun ſich geleget; Und der Donner, gefluͤgelt mit rothen leuchtenden Blitzen, Und mit ſtuͤrmiſcher Wuth, hat ſeine Koͤcher, ſo ſcheint es, Ausgeleeret, und bruͤllet nicht mehr durch die grenzloſe Tiefe. Laß t) Nachdem Satan in ſeiner Rede geprahlt, daß die Staͤrke der Goͤtter nicht vergehn koͤnne, und Beelzebub erwiedert: Wenn Gott uns dieſe Staͤr- ke nur darum voͤllig gelaſſen, deſto beſ- ſer die Pein zu ertragen und ſtaͤrker zu leiden, oder als ſeine Sklaven ihm wichtgere Dienſte zu leiſten, was kann uns denn unſere Staͤrke helfen: So antwortet Satan hier ſehr geſchickt: Wir moͤgen nun leiden, oder handeln ſo iſt es allezeit noch einiger Troſt, wenn wir unſere Staͤrke unvermin- dert haben; denn es iſt eine elende Sache, ſagt er, ſchwach zu ſeyn, wir moͤgen leiden, oder handeln. Dieſes iſt der Sinn dieſer Stelle. N.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/26
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/26>, abgerufen am 28.03.2024.