Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.
Dreymal so fern von Gott, und von dem Lichte des Himmels,
Als von dem äußersten Pole, der Erde Mittelpunkt absteht [Spaltenumbruch] o).
Dieser Ort, o wie war er dem Orte so ungleich, von welchem
Sie herunter gestürzt! Daselbst erkennet er plötzlich
75Seines Falles Gefärthen, von Wirbelwinden, und Fluthen
Stürmenden Feuers, bedeckt. Dicht neben ihm wälzt sich der nächste
Nach ihm, an Macht, und an Bosheit, den lange nachher Palästina
Unter Beelzebubs p) Namen gekannt; der Erzfeind, (im Himmel
Satan q) seitdem deswegen genennet) kehrte sich zu ihm,
80Und brach so mit vermessenen Worten das gräßliche Schweigen:
O! wenn du es noch bist; doch ach! wie gefalln, wie verändert,
Bist du von dem, der sonst in den glücklichen Reichen des Lichtes,
Mit hellscheinender Klarheit gekleidet, so hell sie auch glänzten,

Myria-
o) Der Erde Mittelpunkt war nach
Miltons System der Mittelpunkt des
ganzen Weltgebäudes, und der äußerste
Pol ist gleichfalls nicht der Pol der Er-
de, sondern des Weltgebäudes überhaupt.
Es ist zu bemerken, daß Homer die Höl-
le so weit unter den tiefsten Schlund
der Erde setzt, als der Himmel von der
Erde entfernt ist.
[fremdsprachliches Material - 1 Zeile fehlt] [fremdsprachliches Material - 5 Zeichen fehlen] Iliad. VIII, 16.
Virgil setzt sie zweymal so weit.
-- Tum Tartarus ipse
Bis patet in praeceps, tantum tendit-
que sub umbras
Quantus ad aethereum coeli suspe-

ctus Olympum.
Aen. VI, 577.
-- der Tartarus selber

Thut itzt den Abgrund zweymal so
weit auf, und erstrecket so tief sich
[Spaltenumbruch] Unter die Schatten, so weit als der
Blick zum ätherschen Olymp reicht.
Und Milton: Dreymal so fern von Gott
und von dem Lichte des Himmels etc. etc.
Nicht anders, als ob diese drey großen
Poeten ihr äußerstes Genie angestrengt,
und mit einander hätten wetteifern
wollen, wer seine Jdee von der Tiefe
der Hölle am höchsten treiben könne.
Milton übertrifft sie aber in der Beschrei-
bung der Hölle überhaupt, eben so sehr,
als in diesem einzigen Umstande von ih-
rer Tiefe. N.
p) Der Fliegenfürst, ein Götze, der
zu Ekron, einer Stadt der Philister, ver-
ehrt wurde, 2 B. der Könige I, 2.
q) Denn das Wort Satan bedeu-
tet im Hebräischen einen Feind. Er ist
vorzüglicher weise der Feind; der Haupt-
feind Gottes und des Menschen.

Das verlohrne Paradies.
Dreymal ſo fern von Gott, und von dem Lichte des Himmels,
Als von dem aͤußerſten Pole, der Erde Mittelpunkt abſteht [Spaltenumbruch] o).
Dieſer Ort, o wie war er dem Orte ſo ungleich, von welchem
Sie herunter geſtuͤrzt! Daſelbſt erkennet er ploͤtzlich
75Seines Falles Gefaͤrthen, von Wirbelwinden, und Fluthen
Stuͤrmenden Feuers, bedeckt. Dicht neben ihm waͤlzt ſich der naͤchſte
Nach ihm, an Macht, und an Bosheit, den lange nachher Palaͤſtina
Unter Beelzebubs p) Namen gekannt; der Erzfeind, (im Himmel
Satan q) ſeitdem deswegen genennet) kehrte ſich zu ihm,
80Und brach ſo mit vermeſſenen Worten das graͤßliche Schweigen:
O! wenn du es noch biſt; doch ach! wie gefalln, wie veraͤndert,
Biſt du von dem, der ſonſt in den gluͤcklichen Reichen des Lichtes,
Mit hellſcheinender Klarheit gekleidet, ſo hell ſie auch glaͤnzten,

Myria-
o) Der Erde Mittelpunkt war nach
Miltons Syſtem der Mittelpunkt des
ganzen Weltgebaͤudes, und der aͤußerſte
Pol iſt gleichfalls nicht der Pol der Er-
de, ſondern des Weltgebaͤudes uͤberhaupt.
Es iſt zu bemerken, daß Homer die Hoͤl-
le ſo weit unter den tiefſten Schlund
der Erde ſetzt, als der Himmel von der
Erde entfernt iſt.
[fremdsprachliches Material – 1 Zeile fehlt] [fremdsprachliches Material – 5 Zeichen fehlen] Iliad. VIII, 16.
Virgil ſetzt ſie zweymal ſo weit.
Tum Tartarus ipſe
Bis patet in praeceps, tantum tendit-
que ſub umbras
Quantus ad aethereum coeli ſuſpe-

ctus Olympum.
Aen. VI, 577.
— der Tartarus ſelber

Thut itzt den Abgrund zweymal ſo
weit auf, und erſtrecket ſo tief ſich
[Spaltenumbruch] Unter die Schatten, ſo weit als der
Blick zum aͤtherſchen Olymp reicht.
Und Milton: Dreymal ſo fern von Gott
und von dem Lichte des Himmels ꝛc. ꝛc.
Nicht anders, als ob dieſe drey großen
Poeten ihr aͤußerſtes Genie angeſtrengt,
und mit einander haͤtten wetteifern
wollen, wer ſeine Jdee von der Tiefe
der Hoͤlle am hoͤchſten treiben koͤnne.
Milton uͤbertrifft ſie aber in der Beſchrei-
bung der Hoͤlle uͤberhaupt, eben ſo ſehr,
als in dieſem einzigen Umſtande von ih-
rer Tiefe. N.
p) Der Fliegenfuͤrſt, ein Goͤtze, der
zu Ekron, einer Stadt der Philiſter, ver-
ehrt wurde, 2 B. der Koͤnige I, 2.
q) Denn das Wort Satan bedeu-
tet im Hebraͤiſchen einen Feind. Er iſt
vorzuͤglicher weiſe der Feind; der Haupt-
feind Gottes und des Menſchen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="5">
            <pb facs="#f0022" n="8"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/>
            <l>Dreymal &#x017F;o fern von Gott, und von dem Lichte des Himmels,</l><lb/>
            <l>Als von dem a&#x0364;ußer&#x017F;ten Pole, der Erde Mittelpunkt ab&#x017F;teht <cb/>
<note place="foot" n="o)">Der Erde Mittelpunkt war nach<lb/>
Miltons Sy&#x017F;tem der Mittelpunkt des<lb/>
ganzen Weltgeba&#x0364;udes, und der a&#x0364;ußer&#x017F;te<lb/>
Pol i&#x017F;t gleichfalls nicht der Pol der Er-<lb/>
de, &#x017F;ondern des Weltgeba&#x0364;udes u&#x0364;berhaupt.<lb/>
Es i&#x017F;t zu bemerken, daß Homer die Ho&#x0364;l-<lb/>
le &#x017F;o weit unter den tief&#x017F;ten Schlund<lb/>
der Erde &#x017F;etzt, als der Himmel von der<lb/>
Erde entfernt i&#x017F;t.<lb/><gap reason="fm" unit="lines" quantity="1"/> <gap reason="fm" unit="chars" quantity="5"/> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Iliad. VIII,</hi> 16.</hi><lb/>
Virgil &#x017F;etzt &#x017F;ie zweymal &#x017F;o weit.<lb/><hi rendition="#et">&#x2014; <hi rendition="#aq">Tum Tartarus ip&#x017F;e</hi></hi><lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Bis</hi> patet in praeceps, tantum tendit-<lb/><hi rendition="#et">que &#x017F;ub umbras</hi><lb/>
Quantus ad aethereum coeli &#x017F;u&#x017F;pe-</hi><lb/><hi rendition="#et">ctus Olympum.<lb/><hi rendition="#aq">Aen. VI,</hi> 577.<lb/>
&#x2014; der Tartarus &#x017F;elber</hi><lb/>
Thut itzt den Abgrund <hi rendition="#fr">zweymal</hi> &#x017F;o<lb/>
weit auf, und er&#x017F;trecket &#x017F;o tief &#x017F;ich<lb/><cb/>
Unter die Schatten, &#x017F;o weit als der<lb/>
Blick zum a&#x0364;ther&#x017F;chen Olymp reicht.<lb/>
Und Milton: <hi rendition="#fr">Dreymal</hi> &#x017F;o fern von Gott<lb/>
und von dem Lichte des Himmels &#xA75B;c. &#xA75B;c.<lb/>
Nicht anders, als ob die&#x017F;e drey großen<lb/>
Poeten ihr a&#x0364;ußer&#x017F;tes Genie ange&#x017F;trengt,<lb/>
und mit einander ha&#x0364;tten wetteifern<lb/>
wollen, wer &#x017F;eine Jdee von der Tiefe<lb/>
der Ho&#x0364;lle am ho&#x0364;ch&#x017F;ten treiben ko&#x0364;nne.<lb/>
Milton u&#x0364;bertrifft &#x017F;ie aber in der Be&#x017F;chrei-<lb/>
bung der Ho&#x0364;lle u&#x0364;berhaupt, eben &#x017F;o &#x017F;ehr,<lb/>
als in die&#x017F;em einzigen Um&#x017F;tande von ih-<lb/>
rer Tiefe. <hi rendition="#fr">N.</hi></note>.</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;er Ort, o wie war er dem Orte &#x017F;o ungleich, von welchem</l><lb/>
            <l>Sie herunter ge&#x017F;tu&#x0364;rzt! Da&#x017F;elb&#x017F;t erkennet er plo&#x0364;tzlich</l><lb/>
            <l><note place="left">75</note>Seines Falles Gefa&#x0364;rthen, von Wirbelwinden, und Fluthen</l><lb/>
            <l>Stu&#x0364;rmenden Feuers, bedeckt. Dicht neben ihm wa&#x0364;lzt &#x017F;ich der na&#x0364;ch&#x017F;te</l><lb/>
            <l>Nach ihm, an Macht, und an Bosheit, den lange nachher <hi rendition="#fr">Pala&#x0364;&#x017F;tina</hi></l><lb/>
            <l>Unter <hi rendition="#fr">Beelzebubs</hi> <note place="foot" n="p)">Der Fliegenfu&#x0364;r&#x017F;t, ein Go&#x0364;tze, der<lb/>
zu Ekron, einer Stadt der Phili&#x017F;ter, ver-<lb/>
ehrt wurde, 2 B. der Ko&#x0364;nige <hi rendition="#aq">I,</hi> 2.</note> Namen gekannt; der Erzfeind, (im Himmel</l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Satan</hi><note place="foot" n="q)">Denn das Wort <hi rendition="#fr">Satan</hi> bedeu-<lb/>
tet im Hebra&#x0364;i&#x017F;chen einen Feind. Er i&#x017F;t<lb/>
vorzu&#x0364;glicher wei&#x017F;e der Feind; der Haupt-<lb/>
feind Gottes und des Men&#x017F;chen.</note> &#x017F;eitdem deswegen genennet) kehrte &#x017F;ich zu ihm,</l><lb/>
            <l><note place="left">80</note>Und brach &#x017F;o mit verme&#x017F;&#x017F;enen Worten das gra&#x0364;ßliche Schweigen:</l><lb/>
            <l>O! wenn du es noch bi&#x017F;t; doch ach! wie gefalln, wie vera&#x0364;ndert,</l><lb/>
            <l>Bi&#x017F;t du von dem, der &#x017F;on&#x017F;t in den glu&#x0364;cklichen Reichen des Lichtes,</l><lb/>
            <l>Mit hell&#x017F;cheinender Klarheit gekleidet, &#x017F;o hell &#x017F;ie auch gla&#x0364;nzten,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Myria-</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0022] Das verlohrne Paradies. Dreymal ſo fern von Gott, und von dem Lichte des Himmels, Als von dem aͤußerſten Pole, der Erde Mittelpunkt abſteht o). Dieſer Ort, o wie war er dem Orte ſo ungleich, von welchem Sie herunter geſtuͤrzt! Daſelbſt erkennet er ploͤtzlich Seines Falles Gefaͤrthen, von Wirbelwinden, und Fluthen Stuͤrmenden Feuers, bedeckt. Dicht neben ihm waͤlzt ſich der naͤchſte Nach ihm, an Macht, und an Bosheit, den lange nachher Palaͤſtina Unter Beelzebubs p) Namen gekannt; der Erzfeind, (im Himmel Satan q) ſeitdem deswegen genennet) kehrte ſich zu ihm, Und brach ſo mit vermeſſenen Worten das graͤßliche Schweigen: O! wenn du es noch biſt; doch ach! wie gefalln, wie veraͤndert, Biſt du von dem, der ſonſt in den gluͤcklichen Reichen des Lichtes, Mit hellſcheinender Klarheit gekleidet, ſo hell ſie auch glaͤnzten, Myria- o) Der Erde Mittelpunkt war nach Miltons Syſtem der Mittelpunkt des ganzen Weltgebaͤudes, und der aͤußerſte Pol iſt gleichfalls nicht der Pol der Er- de, ſondern des Weltgebaͤudes uͤberhaupt. Es iſt zu bemerken, daß Homer die Hoͤl- le ſo weit unter den tiefſten Schlund der Erde ſetzt, als der Himmel von der Erde entfernt iſt. _ _____ Iliad. VIII, 16. Virgil ſetzt ſie zweymal ſo weit. — Tum Tartarus ipſe Bis patet in praeceps, tantum tendit- que ſub umbras Quantus ad aethereum coeli ſuſpe- ctus Olympum. Aen. VI, 577. — der Tartarus ſelber Thut itzt den Abgrund zweymal ſo weit auf, und erſtrecket ſo tief ſich Unter die Schatten, ſo weit als der Blick zum aͤtherſchen Olymp reicht. Und Milton: Dreymal ſo fern von Gott und von dem Lichte des Himmels ꝛc. ꝛc. Nicht anders, als ob dieſe drey großen Poeten ihr aͤußerſtes Genie angeſtrengt, und mit einander haͤtten wetteifern wollen, wer ſeine Jdee von der Tiefe der Hoͤlle am hoͤchſten treiben koͤnne. Milton uͤbertrifft ſie aber in der Beſchrei- bung der Hoͤlle uͤberhaupt, eben ſo ſehr, als in dieſem einzigen Umſtande von ih- rer Tiefe. N. p) Der Fliegenfuͤrſt, ein Goͤtze, der zu Ekron, einer Stadt der Philiſter, ver- ehrt wurde, 2 B. der Koͤnige I, 2. q) Denn das Wort Satan bedeu- tet im Hebraͤiſchen einen Feind. Er iſt vorzuͤglicher weiſe der Feind; der Haupt- feind Gottes und des Menſchen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/22
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/22>, abgerufen am 29.03.2024.