Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierter Gesang.
Jhren Abendstral an. Es war ein Fels von Albaster
Aufgethürmt gegen die Wolken, der weit in der Ferne gesehn ward.
Durch ihn wand sich ein einziger Zugang hinauf von der Erde
545Alles andre war steile Klippe, die weit überhangend
Sich erhob, unersteiglich. Hier saß der englischen Wache
Führer, Gabriel [Spaltenumbruch] u), zwischen den Felsen, die Nacht erwartend.
Um ihn her übten heroische Spiele die Jugend des Himmels,
Ungewaffnet; doch hieng in der Näh die himmlische Rüstung
550Schilde, Lanzen, und Helme, von Gold und Diamant flammend.
Uriel kam hier zu ihnen; mit einem Sonnenstral war er
Durch den Abend herunter geschlüpft, so schnell, als im Herbste
Durch die Nacht ein schießender Stern herunter sich schlängelt,
Wenn die Luft von feurigen Dünsten erfüllet, dem Seemann
555Zeigt, von welcher Ecke von seinem Compaß die Stürme
Zu befahren sind; eilig fieng er also an zu reden:

Gabriel, durch das Loos, ist dir das Amt aufgetragen
Aufs genauste zu wachen, daß diesem glücklichen Orte
Sich nichts Böses nahe, noch weniger einbreche. Heute
560Kam ein Geist zu meiner Kugel am höhesten Mittag
Voll von Eifer, so schien es, noch mehrere Werke der Allmacht
Zu erkennen, besonders den Menschen, das Ebenbild Gottes
So er zuletzt geschaffen. Mit aller möglichen Sorgfalt
Gab
u) Ein Erzengel; sein Name be-
deutet im Hebräischen einen Mann
Gottes,
oder die Stärke und Macht
[Spaltenumbruch] Gottes,
deswegen macht ihn der
Poet sehr wohl zum Anführer der en-
glischen Wache. Hume.

Vierter Geſang.
Jhren Abendſtral an. Es war ein Fels von Albaſter
Aufgethuͤrmt gegen die Wolken, der weit in der Ferne geſehn ward.
Durch ihn wand ſich ein einziger Zugang hinauf von der Erde
545Alles andre war ſteile Klippe, die weit uͤberhangend
Sich erhob, unerſteiglich. Hier ſaß der engliſchen Wache
Fuͤhrer, Gabriel [Spaltenumbruch] u), zwiſchen den Felſen, die Nacht erwartend.
Um ihn her uͤbten heroiſche Spiele die Jugend des Himmels,
Ungewaffnet; doch hieng in der Naͤh die himmliſche Ruͤſtung
550Schilde, Lanzen, und Helme, von Gold und Diamant flammend.
Uriel kam hier zu ihnen; mit einem Sonnenſtral war er
Durch den Abend herunter geſchluͤpft, ſo ſchnell, als im Herbſte
Durch die Nacht ein ſchießender Stern herunter ſich ſchlaͤngelt,
Wenn die Luft von feurigen Duͤnſten erfuͤllet, dem Seemann
555Zeigt, von welcher Ecke von ſeinem Compaß die Stuͤrme
Zu befahren ſind; eilig fieng er alſo an zu reden:

Gabriel, durch das Loos, iſt dir das Amt aufgetragen
Aufs genauſte zu wachen, daß dieſem gluͤcklichen Orte
Sich nichts Boͤſes nahe, noch weniger einbreche. Heute
560Kam ein Geiſt zu meiner Kugel am hoͤheſten Mittag
Voll von Eifer, ſo ſchien es, noch mehrere Werke der Allmacht
Zu erkennen, beſonders den Menſchen, das Ebenbild Gottes
So er zuletzt geſchaffen. Mit aller moͤglichen Sorgfalt
Gab
u) Ein Erzengel; ſein Name be-
deutet im Hebraͤiſchen einen Mann
Gottes,
oder die Stärke und Macht
[Spaltenumbruch] Gottes,
deswegen macht ihn der
Poet ſehr wohl zum Anfuͤhrer der en-
gliſchen Wache. Hume.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="12">
            <pb facs="#f0179" n="159"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vierter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <l>Jhren Abend&#x017F;tral an. Es war ein Fels von Alba&#x017F;ter</l><lb/>
            <l>Aufgethu&#x0364;rmt gegen die Wolken, der weit in der Ferne ge&#x017F;ehn ward.</l><lb/>
            <l>Durch ihn wand &#x017F;ich ein einziger Zugang hinauf von der Erde</l><lb/>
            <l><note place="left">545</note>Alles andre war &#x017F;teile Klippe, die weit u&#x0364;berhangend</l><lb/>
            <l>Sich erhob, uner&#x017F;teiglich. Hier &#x017F;aß der engli&#x017F;chen Wache</l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;hrer, <hi rendition="#fr">Gabriel</hi> <cb/>
<note place="foot" n="u)">Ein Erzengel; &#x017F;ein Name be-<lb/>
deutet im Hebra&#x0364;i&#x017F;chen einen <hi rendition="#fr">Mann<lb/>
Gottes,</hi> oder die <hi rendition="#fr">Stärke und Macht<lb/><cb/>
Gottes,</hi> deswegen macht ihn der<lb/>
Poet &#x017F;ehr wohl zum Anfu&#x0364;hrer der en-<lb/>
gli&#x017F;chen Wache. <hi rendition="#fr">Hume.</hi></note>, zwi&#x017F;chen den Fel&#x017F;en, die Nacht erwartend.</l><lb/>
            <l>Um ihn her u&#x0364;bten heroi&#x017F;che Spiele die Jugend des Himmels,</l><lb/>
            <l>Ungewaffnet; doch hieng in der Na&#x0364;h die himmli&#x017F;che Ru&#x0364;&#x017F;tung</l><lb/>
            <l><note place="left">550</note>Schilde, Lanzen, und Helme, von Gold und Diamant flammend.</l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Uriel</hi> kam hier zu ihnen; mit einem Sonnen&#x017F;tral war er</l><lb/>
            <l>Durch den Abend herunter ge&#x017F;chlu&#x0364;pft, &#x017F;o &#x017F;chnell, als im Herb&#x017F;te</l><lb/>
            <l>Durch die Nacht ein &#x017F;chießender Stern herunter &#x017F;ich &#x017F;chla&#x0364;ngelt,</l><lb/>
            <l>Wenn die Luft von feurigen Du&#x0364;n&#x017F;ten erfu&#x0364;llet, dem Seemann</l><lb/>
            <l><note place="left">555</note>Zeigt, von welcher Ecke von &#x017F;einem Compaß die Stu&#x0364;rme</l><lb/>
            <l>Zu befahren &#x017F;ind; eilig fieng er al&#x017F;o an zu reden:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="13">
            <l><hi rendition="#fr">Gabriel,</hi> durch das Loos, i&#x017F;t dir das Amt aufgetragen</l><lb/>
            <l>Aufs genau&#x017F;te zu wachen, daß die&#x017F;em glu&#x0364;cklichen Orte</l><lb/>
            <l>Sich nichts Bo&#x0364;&#x017F;es nahe, noch weniger einbreche. Heute</l><lb/>
            <l><note place="left">560</note>Kam ein Gei&#x017F;t zu meiner Kugel am ho&#x0364;he&#x017F;ten Mittag</l><lb/>
            <l>Voll von Eifer, &#x017F;o &#x017F;chien es, noch mehrere Werke der Allmacht</l><lb/>
            <l>Zu erkennen, be&#x017F;onders den Men&#x017F;chen, das Ebenbild Gottes</l><lb/>
            <l>So er zuletzt ge&#x017F;chaffen. Mit aller mo&#x0364;glichen Sorgfalt</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Gab</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0179] Vierter Geſang. Jhren Abendſtral an. Es war ein Fels von Albaſter Aufgethuͤrmt gegen die Wolken, der weit in der Ferne geſehn ward. Durch ihn wand ſich ein einziger Zugang hinauf von der Erde Alles andre war ſteile Klippe, die weit uͤberhangend Sich erhob, unerſteiglich. Hier ſaß der engliſchen Wache Fuͤhrer, Gabriel u), zwiſchen den Felſen, die Nacht erwartend. Um ihn her uͤbten heroiſche Spiele die Jugend des Himmels, Ungewaffnet; doch hieng in der Naͤh die himmliſche Ruͤſtung Schilde, Lanzen, und Helme, von Gold und Diamant flammend. Uriel kam hier zu ihnen; mit einem Sonnenſtral war er Durch den Abend herunter geſchluͤpft, ſo ſchnell, als im Herbſte Durch die Nacht ein ſchießender Stern herunter ſich ſchlaͤngelt, Wenn die Luft von feurigen Duͤnſten erfuͤllet, dem Seemann Zeigt, von welcher Ecke von ſeinem Compaß die Stuͤrme Zu befahren ſind; eilig fieng er alſo an zu reden: Gabriel, durch das Loos, iſt dir das Amt aufgetragen Aufs genauſte zu wachen, daß dieſem gluͤcklichen Orte Sich nichts Boͤſes nahe, noch weniger einbreche. Heute Kam ein Geiſt zu meiner Kugel am hoͤheſten Mittag Voll von Eifer, ſo ſchien es, noch mehrere Werke der Allmacht Zu erkennen, beſonders den Menſchen, das Ebenbild Gottes So er zuletzt geſchaffen. Mit aller moͤglichen Sorgfalt Gab u) Ein Erzengel; ſein Name be- deutet im Hebraͤiſchen einen Mann Gottes, oder die Stärke und Macht Gottes, deswegen macht ihn der Poet ſehr wohl zum Anfuͤhrer der en- gliſchen Wache. Hume.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/179
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/179>, abgerufen am 02.05.2024.